1. - Wofür wurde Kamui Kobayashi am Ende bestraft?

Es war die entscheidende Szene beim 6-Stunden-Rennen der WEC in Austin: Kamui Kobayashi kassierte im #7 Toyota in Runde 159 - 34 Umläufe vor dem Zieleinlauf - eine Durchfahrtstrafe. Zu diesem Zeitpunkt führte der Japaner mit komfortablen 9 Sekunden Vorsprung auf AF-Corse-Ferraris Schlussfahrer Robert Shwartzman. Nach der Bestrafung und einer Full-Course-Yellow-Phase lag der #83 Ferrari mit 17 Sekunden an der Spitze und Kobayashi gelang es ‚nur’ noch, den Rückstand auf 1,7 Sekunden zu verkürzen.

Die Strafe für den Toyota wurde kurioserweise erst rund eine Stunde nach dem eigentlichen Vergehen ausgesprochen. Laut Ansicht der Rennleitung war Kobayashi in Runde 125 zu schnell unterwegs, als wegen eines gestrandeten Peugeot gelbe Flaggen gezeigt wurden. Die Japaner wiesen in ihrer Pressemitteilung pikanterweise darauf hin, dass die eigenen Daten darauf hindeuteten, dass ein „direkter Wettbewerber“ (#83 Ferrari; d. Red.) für das gleiche Vergehen nicht bestraft worden sein.

Toyota-Teamdirektor David Floury merkte zudem an, dass Kobayashi durch die Signalgebung verwirrt worden sein könnte: Zwar wurden in Kurve 11 gelbe Flaggen geschwenkt, doch ein LED-Panel soll Grün angezeigt haben. Der Ex-Formel-1-Fahrer verstand während der Fahrt zunächst überhaupt nicht den Grund für die Strafe und sagte später: „Sie war eine große Überraschung für mich. Dafür eine Strafe zu erhalten, ist ein bisschen überraschend.“

WEC Austin 2024: Highlights und Zusammenfassung vom Rennen (12:31 Min.)

2. - Warum übernahm Robert Kubica ungewollt die Führung?

Es wirkte etwas kurios, als AF-Corse-Ferrari-Pilot Robert Kubica in Runde 19 die Führung von Antonio Giovinazzis #51 Ferrari übernahm, ohne dass sich der Pole-Setter allzu sehr zu wehren schien. Später kam raus: Kubica wollte eigentlich hinter Giovinazzi bleiben, um weiter seine Reifen zu schonen und die verfügbare Energie-Menge für den ersten Stint zu managen.

Aber: Der Pole musste plötzlich pushen und die Reifen anheizen, weil seine Hinterreifen unter dem von Michelin vorgegebenen Mindestluftruck lagen! Für die Unterschreitung zwischen Runde 8 bis 15 erhielt der #83 AF Corse Ferrari auch eine Verwarnung. Das Team hatte den Luftdruck-Fauxpas zu spät bemerkt, sodass Kubica schon in Runde 30 die Box ansteuerte und vier neue Reifen (3 Medium, 1 Hart hinten rechts) aufziehen ließ. Hintermann Giovinazzi kam erst in Runde 32 und bekam nur zwei Medium-Reifen für die linke Fahrzeugseite.

AF Corse musste in der Folge seine Reifen-Strategie anpassen und Yifei Ye zu Beginn seines Doppelstints mit vier Hart-Reifen auf die Strecke schicken, obwohl die Medium-Mischung eindeutig schneller war. 18 Slicks sind bei einem 6-Stunden-Rennen erlaubt. In dieser Phase gelang es Nyck de Vries im #7 Toyota, eine Lücke von 12 Sekunden zu Yes Ferrari zu schließen, sodass im Anschluss Kamui Kobayashi zu Beginn seines Doppelstints in Runde 123 erstmals die Führung übernahm. Nach dem letzten Boxenstopp führte der Japaner mit 9 Sekunden Vorsprung, bevor ihn die in Frage 1 erwähnte Durchfahrtstrafe 20 Sekunden und damit den sichergeglaubten Sieg kostete.

3. - Warum war der #35 Alpine trotz Strafe besser als das Mick-Schumacher-Auto?

Alpine war in Austin die positive Überraschung, landete erstmals mit beiden Autos in den Punkten und erzielte mit dem fünften Platz des #35 A424 (Habsburg, Milesi, Chatin) sein bestes Saisonergebnis. Das galt ebenso für die #36 Crew um Mick Schumacher, Nicolas Lapierre und Matthieu Vaxiviere, die mit P9 ihr bis dato erfolgreichstes Rennen bestritt. Beim Zieleinlauf trennten die beiden Autos 64 Sekunden.

