*** Viertes Rennwochenende der DTM-Saison 2022 auf dem Nürnberger Norisring: Im Samstagsrennen mit 16 Ausfällen feierte Porsche seinen ersten DTM-Sieg. Thomas Preining führte den 911er vom KÜS Team Bernhard zum Triumph vor Markenkollege Dennis Olsen beim Heimspiel von SSR Performance. Im deutlich ruhigeren Rennen am Sonntag beendete Felipe Fraga (AF-Corse-Ferrari) seine dicke Pechsträhne und fuhr ausgerechnet an seinem 27. Geburtstag zum ersten DTM-Sieg

*** Die DTM begibt sich in eine achtwöchige Sommerpause. Das fünfte von acht Events 2022 folgt vom 26. bis 28. August auf dem Nürburgring

*** Norisring-Ergebnis Rennen 1 (Top-10): 1. Thomas Preining (Bernhard-Porsche), 2. Dennis Olsen (SSR-Porsche), 3. Rene Rast (Abt-Audi), 4. Laurens Vanthoor (SSR-Porsche), 5. Philipp Eng (Schubert-BMW), 6. Maximilian Götz (Winward-Mercedes), 7. Luca Stolz (HRT-Mercedes), 8. Ricardo Feller (Abt-Audi), 9. Mikael Grenier (GruppeM-Mercedes), 10. Clemens Schmid (GRT-Lamborghini)

*** Norisring-Ergebnis Rennen 2 (Top-10): 1. Felipe Fraga (AF-Corse-Ferrari), 2. Mirko Bortolotti (GRT-Lamborghini), 3. Rene Rast (Abt-Audi), 4. Marco Wittmann (Walkenhorst-BMW), 5. Dennis Olsen (SSR-Porsche), 6. Maximilian Götz (Winward-Mercedes), 7. Ayhancan Güven (AF-Corse-Ferrari), 8. Luca Stolz (HRT-Mercedes), 9. Thomas Preining (Bernhard-Porsche), Maro Engel (GruppeM-Mercedes)

*** Mirko Bortolotti ist inoffizieller DTM-Halbzeitmeister mit 89 Punkten. Was das dem GRT-Piloten bedeutet? "Gar nichts! Es ist noch lange hin bis zum Saisonende." Sheldon van der Linde liegt trotz seiner Norisring-Nullrunde auf P2 mit 80 Zählern, gefolgt von Rene Rast (79 Punkte). Rast und Thomas Preining holten mit je 30 Punkten die meisten aller Fahrer am Wochenende

*** Im Titelkampf gilt Rene Rast als großer Gewinner des Wochenendes, der Abt-Pilot stand in den letzten fünf Rennen viermal auf dem Podest. Der dreifache DTM-Champion: "Jetzt bin ich bestplatzierter Audi und kämpfe um den Titel - das hatte ich nicht erwartet. Es kommen aber noch ein paar Strecken, die dem Audi nicht so gut liegen."

*** Le-Mans-Sieger Timo Bernhard war überglücklich, mit Thomas Preining den ersten Porsche-Sieg in der DTM geschafft zu haben. Der Teamchef: "Rennfahren war so viel einfacher als ein Team zu betreiben, das kann man sich nicht vorstellen! Ich habe einen Moment gebraucht, um das zu verarbeiten. Ein historischer Tag und die Resonanz war überwältigend!" Das freute auch Porsche-Motorsportchef Thomas Laudenbach, der der DTM zum zweiten Mal in Folge einen Besuch abstattete, während das Porsche-Werksteam zeitgleich das Formel-E-Rennen in Marrakesch bestritt

*** 16 Ausfälle am Samstag, nur 11 Autos im Ziel - so wenige wie nie zuvor seit der DTM-Rückkehr 2000. Ein außerplanmäßiges Treffen mit der Rennleitung am frühen Sonntagmorgen zeigte Wirkung: Im Sonntagsrennen gingen die verbliebenen 25 Fahrer (Muth und Pereras Autos zu stark beschädigt) unter Androhung harter Strafen auf Kuschelkurs. Nur 6 Fahrer sahen nicht die Zielflagge

*** Schubert-BMW-Teamchef und Rennfahrer Torsten Schubert zu Motorsport-Magazin.com: "Es war ganz wichtig, dass wir ein vernünftiges Rennen abgeliefert haben, obwohl man die Vorsicht natürlich im Rennen gesehen hat. Da muss man sich für die Zukunft sicherlich etwas einfallen lassen. Es hat sich kaum einer getraut, mal aktiv ranzugehen, was für den Zuschauer eigentlich auch nicht so schön ist. Aber so einen Krawall wie am Samstag braucht man ebenso wenig."

