Woran die meisten Pressevertreter in den vergangenen Jahren gescheitert sind, ist Laurens und Dries Vanthoor gelungen: ein exklusives und ausführliches Interview mit Motorsport-Weltstar Valentino Rossi. Die Rennfahrer-Brüder hatten Rossi in der letzten Ausgabe ihres unterhaltsamen Podcast 'Over The Limit' zu Gast, in dem die Vanthoors üblicherweise auf ihre gemeinsamen Rennwochenenden zurückblicken.
Den Kontakt zu Rossi hat natürlich Dries hergestellt, schließlich sind beide als Werksfahrer bei BMW M Motorsport angestellt. Während der Belgier für den Münchner Autobauer in der WEC ein Hypercar steuert, bestreitet Rossi seine erste Saison in der Langstrecken-WM auf einem BMW M4 GT3. Zum Abschluss des rund 50-minütigen Gesprächs wollte Laurens - seines Zeichens Hypercar-Fahrer für Porsche - wissen, welche Vierrad-Ziele sich Rossi noch gesteckt hat.
Valentino Rossi: "Hypercar fahren ist ein Traum"
Der 45-Jährige, der aktuell seine dritte Saison im GT3-Sport und die zweite für BMW bestreitet: "Mein Ziel lautet, einer der besseren GT-Fahrer zu werden und wichtige Rennen wie Le Mans, Spa oder Bathurst zu gewinnen." Das hat bislang noch nicht geklappt, wenngleich Rossi dieses Jahr beim 12-Stunden-Rennen von Bathurst mit Platz fünf nicht weit vom Podium entfernt war. Beim australischen Langstrecken-Klassiker - pünktlich zu Vales Geburtstag am 16. Februar - teilte er sich den WRT-BMW mit Raffaele Marciello und Maxime Martin; Zweitgenannter ist ebenso sein Teamkollege in der WEC.
Auf den GT-Sport hat sich der neunmalige Motorrad-Weltmeister inzwischen gut eingeschossen, das soll aber noch nicht das Ende der Fahnenstange gewesen sein. Rossi weiter: "Hypercar fahren ist ein Traum. Das ist die MotoGP des Langstrecken-Sports. Ich weiß nicht, ob ich dafür schnell genug bin. Ich möchte das Auto aber fahren, einfach, um zu verstehen, wie schnell es sich anfühlt und wie der Grip in den Kurven ist. In der Hypercar-Klasse sind nur Top-Fahrer, alle mit Platin-Status. Auf diesem Level bin ich noch nicht."
Testet Rossi das BMW-Hypercar nach WEC-Saisonfinale?
Ein Test im BMW M Hybrid V8 ist für Rossi bereits seit 2023 geplant, zur Umsetzung kam es bislang nicht. Aktuell gibt es ganz andere Sorgen im Hause BMW: Die Münchner tun sich auch im zweiten Jahr mit ihrem LMDh-Hypercar schwer, das Höchste der Gefühle war ein IMSA-Sieg 2023 in Folge einer Porsche-Disqualifikation. In der aktuellen Hersteller-Wertung der WEC belegt BMW mit nur 25 Punkten den fünften Platz, Spitzenreiter ist Porsche mit 126 Zählern.
Für Rossi und BMW könnte sich bei den kollektiven Rookie-Testfahrten im Anschluss an das WEC-Saisonfinale in Bahrain (02. November 2024) eine passende Gelegenheit bieten, die ersten Runden in einem Hypercar zu drehen. Ende 2023 stieg der Italiener beim Rookie-Test bereits in einen LMP2 seines Teams WRT und schlug sich achtbar. 2021 in Bahrain nahm mit dem achtfachen Rallye-Weltmeister Sebastien Ogier schon einmal ein Weltstar des Motorsports Platz in einem Hypercar, damals für seinen Arbeitgeber Toyota.