Und das, obwohl #35 Startfahrer Ferdinand Habsburg von P4 einen frühen Rückschlag erlebte, als er wegen einer Cadillac-Kollision eine Durchfahrtstrafe kassierte. Dem Österreicher gelang es allerdings bis zu seinem ersten Boxenstopp in Runde 32, wieder vor dem von P13 gestarteten Schwesterauto zu sein, denn: Auf der #36 hatte Startfahrer Matthieu Vaxiviere arge Probleme wegen der falschen Reifenwahl auf der Hinterachse - Hart statt Medium. Nach den ersten Stopps führte die #35 sogar mit 15 Sekunden Vorsprung!

Nach Vaxivieres Problemen übernahm Schumacher erstmals die #36 und fuhr Paul-Loup Chatins #35 Alpine in Grund und Boden: Nach den zweiten Boxenstopps führte plötzlich die #36 mit 7 Sekunden Vorsprung vor dem Schwesterauto. Anderes Spiel im dritten Stint, als erstmals Charles Milesi die #35 übernahm und Nicolas Lapierre (#36) - auch dank einer glücklichen FCY-Phase - ganze 32 Sekunden abnahm. Milesi war in Austin der schnellste der sechs Alpine-Fahrer und im Schnitt sogar der zweitschnellste aller 49 Hypercar-Piloten.

Im vierten Stint überzeugte erneut Habsburg im Alpine-Duell gegen Vaxiviere und baute den Vorsprung der #35 weiter aus: Als Schumacher auf P12 liegend danach zum finalen Doppelstint ab Runde 129 ansetzte, betrug der Rückstand der #36 bereits 50 Sekunden. Schumacher hielt seinen Abstand in den rund letzten 50 Runden gegen die #35 von Milesi, der ebenfalls einen Doppelstint absolvierte, zwar konstant, konnte aber nicht aufholen. Der Franzose hatte die #35 auf P7 liegend übernommen. Schumacher und Milesi fuhren auf ihren Autos fast die Hälfte der kompletten Renndistanz.

4. - Welches kuriose Problem ereilte den #5 Porsche beim Start?

Der Porsche-Crew unterlief beim #5 963 (Campbell, Christensen, Makowiecki) ein seltener Fehler mit großen Konsequenzen: Startfahrer Frederik Makowiecki musste von Platz sechs schon nach der Startrunde einen ungeplanten Boxenstopp einlegen, weil das Team vergessen hatte, die grüne Abdeckung vom Staurohr am Dach des Porsche zu entfernen. Dieses Teil wird eigentlich beim Vorstart genutzt, um optisch anzuzeigen, dass das Hochvoltsystem abgeschaltet ist.

Das grüne Plastikteil blockierte nach dem Start den Motoreinlass des Porsche, wodurch die Temperaturen im System immer weiter anstiegen. Der Boxenstopp kostete die #5 Crew rund 40 Sekunden Zeit. Matt Campbell/Michael Christensen/Fred Makowiecki beendeten das Rennen auf Platz sieben hinter dem #6 Porsche der WM-Spitzenreiter Andre Lotterer, Kevin Estre und Laurens Vanthoor, der wegen eines Gelb-Verstoßes ebenfalls eine zusätzliche Boxengassendurchfahrt absolvieren musste.

5. - Wofür kassierte der #20 BMW eine 100-Sekunden-Strafe?

Zum ersten Mal in dieser Saison waren die beiden BMW M Hybrid V8 wirklich bei der Musik. Vor allem für die #20 (Sheldon van der Linde, Rast, Frijns) wäre ein Top-Ergebnis drin gewesen, hätten nicht zwei späte Strafen den BMW bis auf Platz 13 zurückgeworfen. In Runde 141 lag Sheldon van der Linde noch an fünfter Position, bis er eine Durchfahrtstrafe wegen eines FCY-Vergehens kassierte.

In der vorletzten Runde setzte es obendrein eine 100-Sekunden-Boxenstopp-Strafe, als der Südafrikaner auf P6 fuhr. Der Grund für die heftige Bestrafung: Der BMW hatte die maximal erlaubte Energiemenge in seinem Stint überschritten. Die ist für jeden Hersteller in der BoP vorgegeben. Für den Münchner Autobauer hätte ein Top-6-Ergebnis das beste Resultat beim schwierigen WEC-Comeback bedeutet. BMW-Motorsportchef Andreas Roos: „Leider sind uns Fehler passiert, die nicht passieren dürfen, wenn es um Top-Ergebnisse geht.“

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BMW und Porsche beim 6-Stunden-Rennen der WEC in Austin, Foto: LAT Images

6. - „Bin komplett fertig!“ - Was war bei BMW-Star Marco Wittmann los?

