Während hinter den Kulissen aktuell ein Rechtsstreit um eine von der FIA verhängte Geldstrafe in Höhe von 750.000 Euro läuft, ließ es sich Audi nicht nehmen, seine Dakar-Sieger in dieser Woche ausgiebig zu feiern. Die Sieger Carlos Sainz und Lucas Cruz sowie ihre Teamkollegen Stephane Peterhansel/Edouard Boulanger und Mattias Ekströms Co-Pilot Emil Bergkvist wurden von Audi-Mitarbeitern an den Standorten in Ingolstadt und Neckarsulm, in den Böllinger Höfen sowie in Neuburg an der Donau wie zu besten Le-Mans-Zeiten in Empfang genommen.
Zu den Gratulanten aus dem Audi-Vorstand zählte auch der neue Vorstandsvorsitzende Gernot Döllner: "Siege wie der Erfolg bei der Rallye Dakar zählen zu den ganz großen Meilensteinen in der Audi-Motorsportgeschichte." Jener CEO, der laut Angaben von Q-Motorsport-Chef Sven Quandt bei einer FIA-Anhörung jüngst entschieden habe, Pläne für eine Teilnahme an den weiteren Läufen zur FIA Rallye-Raid-Weltmeisterschaft zu verwerfen.
"Herzen der Audianer_innen und der Audi-Fans in aller Welt bluten"
Ein Teil von Audis Rallye-Tross besuchte am Donnerstag auch die erste Audi-Betriebsversammlung des Jahres in Ingolstadt. Vor rund 5.500 Belegschaftsmitgliedern sprach die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende Karola Frank unter anderem Klartext zu den Vorgaben des Audi-Vorstandes, dem Formel-1-Einstieg ab 2026 alle weiteren Motorsportprogramme unterzuordnen. Dazu zählen das Ende des Dakar-Projekts sowie die Einstellung der bisherigen Werksunterstützung für Kundenteams in Serien wie der DTM oder bei Rennen wie den 24h Nürburgring.
Karola Frank: "Die Herzen der Audianer_innen und der Audi-Fans in aller Welt bluten. Sie wollen uns auch weiterhin in anderen Rennserien sehen. Wir beim Betriebsrat sind überzeugt, dass der vom Unternehmen beschlossene Ausstieg aus dem Kundensport, den 24-Stunden-Rennen oder dem Rallye-Sport nicht von Dauer sein kann."
Karola Frank: Audis Formel-1-Einstieg richtig und wichtig
Ebenso merkte Frank an, dass der Einstieg in die Formel 1 richtig und wichtig sei. Der Sieg bei der Rallye Dakar habe gezeigt, "welches Potenzial im Ressort Audi Motorsport steckt". Abgesehen vom Einstieg in die Formel 1 müsse Audi über Alternativen im Motorsport nachdenken und Konzepte entwickeln, um sich in Zukunft weitere Optionen offen zu halten.
Um den vollen Fokus auf das mehrere Milliarden teure Formel-1-Projekt zu richten, hatte der Audi-Vorstand um den inzwischen abgesetzten CEO Markus Duesmann im Juli vergangenen Jahres folgenschwer entschieden, jegliche Werksunterstützung bei weiteren Motorsportprogrammen wegzurasieren. Zu diesem Zeitpunkt war die im November 2020 angekündigte Rückkehr zu den 24 Stunden von Le Mans, bei denen Audi mit 13 Gesamtsiegen die meisten nach Porsche (19) erreicht hat, bereits eine Totgeburt.
Während der einstige Projektpartner Porsche jüngst die 24 Stunden von Daytona sowie den WEC-Saisonauftakt in Katar mit seinem LMDh-Rennwagen gewonnen hat, prasselte von unterschiedlichen Stellen herbe Kritik auf Audis temporären Motorsport-Kahlschlag ein. "Was Dr. Wolfgang Ullrich aufgebaut und Dieter Gass fortgeführt hat über viele Jahr hinweg, wurde komplett zerstört", meinte etwa der Franzose Benoit Treluyer, der für Audi in den Jahren 2011, 2012 und 2014 in Le Mans triumphierte, zu Motorsport-Magazin.com.
Ernst Moser: "Wenn Audi wieder Le Mans macht, komme ich zurück"
"Wenn Audi wieder Le Mans macht, komme ich noch mal zurück", hatte der scheidende Phoenix-Racing-Gründer Ernst Moser zum Abschied während der Audi Race Night im Dezember vergangenen Jahres angekündigt. Bis dahin dürfte eine ganze Weile vergehen, denn Audi wurde wie auch Mercedes-AMG trotz seiner glorreichen Historie nicht für einen Platz in der neugeschaffenen GT3-Klasse der 24 Stunden von Le Mans berücksichtigt. Auch am französischen Veranstalter ACO dürfte das Motorsport-Beben aus der Audi-Vorstandsetage nicht geräuschlos vorbeigezogen sein...
Selbst im Falle einer Zusage hätten sich Audi-Kundenteams in der Langstrecken-Weltmeisterschaft schwergetan. Die bisherige finanzielle Unterstützung und kostenfreie Leihgabe von Profi-Rennfahrern fallen ab sofort flach. Das gilt auch für weitere weltweit prestigeträchtige 24-Stunden-Rennen wie auf dem Nürburgring, in Spa-Francorchamps oder Daytona.
Audi-Motorsportchef Michl: Es gibt keine Ausnahmen, ist leider so
"Es gibt keine Ausnahmen", bestätigte Rolf Michl, Audi-Motorsportchef und Geschäftsführer der Audi Sport GmbH, im Oktober vergangenen Jahres gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Die Entscheidung, die ich schweren Herzens mitteilen musste, ist in aller Konsequenz umzusetzen. Das ist leider so."
Zahlreiche Teams und Werksfahrer haben Audi Sport in Folge des Vorstands-Bebens verlassen. Andere halten der Marke mit den vier Ringen weiter die Stange, wie das Team Abt Sportsline, das die Bühne des letztjährigen DTM-Finales in Hockenheim nutzte, um eine Fortsetzung seines Projekts mit zwei Audi R8 LMS GT3 Evo II bekanntzugeben. Um den kostspieligen DTM-Einsatz zu stemmen, hat Marketing-Genie Harry Unflath die Rückkehr des einstigen Sponsors Red Bull auf den beiden Autos eingefädelt.
"Wenn du so lange einen treuen Partner an deiner Seite hast, bist du nicht wie ein Fähnchen im Wind und gibst das einfach auf", hatte Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk, der 2011 den dritten von insgesamt neun DTM-Titeln für Audi errang, gegenüber Motorsport-Magazin.com den bemerkenswerten Treueschwur formuliert.
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