Doppel-Pole, Doppel-Sieg. Rene Rast fügte seinem beeindruckenden Lauf beim DTM-Wochenende auf dem Nürburgring einen vorläufigen Höhepunkt hinzu. 56 Punkte, die maximal mögliche Ausbeute - und das als erster Fahrer überhaupt, seit in der Saison 2017 Punkte für die drei Bestplatzierten im Qualifying eingeführt worden waren.

Rast, der amtierende DTM-Champion, ist der Mann der Stunde und bereitet nun sogar Mercedes Kopfzerbrechen im Kampf um die Meisterschaft. "Da hinten hamstert Einer fleißig Punkte, auf den müssen wir aufpassen", warnte Mercedes-Teamchef Uli Fritz nach den Rast-Festspielen am Ring.

Rast gewann drei der letzten acht Rennen (Zandvoort, 2x Nürburgring) und fuhr fünf Mal auf das Podium. Im Verlauf dieser Periode erzielte der 31-Jährige sogar mehr Punkte (126) als die Titelfavoriten Gary Paffett (107) und Paul Di Resta (117).

Punkteverteilung letzte 8 Rennen (Quali + Rennen)

RennenPaffettDi RestaRast
Zandvoort 128190
Zandvoort 2211526
Brands Hatch 18013
Brands Hatch 2212715
Misano 10281
Misano 201015
Nürburgring 117028
Nürburgring 2121828
Gesamt (letzte 8 Rennen)107117126

Was hat sich seit Zandvoort verändert?

In den ersten neun Saisonrennen sammelte Rast nur 23 Zähler und lag außerhalb der Top-10 in der Gesamtwertung. Doch ab Zandvoort muss etwas passiert sein: Rast gewann das Sonntagsrennen in den Niederlanden von Startplatz drei - der Knoten war geplatzt. Das galt aber nicht für seine fünf Audi-Markenkollegen...

Bezeichnend für die Situation im Audi-Lager: Rast holte allein am Nürburgring so viele Punkte wie Audi-Kollege Robin Frijns in der gesamten Saison! Warum gerade der DTM-Rookie als Beispiel dient? Weil der Niederländer nach Rast der bestplatzierte Audi-Pilot in der Meisterschaft ist - und das auf Platz 13.

Fünf Audis auf den letzten sechs Plätzen

Mit Frijns (56), Mike Rockenfeller (56), Loic Duval (44), Nico Müller (43) und Schlusslicht Jamie Green (17) liegen fünf Audi-Fahrer auf den letzten sechs Plätzen im Gesamtklassement. Mit Ausnahme von Rast eine Kollektiv-Katastrophe für den Autobauer aus Ingolstadt, der 2017 noch den Fahrer-, Hersteller- und Teamtitel gewann.

Frage an Audis Motorsportchef: Warum ist nur Rene Rast so gut? Dieter Gass zu Motorsport-Magazin.com: "Für den Fahrer kommt es darauf an, das Auto maximal nutzen zu können. Wenn das Setup, das für das Auto am schnellsten ist, nicht jeder so fahren kann - dann ist er zwei, drei Zehntel zurück. Und das ist in der DTM eine Welt."

Das mutet komisch an, bestätigte auch Gass: "Aber es ist ganz einfach darin bedingt, dass nicht Jeder mit dem Auto so gut klarkommt, weil es dem eigenen Fahrstil nicht entgegenkommt."

Allrounder Rast

Rast fuhr in seiner Motosportkarriere alle möglichen Formen von Rennautos ohne und mit Dach: Vom Rennkart über Formel BMW bis Formel E und über die Fronttriebler VW Polo und Seat Leon bis hin zu den heckgetriebenen Porsche-Cup-Fahrzeugen, GT3- und LMP1-Sportwagen. "Ich bin schon viele Autos gefahren, die wenig Aero haben und viel gerutscht sind", sagte er zu Motorsport-Magazin.com. "Das haben wir heute wieder in der DTM. Mit den neuen Regeln ist das Auto wirklich schwierig zu fahren."

