"Ich bin ein Langweiler, oder?" Dieter Gass muss selbst ein wenig lachen. Der Audi-Motorsportchef kann sich schon vorstellen, worauf meine Frage abzielt. Warum zeigt Audi bei seinen Fahrerkadern in der DTM und auch der Formel E eine derartige Konstanz, möchte ich am Rande des Formel-E-Rennens in Mexiko-City wissen.

Während bei anderen Herstellern gerne mal die Wundertüte ausgepackt oder wild über Fahrerwechsel spekuliert und diskutiert wird, geraten die alljährlichen Kaderverkündungen bei Audi schon fast zur Randnotiz.

Wie in der DTM, wo die Ingolstädter zum dritten Mal in Folge mit der selben Fahrerzusammenstellung antreten. Oder der Formel E, wo Daniel Abt und Lucas di Grassi derzeit ihre sechste gemeinsame Saison für das von Abt aus Kempten gegründete und von Audi übernommene Team bestreiten - einzigartig in der Elektro-Rennserie. Spannung geht sicherlich anders.

Wo Wechselgerüchte in so ziemlich jeder Sportart das Salz in der Suppe sind, zuckt Gass in stoischer Ruhe mit den Schultern: "Grundsätzlich ist es so, dass wir mit den Rennfahrern zufrieden sind, die wir haben. Wenn wir jemanden hätten, der keine Leistung abliefert, würden wir natürlich über Ersatz nachdenken. Ich bin kein Freund von Überreaktionen und die DTM hat in der Vergangenheit gezeigt, dass das nicht ganz falsch war."

Audis DTM-Kader 2020

FahrerRennenSiegePodestplätzePoles
Jamie Green193174115
Mike Rockenfeller1736306
Nico Müller1024183
Rene Rast58172713
Loic Duval56021
Robin Frijns38070

Gemeint sind damit vor allem der ewige DTM-Geheimfavorit Jamie Green und der Franzose Loic Duval, die bei Audi schwierige Jahre durchlebten, sich zuletzt aber (wieder) zu Konstanten innerhalb des Sechser-Kaders mauserten, Rennen gewannen und Podestplätze erzielten.

Gemeint ist damit sicherlich auch der Erfolg in den vergangenen Jahren. 2019 gewann Audi dominant die Fahrer-, Team- sowie Hersteller-Wertung. Seit Gass 2013 im DTM-Programm das Steuer übernahm, holte Audi innerhalb dieser sieben Jahre drei Fahrer-Titel, vier Gesamtsiege in der Hersteller-Meisterschaft sowie - und das spricht ebenfalls für die Breite - seit 2014 alle (!) Vize-Titel in der Fahrer-Wertung.

In diesem Zeitraum errangen BMW und Mercedes je zwei Fahrer-Meisterschaften. Die Münchner triumphierten zudem zweimal in der Hersteller-Wertung, während Mercedes sich 2018 mit diesem Titel aus der DTM verabschiedete.

JahrFahrer-MeisterVize-MeisterHersteller-Meister
2013Mike Rockenfeller (Audi)Augusto Farfus (BMW)BMW
2014Marco Wittmann (BMW)Mattias Ekström (Audi)Audi
2015Pascal Wehrlein (Mercedes)Jamie Green (Audi)BMW
2016Marco Wittmann (BMW)Edo Mortara (Audi)Audi
2017Rene Rast (Audi)Mattias Ekström (Audi)Audi
2018Gary Paffett (Mercedes)Rene Rast (Audi)Mercedes
2019Rene Rast (Audi)Nico Müller (Audi)Audi

Gass: Fahrer machen den Unterschied

"In der vergangenen DTM-Saison war einer der großen Unterschiede unser Fahrerkader gegenüber dem von BMW", blickt Gass in Richtung der Konkurrenz aus München.

Zu den viel diskutierten Wechseln von Sheldon van der Linde und zuletzt Jonathan Aberdein aus dem Audi-Universum zu BMW, meint der Audi-Motorsportchef: "Ein größeres Kompliment kann mir BMW ja eigentlich gar nicht machen. Wenn ich gedacht hätte, dass sie besser sind als diejenigen, die wir im Auto haben, dann hätte ich sicherlich darauf reagiert. Ich bin aber zufrieden mit den Fahrern, die ich habe."

