Das vierte Rennwochenende der DTM-Saison 2022 auf dem Norisring geht nicht nur wegen des vieldiskutierten und teuren Crash-Festivals, sondern auch wegen des historischen Porsche-Sieges in die Geschichtsbücher ein. In der ersten vollen Saison des Sportwagenbauers aus Zuffenhausen dauerte es sieben Rennen, bis ein 911er ganz oben auf dem Podium stand - in Form von Thomas Preining, der auch sein KÜS Team Bernhard erstmals jubeln ließ.

Mehr als 30 Jahre lang konnte sich Porsche im Gegensatz zu allen anderen deutschen Herstellern nicht für die DTM begeistern lassen. Der Reglementwechsel auf GT3-Fahrzeuge zur Saison 2021 erleichterte den Einstieg, inzwischen in Form von Kundenteams. Im GT3-Debütjahr beließ es SSR Performance bei einem Schnupperkurs, bis 2022 das vollständige Engagement des Rennstalls aus München sowie der Truppe um Le-Mans-Sieger und Porsche-Ikone Timo Bernhard erfolgte.

Wolfgang Porsche gratuliert zum DTM-Sieg

Zwar betätigen sich Porsche-Kundenteams seit Jahren weltweit und erfolgreich in GT3-Rennserien, doch ein Erfolg in der DTM hat offenbar zumindest aus deutscher Sicht etwas Besonderes: Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com war einer der Gratulanten, der sich telefonisch via Porsche-Vorstand über den Debütsieg freute, Wolfgang Porsche! Der 79-Jährige ist seit 2007 Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche AG und der Porsche Automobil Holding SE sowie Aufsichtsratsmitglied der Volkswagen AG.

Teamchef Bernhard war die Begeisterung nach dem chaotischen Samstagsrennen, dass Porsche-Werksfahrer Preining vor Markenkollege Dennis Olsen (SSR-Porsche) als Erster beendete, deutlich anzusehen. "Rennfahren war so viel einfacher als ein Team zu betreiben, das kann man sich nicht vorstellen", jubelte der 41-Jährige, der sich auch bei seinen Eltern für die Team-Unterstützung bedankte. "Ich habe einen Moment gebraucht, um das zu verarbeiten. Ein historischer Tag und die Resonanz war überwältigend!"

Der Porsche 911 GT3 R vom KÜS Team Bernhard, Foto: LAT Images
Der Porsche 911 GT3 R vom KÜS Team Bernhard, Foto: LAT Images

Laudenbach: DTM-Sieg statt Nullnummer in Formel E

Mit Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach erlebte sogar ein hochrangiger Konzernmitarbeiter den historischen Erfolg live vor Ort mit. Laudenbach hatte ursprünglich geplant, das Porsche-Werksteam beim parallel stattfindenden Formel-E-Rennen in Marrakesch zu begleiten, doch die aktuelle Flugreisen-Krise machte selbst vor dem Sportchef nicht Halt. Nachdem Pascal Wehrlein und Andre Lotterer in Marokko leer ausgingen, hatte sich der Trip mit dem Auto nach Nürnberg immerhin gelohnt...

Dass ausgerechnet Preining den Porsche 911 GT3 R zum ersten DTM-Sieg bugsieren sollte, war für Experten eine kleine Überraschung. Das hatte man im Vorfeld der Saison eher dem hochprofessionell aufgestellten Team SSR Performance, zuvor Meister im ADAC GT Masters, mit Laurens Vanthoor und Dennis Olsen zugetraut. Die Mannschaft um Chef Stefan Schlund konnte sich immerhin über den ersten Podestplatz und die meisten Punkte aller Teams am Norisring-Wochenende freuen.