Hypercar statt GT3? Rossi: "Viele Leute sagen mir das"
Könnte für Rossi ein Hypercar sogar besser passen als ein GT3-Auto? Die Prototypen sind viel präziser zu fahren und verfügen über deutlich mehr Grip in den Kurven. Im direkten Vergleich sind Hypercars bei einer Runde auf dem 13,626 Kilometer langen Circuit de la Sarthe in Le Mans knapp 30 schneller als die GT3. Auf einem traditionellen Kurs wie in Imola (4,909 km) beträgt der Rundenzeitenunterschied etwa 11 Sekunden.
"Viele Leuten sagen mir das", so Rossi. "Ich weiß aber nicht, ob das stimmt. Ein Hypercar ist ein anderes Auto, hat kein ABS. Wenn ich ein besserer GT-Fahrer werde, wäre ich schon happy. Wenn ich mal die Chance bekommen sollte, (Rennen; d. Red.) in einem Hypercar zu fahren, warum nicht? Das ist aber nicht mein Ziel."
Zahlreiche GT-Piloten - darunter Laurens und Dries Vanthoor - haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie den Wechsel in den Prototypen mit Bravour meistern können. Sie blicken allerdings auf langjährige Vierradsport-Erfahrungen zurück, während sich Rossi eine völlig neue Welt erschließt.
So meinte er: "Mein Problem ist, dass ich alt bin! Ich habe mein ganzes Leben der MotoGP gewidmet. Wenn ich zehn Jahre früher zum Automobilsport gewechselt wäre, wäre ich heute natürlich besser. Aber das ist okay. Ich habe noch etwas Raum für Verbesserungen, das ist mein Ziel. Und vor allem bin ich hier, weil es mir Spaß macht."
Wo sich Valentino Rossi noch verbessern will
Auf das Lob des GT-erprobten Dries Vanthoor, dass Rossi eine beeindruckende Lernkurve im GT-Sport gelungen sei, entgegnete dieser: "Danke! Manchmal bin ich nah dran, andere Male habe ich etwas mehr Probleme. Ich tue mir sehr schwer, Outlaps auf neuen Reifen zu fahren. Ihr (Laurens und Dries Vanthoor; d. Red.) könnt da die letzten Zentimeter rausquetschen, für mich ist das schwieriger. Mit den Rennen bin ich aber happy, ich habe eine gute Pace und mache keine Fehler."
Für Rossi und seine WRT-Teamkollegen Maxime Martin sowie Ahmad Al Harthy läuft es in der WEC-Saison 2024 mittelmäßig. Das Trio liegt nach fünf der acht Rennen sechsten Platz in der LMGT3-Fahrerwertung. Passend zur Startnummer haben Rossi und Co. 46 Punkte auf dem Konto, während das Schwesterauto (Farfus/Gelael/Leung) den dritten Platz mit 74 Zählern belegt. Die beiden Porsche-Crews von Manthey belegen mit 100 (Bachler/Sturm/Malykhin) bzw. 75 Punkten (Lietz/Schuring/Shahin) die Spitzenplätze.
Rossis WEC-Saison: Vom ersten Podest bis zur Le-Mans-Pleite
Die erste LMGT3-Saison begann für Rossi, Martin und Al Harthy äußerst vielversprechend mit Platz vier beim Auftakt in Katar sowie dem zweiten Platz beim nachfolgenden Rennen in Imola. Auf dem italienischen Traditionskurs gelang BMW nach einer genialen Leistung der Profi-Fahrer Farfus und Martin bei regnerischen Verhältnissen gar ein Doppelsieg.
Beim dritten Lauf in Spa war für den #46 BMW nach einer unverschuldeten Kollision frühzeitig Feierabend. Beim anschließenden Saisonhighlight in Le Mans verunfallte Al Harthy nach einem Drittel der Renndistanz - wieder keine Punkte. Zuletzt in Sao Paulo fuhr der Rossi-BMW auf den sechsten Platz. Manthey-Porsche feierte unterdessen seinen vierten Sieg im fünften Rennen. Weiter geht es für die WEC im texanischen Austin (01. September).
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