Seit 2013 an Audis DTM-Kommonadostand und seit 2017 Motorsportchef: Dieter Gass, Foto: Audi Communications Motorsport
Seit 2013 an Audis DTM-Kommonadostand und seit 2017 Motorsportchef: Dieter Gass, Foto: Audi Communications Motorsport

Das schlägt sich auch in den Zahlen wieder. Freunde der Transfermarkt-Gerüchte müssen jetzt stark sein: Nach 2013 hat Audi nur vier Veränderungen im DTM-Fahrerkader vorgenommen. Zur Saison 2014 ersetzte der aktuelle Vize-Meister Nico Müller den Portugiesen Filipe Albuquerque, 2017 mussten im Zuge der allgemeinen DTM-Kaderverkleinerung von acht auf sechs Autos Timo Scheider, Edo Mortara (zu Mercedes), Miguel Molina und Adrien Tambay gehen - es kamen der zweifache Meister Rene Rast und Loic Duval. Zur Saison 2018 trat Mattias Ekström nicht mehr an, der Fanbliebling aus Schweden wurde durch den Niederländer Robin Frijns ersetzt.

In vier von sieben Saisons seit 2013 trat Audi mit im Vergleich zum Vorjahr unveränderter Kaderzusammenstellung in der DTM an. Zur Verdeutlichung: BMW nahm von 2013 bis 2020 acht Fahrerwechsel vor, Aussteiger Mercedes wechselte bis zum Ausstieg Ende 2018 sieben Werkspiloten durch. "Man verliert ein bisschen Potenzial an öffentlicher Wahrnehmung", sagt Gass. "Fahrerwechsel werden in der Öffentlichkeit natürlich immer diskutiert. Ansonsten sehe ich keine Nachteile."

Änderungen in Aussicht

Gut möglich aber, dass nach 2020 auch bei Audi etwas Bewegung in die Kaderplanungen kommt. Verantwortlich sind Kalenderüberschneidungen zwischen DTM und Formel E, in denen sich die Ingolstädter werksseitig engagieren. Wegen einer Terminkollision der Veranstaltungen am Norisring und in New York müssen dieses Jahr die Audi-Werksfahrer Nico Müller und Robin Frijns Prioritäten setzen - und die liegen im Normalfall auf dem DTM-Programm.

Die Formel-E-Teams Dragon (Müller) und Audi-Kunde Virgin (Frijns) müssen sich für das Rennwochenende in den USA nach Alternativen umsehen. Eine Lösung, die Gass inzwischen kritisch beäugt: "Das ist schlecht. Da müssen wir schauen, wie wir langfristig weitermachen. Es ist die Frage, ob wir künftig noch Fahrer haben werden, die beide Serien fahren." Das klingt doch zumindest alles andere als langweilig...

Audi-Fahrerwechsel nach 2013

JahrWechselRAUSREIN
2013 auf 20141AlbuquerqueMüller
2014 auf 20150----
2015 auf 20160----
2016 auf 20171Scheider, Mortara, Molina, TambayRast, Duval
2017 auf 20181EkströmFrijns
2018 auf 20190----
2019 auf 20200----

BMW-Fahrerwechsel nach 2013

JahrWechselRAUSREIN
2013 auf 20142Werner, PriaulxGlock, Felix da Costa
2014 auf 20151HandBlomqvist
2015 auf 20160----
2016 auf 20170Tomczyk, Felix da Costa--
2017 auf 20182Martin, BlomqvistEng, Eriksson
2018 auf 20191FarfusVan der Linde
2019 auf 20202Spengler, ErikssonAuer, Aberdein

Mercedes-Fahrerwechsel nach 2013

JahrWechselRAUSREIN
2013 auf 20141MerhiDi Resta, Petrov
2014 auf 20151PetrovAuer, Götz
2015 auf 20161WehrleinOcon
2016 auf 20172Götz, JuncadellaEngel, Mortara
2017 auf 20182Engel, WickensWehrlein, Juncadella
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