Thomas Laudenbach freut sich mit Thomas Preining und Timo Bernhard, Foto: DTM
Thomas Laudenbach freut sich mit Thomas Preining und Timo Bernhard, Foto: DTM

Porsche in der DTM am Leistungs-Limit

Das Ein-Mann-Team von Bernhard war schon zuletzt in Imola nur knapp am ersten Podestplatz vorbeigeschrammt, als Preining mit dem KÜS-911er von Startplatz drei die Ziellinie als Vierter überquerte. Ein wichtiges Ausrufezeichen nach den schwierigen ersten Saisonrennen der Porsche-Kundenteams und dem GT3-911er, der in der DTM zuletzt sowohl beim Gewicht als auch bei der Leistungsentfaltung an der Performance-Obergrenze seine Runden drehte.

In der hochperformant ausgelegten Balance of Performance der DTM tat sich der Porsche im Wettbewerb mit den anderen fünf Marken nicht leicht. "Wir hatten nicht den besten Start in die Saison", bestätigte Preining. "Aber wir haben zurückgeschlagen und die Konstanz war ein großer Schritt in die richtige Richtung. Ich bin auch stolz, ein kleiner Teil der DTM-Geschichte zu sein."

Der 2,1 Kilometer kurze Norisring zählt allerdings zu den Paradestrecken für den 911er, der mit seinem geringen Gewicht, dem Heckmotor, einer guten Bremse und Traktion aus den Kurven heraus wie gemacht scheint für den einzigen Stadtkurs im Rennkalender. "Wenn die hier kein Rennen gewinnen, dann nirgendwo", meinte auch ProSiebens TV-Experte Mike Rockenfeller, einst selbst als Porsche-Werksfahrer im Einsatz.

DTM-Boss Berger: Porsche-Sieg nur eine Frage der Zeit

Dabei war die Renn-Pace der drei Porsche im Starterfeld durchaus konkurrenzfähig, doch in den enorm wichtigen Qualifyings strauchelten Preining, Olsen und Vanthoor mehrfach. "Für mich war es nur eine Frage der Zeit, bis sie alles zusammenbringen", meinte DTM-Boss Gerhard Berger. "Es waren immer Fahrfehler dabei, wo die Runde im Qualifying nicht optimal gepasst hat oder sie im Verkehr gesteckt sind. Diesmal haben sie es optimal hinbekommen. Und die Strecke liegt dem Porsche natürlich auch."

Bernhard-Schützling Preining überzeugte nach dem Samstagssieg erneut mit Platz vier im Qualifying für das Sonntagsrennen. Mit den 25 Zusatz-Kilo für den Sieg und weiteren 10 Kilo BoP-Ballast für alle Porsche nahm der Österreicher mit P9 weitere Punkte mit. Olsen (15 Zusatz-Kilo für P2) erreichte von P8 den fünften Platz. "Am Sonntag konnten wir die Performance auch aufgrund des Platzierungsgewichts nach dem vorherigen Rennsieg nicht mehr wiederholen", sagte Porsche-Projektleiter Sebastian Golz. "Dennoch gehen wir nun mit bester Stimmung in die zweite Saisonhälfte."

Drei Porsche 911 GT3 R starten in der DTM 2022, Foto: LAT Images
Drei Porsche 911 GT3 R starten in der DTM 2022, Foto: LAT Images

Feuerlöscher: Früher Geldstrafe, jetzt Disqualifikation

Nach Platz vier im Samstagsrennen, ging am Sonntag ging nur Vanthoor leer aus. Der Belgier musste das Rennen nach einer Disqualifikation vom Qualifying von ganz hinten statt von P18 in Angriff nehmen. Grund für die Strafe: Das Feuerlöschsystem in seinem SSR-Porsche war nicht korrekt angeschlossen. Für ein ähnliches Vergehen bei diesem Sicherheitsthema waren GRT-Lamborghini und GruppeM-Mercedes beim Saisonauftakt noch mit Geldstrafen (5.000 Euro bzw. 7.500 Euro) weggekommen.

"Das war ein Fehler von unserer Seite, der bestraft wurde", räumte SSR-Teamchef Mario Schuhbauer gegenüber Motorsport-Magazin.com offen ein. "Nach den damaligen Vorfällen haben die Stewards mitgeteilt, dass das nun anders geahndet wird. Es wusste also jeder Bescheid. So steht es in den Statuten und da gibt es nichts zu diskutieren."