Beim zweiten WEC-Rennen der Saison 2024 am kommenden Wochenende in Imola (19.-21. April) erwarten sich die Veranstalter volles Haus. Die heimischen Autobauer Ferrari und Lamborghini mit ihren Hypercars zählen natürlich zu den Publikumsmagneten, aber die größte Menschentraube im Fahrerlager dürfte sich rund um die Garage des belgischen Rennstalls WRT bilden.
Nicht unbedingt wegen des Erfolgsrennstalls von Teamchef Vincent Vosse, sondern vielmehr wegen eines bestimmten Fahrers: Na klar, Valentino Rossi! Der BMW-Werkspilot bestreitet in Imola sein Heimrennen und will mit seinen Teamkollegen Maxime Martin und Ahmad Al Harthy nach dem ersten Podestplatz in der Langstrecken-Weltmeisterschaft greifen.
Valentino Rossi jagt erstes WEC-Podium mit BMW
Rossis Auftakt in seine erste WEC-Saison verlief vielversprechend: Beim 8-Stunden-Rennen in Katar verpassten der 45-Jährige und seine beiden Teamkollegen das Podium in der neuen LMGT3-Klasse als Vierte hauchdünn. Bis zur Schlussphase lag BMW-Werksfahrer Martin auf Podestkurs, nachdem Rossi zuvor 100 Runden bzw. 3:14 Stunden Fahrzeit auf dem BMW M4 GT3 mit der ikonischen Startnummer #46 abgespult hatte. Der 42-jährige Bronze-Fahrer Al Harthy, ein eher unbeschriebenes Blatt, wusste ebenfalls zu überzeugen.
Hört man sich bei BMW M Motorsport und dem Werksteam WRT um, wird schnell klar: Rossi gilt als akribischer Arbeiter, der sich sehr umfassend auf die Rennwochenenden vorbereitet. Obwohl er in der Motorrad-Weltmeisterschaft alles erreicht hat, was es zu erreichen gibt, scheint er noch lange nicht satt zu sein. BMW ist mit Rossi offenbar nicht nur aus PR-Sicht ein absoluter Glückgriff gelungen.
Den nötigen Ehrgeiz hat der 'Doktor' auch im für einen Rennfahrer gehobenen Alter noch längst nicht verloren. "Letztes Jahr habe ich ein Rennen in Misano gewonnen (GT World Challenge Sprint-Cup; d. Red.)", sagte Rossi in einem von der WEC veröffentlichten YouTube-Video. "Das Gefühl auf der letzten Runde und dann beim Zieleinlauf war genauso wie ein MotoGP-Rennen zu gewinnen. Das ist der Grund, warum ich Rennen fahre. Für diesen Moment. Im Automobilsport ist das schwierig und gerade auf der Langstrecke spielen viele Faktoren eine Rolle, aber solche Momente entlohnen einen für alles."
Rossis Ziel: "Will ein kompletter Rennfahrer werden"
Gut für BMW: Rossi ist bei der FIA nur als Fahrer der Kategorie 'Silber' gelistet. So kann er in der WEC mit Platin-Fahrer Maxime Martin an den Start gehen, der seit 15 Jahren GT3-Autos fährt und als absoluter Experte gilt. Zum Verständnis: Per Reglement muss jedes GT3-Team in der WEC einen Fahrer der FIA-Kategorie Bronze, einen weiteren Silber/Bronze-Piloten, sowie maximal einen Profi (Platin/Gold) einsetzen.
Von Martin kann der hochdekorierte Rossi zumindest auf vier Rädern noch einiges lernen, auch, um seinem neuen Ziel näherzukommen. Vale: "Mein Ziel ist es, im GT-Auto so schnell zu sein wie die Profis. Der Rest ist mir egal. Es ist mein Ziel, ein kompletter Rennfahrer zu werden. Ich habe lange daran gearbeitet, hier zu sein. Auch zu MotoGP-Zeiten habe ich immer versucht, die Zeit zu finden, um mit Autos Erfahrung zu sammeln. Ich wusste ja, dass ich nach meiner Motorradzeit in den Automobilsport wechseln würde."
Rossis Problem: "Ich bin alt!"
Rossi feixend weiter: "Mein Problem ist, dass ich alt bin! Ich müsste eigentlich zehn Jahre jünger sein, haha. Aber ich bin zufrieden, weil ich mich verbessern konnte und mein Ziel ist, das Level eines GT-Profis zu erreichen." Bei WRT fühle sich Rossi am besten aufgehoben, nachdem er Anfang 2022 vor seinem vollständigen Wechsel in den Vierradsport "mit mehr oder weniger allen Herstellern gesprochen" habe und auch für ein italienisches Team hätte fahren können: "Aber Vincent (Vosse, WRT-Teamchef) hat mich am meisten überzeugt. Der spricht mehr über das Racing als über PR. Und deshalb bin ich glücklich, mich für WRT entschieden zu haben."
Die GT3-Autos, mit denen Rossi seit 2022 durchgängig fährt, gelten wegen Fahrhilfen wie ABS und Traktionskontrolle zwar nicht als ultimativ anspruchsvoll für Voll-Profis, doch Rossi betrachtete die WEC mit ihren mehrstündigen Rennen überraschenderweise als eine größere Herausforderung im Vergleich zur MotoGP.
Rossi: WEC größere Herausforderung als MotoGP
Seine Erklärung: "Die MotoGP ist ziemlich easy. Die ersten drei Kurven sind entscheidend, danach gibst du Vollgas bis zum Ende. Hier (in der WEC; d. Red.) gibt es viel Strategie, du musst die Reifen und den Verkehr managen. Du musst bereit sein, die Pläne zu ändern und bei den Boxenstopps sowie Fahrerwechseln muss alles klappen. Hier sind alle Details sehr wichtig. Das ist ein großer Unterschied und die größere Challenge."
In Rossis Denkensweise spielt sicherlich auch die Balance of Performance eine wichtige Rolle, die bekanntermaßen oftmals über Sieg und Niederlage im GT-Sport entscheidet. Die WEC nutzt teure Drehzahlsensoren an den Rädern und Herstellerdaten, um die BoP möglichst ausgeeglichen zu gestalten. In der BoP-Liste ist die reine Motorenleistung nicht einsehbar, stattdessen wird ein geheimer Schlüssel zur Errechnung der maximalen Leistung bis 200 km/h sowie einem Leistungszuwachs ab 200 km/h angegeben.
BoP in Imola: BMW unverändert, Porsche muss zuladen
Öffentlich einsehbar sind nur das Mindestgewicht, die Heckflügelstellung, die Fahrhöhe sowie die maximale Stint-Energie. Der BMW M4 GT3 bleibt in Imola mit 1.321 Kilogramm unverändert im Vergleich zu Katar, während Porsche (1.317 kg) nach dem Sieg von Manthey 2 Kilo zuladen muss. Die Ferrari 296 GT3 erhalten mit 8 Kilogramm das meiste Zusatzgewicht, während die Aston Martin Vantage GT3 12 Kilo ausladen dürfen. Die Katar-Sieger Klaus Bachler und Joel Sturm von Manthey fahren in Imola zusätzlich mit 15 Kilogramm Erfolgsballast.
Rossi: "Mit diesen Autos ist es schwierig, das eigene Level zu verstehen. In der MotoGP weiß man viel besser, wer gewinnen kann. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle. Es gibt viele neue Teams, dazu die neuen GT3-Autos. Ich muss dieses Level verstehen, aber das Ziel lautet, um Podestplätze zu kämpfen!"
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