*** Felipe Fraga eroberte nach zuvor fünf Top-5-Platzierungen im Qualifying, sechs Ausfällen, und einem 2. Platz seinen ersten DTM-Sieg. "Da ist viel Gewicht von den Schultern gefallen", sagte AF-Corse-Teammanager Ron Reichert zu Motorsport-Magazin.com. "Die letzten Runden fühlten sich sehr lange an, obwohl die Strecke so kurz ist. Felipe wollte sogar noch den Punkt für die schnellste Runde, deshalb haben wir noch mehr gebangt."

*** AF-Corse-Pilot Ayhancan Güven präsentierte sich beim DTM-Debüt als starker Ersatz für Nick Cassidy (Formel E in Marrakesch: Startplätze drei und sieben, Ausfall am Samstag, P7 am Sonntag. Und das, obwohl der Türke und etatmäßige Porsche-Fahrer den Ferrari 488 GT3 zuvor nur bei einem kurzen Rollout bewegt hatte. Güven: "Ich würde gerne in der DTM fahren. Hoffentlich hilft mir meine Performance hier, um einen Platz für das nächste Jahr zu finden."

*** Ein Thema während der TV-Übertragung am Sonntag: Die deutlich sichtbaren Blasen auf den Scheiben der beiden AF-Corse-Ferrari. Zwar haben die GT3-Autos Abreißfolien ähnlich wie bei einem Rennfahrerhelm, doch die Fahrer fühlten sich nicht eingeschränkt. Teammanager Ron Reichert: "Das war kein Nachteil und hat die Sichtbarkeit nicht wirklich beeinflusst."

*** Für Mercedes-AMG gab es nach dem letztjährigen Dreifach- und Doppelsieg am Norisring nicht viel zu holen. Lokalmatador und DTM-Champion Maximilian Götz war in beiden Rennen als Sechster der bestplatzierte Stern-Fahrer. Ein Antrag auf einen 1 Millimeter größeren Restriktor wurde im Vorfeld abgelehnt. Götz: "Ich will nicht auf die BoP schimpfen, aber andere sind halt zwei Sekunden schneller. Ich habe gekämpft wie ein Löwe und wollte bei meinem Heimrennen gut dastehen."

*** Während Mick Schumacher bei der Formel 1 in Silverstone seine ersten Punkte erzielte, wartet Cousin David in der DTM noch auf die erste Punkteausbeute. Am Norisring fiel er am Samstag der Start-Kollision zum Opfer ("Das war ein bisschen zu chaotisch"), am Sonntag landete er im Heck von Ricardo Feller. Schumacher ohne Umschweife: "Ich habe den Bremspunkt verpasst. So ein dummer Fehler, ich habe mich im Auto so sehr über mich aufgeregt!" Imola-Sieger Feller argumentierte, dass er wegen anderer Autos vor ihm früher als in den vorangegangenen Runden bremsen musste. Die Rennleitung wertete die Kollision als Rennunfall

*** Offizielle Zahlen rückt die DTM schon seit einer ganzen Weile nicht mehr raus, aber am Norisring-Wochenende waren laut dem Motorsport Club Nürnberg als Veranstalter des DTM-Events mehr als 70.000 Besucher vor Ort. Dazu nach eigenen Angaben rund 50 Klima-Aktivisten am Eingang zur Strecke, die im Gegensatz zu den lebensmüden Demonstranten in Silverstone aber friedlich blieben

*** Motorsport-Magazin.com durfte am Sonntag eine Renntaxi-Runde mit DTM-Rekordchampion Bernd Schneider am Steuer eines Mercedes-AMG GT3 drehen. Ein einmaliges Erlebnis, Mr. DTM hat nichts von seinem Speed eingebüßt. Der AMG-GT3 von Schaeffler Paravan war ebenso mit der innovativen Space-Drive-Lenkung ausgestattet wie das Auto von Mücke-Pilot Maxi Buhk. Schneider: "Die Lenkung ist so präzise, da hat sich so viel getan. Ich würde den Teams empfehlen, darüber nachzudenken, diese Lenkung einzubauen. Gerade auf Strecken wie dem Norisring hat man mit Sicherheit einen Vorteil."