Das zeigt unter anderem Jamie Green, Rasts Teamkollege beim Audi Sport Team Rosberg. Kurios: Während Rast wieder Chancen auf den Titel hat, ist Green Letzter in der Meisterschaft! Nur 17 Punkte - 132 weniger als Rast - holte der Brite, der seit Jahren als einer der stärksten Fahrern in der DTM gilt.

Das sagt Teamchef Zensen

"Rene ist im Gegensatz zu seinem Teamkollegen Jamie einfach schon so gut wie alles gefahren", sagt Rosberg-Teamchef Arno Zensen zu Motorsport-Magazin.com. "Diese Erfahrung zahlt sich aus. Es scheint so, dass Rene von allen Audi-Fahrern am besten mit der Aero am RS5 zurechtkommt."

Tatsächlich fuhr Green zwischen 2002 und 2004 ausschließlich Formel-Rennwagen, bevor er 2005 in die DTM wechselte. Doch was ist etwa mit Mike Rockenfeller, der nur ein Jahr Formel-Rennwagen fuhr, bevor er 2002 in den Cup- und GT-Sport wechselte und dort ähnliche Erfahrungen sammelte wie Rast?

Rockenfeller: Sein Auto geht wie die Sau

Nachfrage beim DTM-Champion von 2013, der Rast am Nürburgring in Sachen Pace am nächsten kam. Rockenfeller zu Motorsport-Magazin.com: "Ich würde das relativ nüchtern betrachten: Er hat einen Lauf, sein Auto geht wie die Sau, und fertig."

"Wenn wir es wüssten, würden wir es ja genauso machen", erklärte Rockenfeller weiter. "Es ist eine Kombination: Rene hat seinen Weg fürs Auto gefunden, sein Fahrstil passt und er liefert ab, wenn es darauf ankommt. Wir hingegen machen Fehler und sind hier und da auch nicht auf seinem Level. Woran genau das liegt, ist schwer zu sagen."

Audi: Punkteverteilung letzte 8 Rennen

RennenRastFrijnsRockenfellerDuvalMüllerGreen
Zandvoort 10100001
Zandvoort 22600000
Brands Hatch 11301000
Brands Hatch 21508010
Misano 1118112100
Misano 215124826
Nürburgring 12808410
Nürburgring 22810000
Gesamt (letzte 8 Rennen)126412224147

Sechs Tausendstelsekunden Unterschied

Die Abstände in den oftmals entscheidenden Qualifyings sind derart eng, dass schon Hundertstelsekunden einen großen Unterschied ausmachen können. Am Nürburgring war es wieder extrem: Rast holte am Sonntag die Pole mit 0,006 Sekunden Vorsprung vor Gary Paffett - der Mercedes-Pilot hingegen war bei den theoretischen Bestzeiten seinerseits 0,006 Sekunden schneller als Rast.

Im direkten Vergleich sah es wesentlich deutlicher aus: Rockenfeller war hinter Rast in beiden Qualifyings der zweitbeste Audi-Fahrer. Am Samstag fehlten ihm 0,382 Sekunden - Startplatz elf. Sonntags waren es 0,328 Sekunden, was Rockenfeller den siebten Startplatz bescherte.

Rast: Ich kann mit dem Auto spielen

"Wenn es eine Symbiose zwischen Auto und Fahrer gibt, kann man im Qualifying einen guten Job machen", erklärte Rast. "Wir haben ein gutes Setup gefunden, das mir taugt. Ich kann mit dem Auto spielen und es einstellen, wie ich möchte. Vielleicht sind die anderen Fahrer noch nicht bei dem Setup, mit dem sie sich zu 100 Prozent wohlfühlen. Und wenn das Auto passt, muss man es auch noch zusammenbringen. Das ist mir in den letzten Monaten gut gelungen."

Stimmt! Rast sicherte sich seit Zandvoort 126 Punkte. Festhalten: Das sind 9 Zähler mehr als seine fünf Audi-Mitstreiter zusammen holten. Rookie Frijns war mit 41 Punkten noch der erfolgreichste, der Rest fiel kollektiv ab. Es bleibt eine Woche vor dem nächsten DTM-Rennwochenende in Spielberg die große Frage: Warum ist bei Audi nur Rene Rast gut?