Für das bei den 24 Stunden von Le Mans 2023 beginnende LMDh-Zeitalter hatte Mike Rockenfeller ursprünglich ganz andere Pläne. Statt im Prototypen geht der Allrounder aller Klassen beim Langstreckenklassiker dieses Jahr im NASCAR von Hendrick Motorsport an den Start. Die 'Garage 56' macht den Einsatz des Exoten inmitten von LMDh, Hypercar, LMP2 und GTE möglich. Für Rocky ist das Projekt alles andere als ein Lückenfüller. An der Seite von Formel-1-Weltmeister Jenson Button und NASCAR-Rekordchampion Jimmie Johnson will er im Chevrolet Camaro nicht nur den amerikanischen Spirit mit lautem V8-Gedonner an die Sarthe bringen.

"Das hier ist schon ein ambitioniertes Projekt", erklärt Rockenfeller bei einer Medienrunde im Rahmen der 24 Stunden von Daytona, wo das Programm samt Fahrerpaarung offiziell bekanntgegeben wurde. Der Start des Chevys bei der 100. Ausgabe der 24h von Le Mans ist nicht die erste Meldung eines NASCARS in der langen Historie des Rennens. Im Jahr 1976 stellten sich ein Dodge Charger und ein Ford Torino der Herausforderung, sahen jedoch beide nicht die Zielflagge.

Bei Hendrick Motorsport wird deutlich mehr für den Erfolg des Projekts getan, als es vor knapp 50 Jahren der Fall war. "Die lassen sich das auch etwas kosten, wenn du siehst, welcher Aufwand da betrieben wird. Das ist nicht nur nach dem Motto "wir rollen mal nach Le Mans", das wird schon sehr seriös betrieben", so Rockenfeller. "Das Ziel ist, nicht Letzter zu werden und anzukommen."

NASCAR soll Pace der GTE-Autos in Le Mans matchen

In der NASCAR Cup Series sieht der Chevrolet Camaro zwar mehr Oval-Action und ist nur selten auf einem Road Course unterwegs, doch auf dem Highspeed-Kurs von Le Mans rechnen sich die US-Amerikaner durchaus Chancen aus, nicht außer Konkurrenz hinterherzufahren. "Ich denke, so wie die GTE", stellt Rockenfeller durchaus stramme Rundenzeiten für das US-amerikanische Kraftpaket in Aussicht. Die GT-Boliden von Porsche und Co. sind im Renntrimm in Le Mans bei etwa 3:50 Minuten unterwegs.

Was den Topspeed angeht, soll der V8 mit 5,8 Litern Hubraum und deutlich weniger Luftwiderstand eine Ecke schneller sein. "In den Kurven sind wir dafür langsamer. Aber wir haben bessere Bremsen als das NASCAR-Cup-Auto. Die wären auch gut genug gewesen, aber du muss dann viel zu oft wechseln. Wir haben jetzt Kohlefaserbremsen, das ist schon besser", sagt Rockenfeller.

Um den 13,6 Kilometer langen Circuit de la Sarthe zu meistern, wird der Camaro umfangreich optimiert. "Es ist kein Cup-Reifen, sondern einer, der vorne und hinten breiter ist. Es hat mit dem Standardauto aus dem Cup angefangen, aber dann brauchst du weniger Gewicht, mehr Grip von den Reifen, mehr Abtrieb, mehr Leistung und dann kommst du irgendwann in das Performancefenster, wo du hin willst", so Rockenfeller.

NASCAR-DNA bleibt unangetastet

Die NASCAR-DNA bleibt trotz der Modifikationen unangetastet. "Wir werden durchs Fenster einsteigen und das Auto wird auch keine Airjacks haben, sondern mit Wagenhebern aufgebockt. Das ist natürlich ganz anders und auch die NASCAR, die man sehen möchte. Ich glaube, das ist super cool", sagt der 39-Jährige gegenüber Motorsport-Magazin.com.

In den USA sollen noch zwei bis drei Testfahrten zur Entwicklung durchgeführt werden, um das Auto vorzubereiten. Auf europäischem Boden sind nur mehr Setup-Optimierungen möglich. Trotz der fehlenden Le-Mans-Erfahrung des Einsatzteams hat Rockenfeller keine Zweifel, dass Hendrick Motorsport der Challenge gewachsen ist.

"Das ist ein richtiges Top-Team. Es ist ein NASCAR-Team aber sie können mit ihrem Ansatz überall fahren und man hätte für dieses Projekt kein besseres Team wählen können", sagt der Routinier. Für ihn wird es der elfte Start bei den 24 Stunden von Le Mans. Neben dem Gesamtsieg mit Audi im Jahr 2010 feierte er 2005 für Porsche einen GT2-Klassensieg.

Rockenfeller für Zukunft breit aufgestellt

Eigentlich war sein Plan, in der neuen LMDh-Klasse wieder in den Kampf um Gesamtsiege einzugreifen. "Aber das hat sich für dieses Jahr zerschlagen", so Rockenfeller, der sich für den Start mit Hendrick Motorsport jedoch schnell begeistern ließ, nachdem er ohnehin schon für die Entwicklung des Autos im Boot war.

"Ich will natürlich um Gesamtsiege fahren und da auch wieder hinkommen, auch in Le Mans. Das ist nach wie vor so. Aber so ein Projekt ist so einzigartig in der Geschichte. Allein schon das Line-up, die Leute und die Partner die dort involviert sind, dieses Auto in Le Mans, das ist schon cool, dort dabei zu sein", erklärt er.

Für die Zukunft kann er sich unterschiedliche Engagements vorstellen. Seine Erfahrung sieht er im LMDh-Bereich weiter als Trumpf. "Es gibt ja viele Hersteller und viele Fahrer, also viel Konkurrenz. Aber der eine oder andere Hersteller wird nach einem Jahr vielleicht merken, dass er möglicherweise nicht überall die Besten reingesetzt hat, beziehungsweise nicht in jedem Moment den besten Fahrer im Auto gehabt hat. Man muss halt auch ankommen und ich bin beim einen oder anderen durchaus gespannt", so Rockenfeller.

Nachdem er 2022 in Watkins Glen und auf dem Charlotte Roval erste Erfahrungen in der NASCAR Cup Series sammelte, könnte er sich weitere Starts in der hochkarätigen US-Rennserie durchaus vorstellen. "Wenn sich eine Möglichkeit bei einem guten Team ergibt, würde ich es auf jeden Fall machen. Du brauchst dort aber wie überall im Motorsport das richtige Umfeld. Es macht keinen Spaß, wenn du nicht konkurrenzfähig bist."