Marco Wittmann fuhr nach einem starken ersten Stint auf Platz vier mit seinem #15 BMW (Dries Vanthoor, Marciello, Wittmann), bis der zweifache DTM-Champion plötzlich eine Position nach der anderen verlor. Zunächst in Runde 43 an Markenkollege Rene Rast, bis Wittmann drei Umläufe später auf P8 durchgereicht wurde und sich danach auch noch auf der Strecke drehte. „Ich bin komplett fertig“, funkte er durch, während das Team ihn motivierte, noch ein wenig länger bis zum rettenden Fahrerwechsel draußen zu bleiben.

Nach Runde 51 war dann Feierabend für Wittmann, Raffaele Marciello übernahm den #15 BMW. Der 34-Jährige gilt als Top-Athlet und es wirkte zunächst komisch, dass er trotz der Temperaturen von über 30 Grad physisch derart geschwächt war. Wittmann gab wenig später Aufschluss: „Ich habe das ganze Wochenende mit einer Erkältung gekämpft. Am Ende musste ich den Preis zahlen und beging einen Fehler, der uns ein besseres Resultat gekostet hat.“ Marciello und Dries Vanthoor retteten immerhin Platz acht und damit das beste Saison-Ergebnis des Trios.

7. - Wieso fiel der #51 Ferrari 499P vorzeitig aus?

Während die Le-Mans-Sieger des #50 Ferrari (Fuoco, Molina, Nielsen) den dritten Platz hinter dem siegreichen AF-Corse-Ferrari belegten, fiel die #51 (Pier Guidi, Giovinazzi, Calado) vorzeitig nach nur 55 Runden aus. Zunächst dachte man, dass eine Kollision zwischen Antonio Giovinazzi und Stoffel Vandoornes #94 Peugeot der Grund gewesen sei.

Ferrari gab später an, dass die Antriebswelle an der #51 einen Defekt erlitten habe - hervorgerufen aber nicht durch den Peugeot-Crash, sondern wegen einer vorherigen Kollision mit dem #78 GT3-Lexus in Runde 43, bei der eine Felge in Mitleidenschaft gezogen wurde. Für diesen Kontakt kassierte Giovinazzi eine 5-Sekunden-Zeitstrafe, die nach dem wenig später folgenden Ausfall allerdings keine Rolle spielte.

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Der #51 Ferrari fiel in Austin vorzeitig aus, Foto: WEC/DPPI

8. - Was ging eigentlich nicht bei Peugeot schief?

Das Peugeot-Werksteam erlebte wieder einmal ein ernüchterndes Rennwochenende mit seinem nach Imola komplett überarbeiteten 9X8. Die #93 (Vergne, Jensen, Nico Müller) landete nur auf Platz zwölf, obwohl Nico Müller vom elften Startplatz schon früh nach vorne zu P6 gestürmt war. Deutlich schlechter lief es beim #94 Schwesterauto (Vandoorne, Di Resta, Duval), hier reihte sich ein Rückschlag an den nächsten.

Beim Start erlitt Stoffel Vandoorne einen Reifenschaden nach Kontakt mit dem #38 Jota-Porsche. Dann kassierte der Ex-Formel-1-Fahrer eine Durchfahrtstrafe wegen überhöhter Geschwindigkeit in der Boxengasse (64,9 statt der erlaubten 60 km/h). Und zu guter bzw. schlechter Letzt fiel Teamkollege Paul Di Resta in Runde 125 wegen eines Schadens am selbstentwickelten Hybridsystem aus. „Viel Positives gibt es nicht mitzunehmen“, war auch Technikdirektor Olivier Jansonnie ratlos.

9. - 4:45 Minuten Zeitstrafe! Was war beim Damen-Lamborghini los?

Im Qualifying top, im Rennen Flop: Dem schnellen Damen-Trio des #85 Iron-Dames-Lamborghini Huracan GT3 (Sarah Bovy, Rahel Frey, Michelle Gatting) will es einfach nicht gelingen, die überragenden Qualifying-Leistungen in Punkte umzuwandeln. In Austin verpasste Bronze-Pilotin Sarah Bovy ihre dritte Saison-Pole nur knapp mit Platz zwei.

Im Rennen hielt sich der pink lackierte Lambo zur Halbzeit auf Platz drei, bis Ex-DTM-Pilotin Rahel Frey beim Kampf mit der #82 Corvette kollidierte. Der erlittene Schaden kostete die Iron Dames vier Runden Reparaturstopp in der Box. Nach Platz 13 folgte noch ein Strafen-Hammer: 4:45 Minuten Zeitstrafe! Grund: Das Team hatte zu viele Reifen genutzt, wodurch die Sportkommissare neben einer nachträglich umgewandelten Boxenstopp-Strafe (45 Sekunden) pro Reifen noch 2 Minuten Extra-Zeit draufpackten. In der LMGT3-Klasse darf jedes Auto maximal 18 Goodyear-Slicks bei einem 6-Stunden-Rennen nutzen.

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Hingucker im LMGT3-Starterfeld: Der Lamborghini Huracan der Iron Dames, Foto: LAT Images