*** Traditioneller Promi-Alarm am Norisring! Unter anderem gaben sich Walter Röhrl, Sebastien Ogier, Strietzel Stuck, Daniel Abt, Ailton, Andreas Köpke, Felix Magath, Perry Bräutigam und Cathy Hummels beim DTM-Saisonhighlight die Ehre. Röhrl und Stuck sowie Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König hatten sogar eine Aufgabe, denn sie übergaben die Pokale an die drei erfolgreichsten Fahrer beider Rennen auf dem begehrten Siegerpodium

*** Zum ersten Mal trug die DTM ein Qualifying in zwei Gruppen aus, um zu starken Verkehr auf der kurzen Strecke zu vermeiden. Die Idee wurde positiv aufgenommen, hatte aber ihre Tücken. Am Samstag kurz vor dem Start musste das Grid noch einmal angepasst werden, weil sich Pole-Setter Kelvin van der Linde für den Start von der linken Seite entschied. Der Rest seiner Quali-Gruppe musste ebenfalls auf die linke Fahrbahnseite wechseln. Fragezeichen gab es auch über den 23. Startplatz von Mirko Bortolotti, obwohl er vom Qualifying disqualifiziert worden war (nicht zum Wiegen erschienen). Auflösung: Die Rückversetzung wurde lediglich auf das Ergebnis von Bortolottis Qualifikationsgruppe angewandt. Ebenso lief es bei Luca Stolz, der wegen eines Getriebeschadens passen musste

*** Der Norisring ist seit letztem Donnerstag nicht mehr 2,3 Kilometer lang! Die neue Streckenlänge beträgt nun offiziell 2,162 Kilometer und ist damit exakt 138 Meter kürzer als die bisherige Länge. Der Stadtkurs wurde im Vorfeld neu vermessen und so ergab sich eine Veränderung, weil in den 49 Jahren zuvor immer die äußere Linie und damit der weitere Weg als Maßstab galten. Der jetzige neue Wert setzt sich aus dem Mittel der äußeren weitesten und der inneren kürzesten Linie zusammen, die eine Centerline, also Mittellinie, ergibt - und somit auch eine mögliche Ideallinie.

*** Einer der größten Publikumslieblinge in Nürnberg war zweifelsohne Bruno Spengler, obwohl der Meister von 2012 und fünffache Norisring-Sieger gar nicht in der DTM startete. Stattdessen trat der BMW-Werksfahrer im DTM Classic Cup mit einem BMW 320i von 1998 an. Die Fans würden Spengler nur zu gerne wieder in der DTM sehen. Er sagt: "Ich würde mich riesig freuen! Es ist aber noch zu früh, um zu sagen, ob es klappt oder nicht." Der 38-Jährige hat dieses Jahr noch gar kein Rennen für die Münchner bestritten. Motorsportchef Andreas Roos zu Motorsport-Magazin.com: "Wir arbeiten dran, dass er auch wieder Programme für uns fährt."

*** Im Fahrerlager zog das Konzeptauto für die DTM Electric wieder zahlreiche Blicke auf sich. 2023 soll der Prototyp auf der Strecke zu sehen sein, ab 2024 sind Rennen geplant. Dr. Jochen Schröder, Leiter Unternehmensbereich E-Mobilität bei Schaeffler, zu Motorsport-Magazin.com: "Wir sind mitten in der Entwicklung und haben intern bei uns grünes Licht für Aufbau der ersten Teile gegeben. Wir werden mindestens 250 kW pro Rad haben und wollen die Antriebe noch größer auslegen. Der limitierende Faktor ist aktuell die Batterie. Wir peilen ein Zielgewicht von 1.500 Kilo an, es soll ja ein Rennwagen sein."

*** Das Rennwochenende begann mit der traditionellen MotorSport Lounge von B&M Marketing GmbH am Freitagabend im Bootshaus am Dutzendteich. Neben zahlreichen Teamvertretern und DTM-Piloten entdeckten wir unter anderem den früheren ADAC-Sportpräsidenten Hermann Tomczyk samt Sohn Martin, Franziskus van Meel, Geschäftsführer der BMW M GmbH sowie einige Führungskräfte des AvD.