So hatte sich das Liam Lawson sicherlich nicht vorgestellt: In der ersten Runde des DTM-Sonntagsrennens auf dem TT Circuit Assen musste der Meisterschaftsführende mit ansehen, wie ausgerechnet AF-Corse-Ferrari-Teamkollege Alex Albon in der ersten Runde an ihm vorbeihuschte. Plötzlich fuhr der Formel-1-Rückkehrer hinter dem Pole-Setter und späteren Sieger Lucas Auer sowie Marco Wittmann an dritter Stelle.

Ungewöhnlich, weil Lawson viel größere Chancen auf die Meisterschaft hat als sein Teamkollege. Der sicherlich ungeplante Positionswechsel der beiden aus Reihe zwei gestarteten Ferrari kam zustande, weil Vordermann und Titelanwärter Wittmann sich in den ersten Kurven voll auf Lawson konzentrierte und dadurch Albon auf der Innenseite Platz zum Reinstechen ließ.

Um Lawson, der nach dem zwölften von 16 Saisonrennen die Tabelle mit 175 Punkten vor Wittmann (165 Punkte) anführt, zu unterstützen, griff Ferrari-Werksteam AF Corse in die Trickkiste. Nach Runde fünf - und damit zum frühestmöglichen Zeitpunkt - wurde im Zuge einer Undercut-Strategie nicht zuerst der besser platzierte Albon, sondern Hintermann Lawson zum Pflicht-Boxenstopp hereingerufen.

Als eine Runde später Wittmann und Verfolger Albon zum Reifenwechsel abbogen, nutzte Lawson mit seinen bereits eingefahrenen Reifen die Gunst der Stunde: Beim Boxenausgang leistete zunächst Albon keine Gegenwehr, wenige Kurven später konnte sich auch Wittmann mit den soeben frisch aufgezogenen Reifen nicht verteidigen. Ein doppelter Positionsgewinn für den Neuseeländer, der später die Ziellinie als Zweiter vor Wittmann, Kelvin van der Linde und Albon überquerte.

Lawson bedankt sich bei Albon

Lawson machte später aus der für ihn vorteilhaften Strategie-Entscheidung keinerlei Geheimnis. "Ich weiß zu schätzen, was sie machen", sagte der 19-Jährige. "Danke an Alex, dass er mir geholfen hat. Nach dem Start war ich Vierter und kam nicht an Alex oder Marco vorbei. Es wurde entschieden, mir zu helfen, um so viele Punkte wie möglich zu holen. Das ist der Grund und dafür bin ich dankbar."

Albon sammelte als Fünftplatzierter zehn Punkte für die Meisterschaft und belegt den sechsten Rang mit 104 Zählern - ganze 71 weniger als AF-Corse-Kamerad Lawson, der zuletzt in Spielberg einen Doppelsieg feierte und in Assen zwei zweite Plätze sammelte.

Während Lawson im weiteren Verlauf des Rennens im Heck des Mercedes von Sieger Lucas Auer klebte, aber nicht vorbeikam, rieb sich Albon zunächst an Wittmann und später an van der Linde, der mit seinem Abt-Audi die Strategie eines späten Boxenstopps gewählt hatte, auf. Eine Kollision zwischen dem Ferrari und van der Linde auf der Geraden ahnte die Rennleitung im Zuge einer genauen Untersuchung nicht.

DTM Assen, Die Highlights des zweiten Rennens vom Sonntag (03:33 Min.)

Berger sicher: Lawson in Zukunft in der Formel 1

Während Albon die 'Opfer-Rolle' in Assen in Aussicht auf die sichere Rückkehr in die Formel 1 zu Williams wohl verschmerzen kann, steht für Lawson einiges auf dem Spiel. Der DTM-Titel wäre sicherlich eine gute Bewerbung für höhere Aufgaben. DTM-Boss Gerhard Berger ist sicher, dass Lawson in den nächsten ein, zwei Jahren der Sprung in die Formel 1 gelingt.

"Wir wussten, dass wir die ersten Rennen überleben müssen, weil die Strecken unserem Auto nicht so lagen", sagte Lawson, der insgesamt acht Mal auf dem Podium stand und vier dieser Podestplätze an den ersten drei Rennwochenenden sammelte. "Wir haben gute Fortschritte gemacht, ein Test vor Spielberg hat auch geholfen. Wir wollen versuchen, maximal viele Punkte zu holen, die wir am Anfang verloren haben."