Die MotoGP erlebte 2024 wohl die verrückteste 'Silly Season' ihrer Geschichte. Gleich zwölf Motorräder und damit mehr als 50 Prozent des kompletten Grids wurden zur Saison 2025 neu besetzt, lediglich die beiden Werksteams von Yamaha und Honda blieben unverändert. Während sich die Fans der Königsklasse auf zwei Rädern in den zurückliegenden Monaten über packende Transfers wie Marc Marquez zu Ducati, Jorge Martin und Marco Bezzecchi zu Aprilia oder Maverick Vinales zu Tech3-KTM freuen durften, droht 2025 nun jedoch eine der langweiligsten und unspektakulärsten 'Silly Seasons' der Geschichte.

Der Grund dafür ist schnell gefunden: 17 von 22 Stammfahrern haben bereits einen gültigen Vertrag bis mindestens 2026 in der Tasche. Einzig die Kontrakte von Franco Morbidelli (VR46), Jack Miller (Pramac), Luca Marini (Honda) und den beiden LCR-Piloten Johann Zarco und Somkiat Chantra laufen Ende 2025 aus. Alle anderen MotoGP-Stars haben Zwei- oder Mehrjahresverträge erhalten und stehen 2025 somit nicht zur Verfügung. Eine Entwicklung, die in der Königsklasse aber keinesfalls neu ist.

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MotoGP-Fahrermarkt: Große Wechsel nur alle zwei Jahre

Denn schon in der Vergangenheit banden zumindest die Werksteams ihre Piloten gerne für zwei Jahre an sich. Die Erklärung dessen ist simpel: Man will mit dem Tempo des Fahrermarkts im Einklang bleiben und nicht riskieren, einen wichtigen Piloten zu einem Zeitpunkt zu verlieren, zu dem sich keine anderen Topfahrer auf dem Markt befinden. Will Francesco Bagnaia Ducati etwa Ende 2026 verlassen, könnten die Roten dafür Pedro Acosta oder Fabio Quartararo verpflichten. Ein Beispiel, wie es dagegen nicht laufen soll, liefert Honda. Dort laufen 2025 gleich drei Fahrer-Verträge aus, Alternativen gibt es aber im Grunde nur in der Moto2. Denn alle Toppiloten der MotoGP stehen ja noch bis 2026 oder länger bei ihren Teams unter Vertrag. Kein ideales Szenario, würde man sich beispielsweise von Marini oder Zarco trennen wollen.

Auch aus Fahrersicht spricht jedoch vieles für Zweijahresverträge - und dabei geht es nicht nur um den Fakt, selbst mit dem Fahrermarkt im Einklang zu bleiben und sich stets alle Optionen offenzuhalten. "Zum ersten Mal in meiner Karriere habe ich einen Zweijahresvertrag und bleibe auf einem starken Motorrad - im gleichen Team. Das macht einen enormen Unterschied", lässt Fabio Di Giannantonio am Rande des Barcelona-Tests im offiziellen Livestream der MotoGP wissen.

Der 26-jährige Römer hatte zuvor immer nur Einjahresverträge erhalten - und das machte ihm offenbar mehr zu schaffen als gedacht. "Viele Leute denken darüber nicht nach, aber wenn du Zeit bekommst, um dich zu verbessern und Dinge auszuprobieren, kannst du Fehler machen. Wenn du Fehler machen kannst, kannst du daraus lernen und dich verbessern", beschreibt er und meint: "In der Vergangenheit konnte ich jedoch nie Fehler machen oder Dinge ausprobieren."

Fabio Di Giannantonio hielt dem Leistungsdruck zu Beginn seiner MotoGP-Karriere nur selten stand, Foto: LAT Images
Fabio Di Giannantonio hielt dem Leistungsdruck zu Beginn seiner MotoGP-Karriere nur selten stand, Foto: LAT Images

Fabio Di Giannantonio: Wichtig, Zeit für Fehler und Tests zu bekommen

Erklären lässt sich dies mit der Tatsache, dass die Fahrerentscheidungen für das kommende Jahr in der MotoGP in der Regel spätestens in der Sommerpause fallen. Somit muss innerhalb der ersten Saisonhälfte abgeliefert werden, um einen Platz für die nachfolgende Saison zu ergattern. Speziell für junge, unerfahrene Piloten ein großes Problem. Di Giannantonio selbst benötigte etwa anderthalb Jahre, um so richtig in der Königsklasse anzukommen. Zeit, die viele Rookies nicht bekommen: In den letzten Jahren mussten etwa Remy Gardner, Raul Fernandez (beide Tech3) oder Darryn Binder (RNF) schon nach einer Saison wieder gehen.

Ein positives Beispiel sei laut Di Giannantonio dagegen Jorge Martin. Dieser hatte im Sommer 2020 direkt einen Zweijahresvertrag bei Ducati unterschrieben und somit Gewissheit, auch 2022 noch bei Pramac zu fahren - unabhängig vom Verlauf seiner Lernkurve. "Jorge ist in seiner ersten Saison viel gestürzt", erinnert Di Giannantonio. "Diese Stürze haben aus ihm aber den Fahrer gemacht, der er heute ist: Ein Weltmeister. Er bekam die Zeit, zu stürzen, Fehler zu machen und wieder ohne Druck auf das Motorrad zu steigen."

MotoGP-Fahrer brauchen anderthalb Jahre, bekommen aber nur sechs Monate

"Das macht einen riesigen Unterschied, wenn du versuchst, der Beste zu werden", weiß Di Giannantonio inzwischen auch aus eigener Erfahrung. Nur mit großem Glück und einer späten Leistungsexplosion hatte er Ende 2023 noch einen Platz bei VR46 Racing ergattern können. Hätte er 2022 bei Ex-Team Gresini direkt einen Zweijahresvertrag erhalten, hätte er womöglich schon viel früher aufzeigen können. "Wenn du einen Einjahresvertrag hast, musst du innerhalb der ersten sechs Monate dein Potenzial zeigen. Und wenn du das nicht schaffst, dann bist du wieder raus", unterstreicht er. "Du hast keine Zeit, Fehler zu machen und Dinge auszuprobieren."

Geht es in der zweiten Saison jedoch mit dem gleichen Team weiter, kann auf den Erkenntnissen der ersten zwölf Monate aufgebaut werden. "Du musst nicht wieder bei Null starten, weil du dein Team und das Motorrad schon kennst. Schaut euch nur Pecco [Bagnaia, Anm.] an. Er fährt heute auf einem unglaublichen Level, weil er ein fantastischer Fahrer ist, aber auch, weil er seit vielen Jahren das gleiche Motorrad und Team hat", führt Di Giannantonio ein weiteres Positivbeispiel an. Der 26-Jährige weiß: "Wenn du das gleiche Paket für mehrere Jahre hast, kannst du an den Details arbeiten und dich so viel mehr verbessern."

Fabio Di Giannantonio selbst hofft deshalb auf einen ähnlichen Leistungssprung im kommenden Jahr. Welche großen Ziele er 2025 hat und wie seine Rehabilitation von der Schulter-OP verläuft, erfahrt ihr in diesem Artikel: