2023 lieferten sich Francesco Bagnaia und Jorge Martin einen packenden MotoGP-Titelkampf, der erst beim Saisonfinale in Valencia entschieden wurde. Und in diesem Jahr machen die beiden Ducati-Zugpferde bislang genau dort weiter, wo sie im vergangenen November aufgehört hatten. Nach dem Sprint in Spielberg lagen sie zwischenzeitlich punktgleich an der WM-Spitze, nach dem Österreich Grand Prix sind Bagnaia (275 Punkte) und Martin (270) lediglich durch fünf Zähler getrennt.

Nach elf von 20 Saisonstationen deutet also vieles daraufhin, dass der Titelkampf auch 2024 wieder bis zum Jahresende in Valencia ausgetragen werden könnte. "Wir beide machen momentan den Unterschied", sagte Bagnaia zuletzt stellvertretend. Gut möglich also, dass jeder Sieg und jeder Positionsgewinn in der Schlussabrechnung entscheidend werden könnte. Nach einer fehlerbehafteten ersten Saisonhälfte scheinen das beide Fahrer inzwischen verinnerlicht zu haben. Denn in Spielberg lieferten sich Martin und Bagnaia in Sprint und Grand Prix heiße Zweikämpfe - hart geführt, aber nie unfair. Ein echter Aufreger a la 'Marc Marquez vs. Valentino Rossi' blieb bislang aus: Warum?

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Francesco Bagnaia über Martin: Respekt abseits, Krieg auf der Strecke

"Wenn Respekt zwischen zwei Parteien vorherrscht, dann gibt es Frieden neben und Krieg auf der Strecke - immer mit dem nötigen Respekt", erklärt Weltmeister Bagnaia am Sonntag nach seinem Spielberg-Doppel, warum er trotz mehrerer packender Duelle bislang noch nie mit Titelrivale Martin aneinandergeriet. Eine kleine Spitze konnte er sich anschließend ebenfalls nicht verkneifen: "Ich habe es noch nie verstanden, wieso manche Fahrer ihre Beziehung zueinander während eines WM-Kampfes verändert haben. Natürlich veränderst du dich ein bisschen, wenn du um das gleiche Ziel kämpfst, aber der Respekt für andere muss immer dableiben. Wir haben es bislang geschafft, unsere Beziehung aus der letzten Saison und von früher aufrechtzuhalten."

2015 und 2016 waren Bagnaia und Martin zwei Jahre als Teamkollegen in der Moto3 bei Mahindra an den Start gegangen. Seither verbindet das Duo zwar keine Freundschaft, aber tiefgehender Respekt. "Es geht nicht nur um dieses oder letztes Jahr, wir haben noch viele Jahre vor uns, in denen wir gegeneinander kämpfen werden. Wenn ich mein Bestes gebe und er mich schlägt, wieso sollte ich dann auf ihn sauer sein?", fand auch Martin am Sonntag ähnliche Worte. "Es geht einfach um Respekt. Ich freue mich, wenn er gewinnt und hoffe, dass unsere Beziehung unser ganzes Leben so bleiben wird."

Jorge Martin und Francesco Baganai
Jorge Martin und Francesco Bagnaia zollen sich großen Respekt, Foto: LAT Images

Jorge Martin: Bagnaia-Frust und nichts mehr zu verlieren

Die große Frage lautet natürlich, ob den beiden dies auch gelingen wird. Denn es gibt durchaus einige Anzeichen, die MotoGP-Fans in Zukunft auf einen noch heißeren Zweikampf zwischen Bagnaia und Martin hoffen bzw. einen Wandel hin zu einer verbitterten Rivalität fürchten lassen. "Es ist schon frustrierend, weil ich verdammt stark war und mir eigentlich nichts gefehlt hat, um zu gewinnen. Und trotzdem war Pecco am Ende wieder vor mir", ließ Martin am Sonntag nach zwei Niederlagen im direkten Duell mit Bagnaia innerhalb von 24 Stunden etwa durchklingen. Frust, welcher schnell zu unüberlegten Aktionen führen kann.

Denn der Pramac-Pilot weiß: "Es ist schwer geworden, den Unterschied auszumachen, weil wir alle Daten voneinander haben." Dadurch werden wohl Kleinigkeiten den Titelkampf entscheiden, jede Position zählt. Bagnaia und Martin bewegen sich auf Augenhöhe, beide wollen Weltmeister werden. Es ist also nicht davon auszugehen, dass einer der beiden in der entscheidenden Saisonphase zurückstecken wird. In Rennen wie am Red Bull Ring könnte sich Martin deshalb dazu verleiten lassen, risikoreiche Manöver zu fahren, um Bagnaia irgendwie am Sieg zu hindern. Das muss nicht immer gutgehen und wenn es einmal gekracht hat, kann es schnell hässlich werden. Das haben diverse Motorsport-Weltmeisterschaften bereits gezeigt, nicht nur die MotoGP.

Bagnaia und Martin bewegen sich derzeit auf Augenhöhe, Foto: LAT Images
Bagnaia und Martin bewegen sich derzeit auf Augenhöhe, Foto: LAT Images

Jorge Martin: 2024 letzte WM-Chance?

Befeuert wird diese Gefahr durch die Tatsache, dass Martin nichts mehr zu verlieren hat. Sein Wechsel zu Aprilia steht bereits fest, er muss sich nicht mehr für einen Platz im Ducati-Werksteam empfehlen. Für den 26-jährigen Madrilenen geht es in der zweiten Saisonhälfte 2024 also nur noch um sich und die womöglich einzige Titelchance auf Sicht. Denn Aprilia kann im laufenden Jahr nicht mit Ducati mithalten, Aleix Espargaro und Maverick Vinales haben längst keine Titelchancen mehr. Ob sich das 2025 oder 2026 mit dem 'Martinator' ändern wird, muss bezweifelt werden. Somit muss dieser die Chance 2024 also eigentlich nutzen - zu jedem Preis.

Je weniger Rennen und Punkte verbleiben, desto verzweifelter könnte Martin dann werden und härter gegenhalten als bislang. Damit steigt die Konfliktgefahr. Zumal da auch noch Bagnaia ist, der schon jetzt klarstellt: "Jorge war im letzten Jahr in Misano unglaublich, aber ich würde [in dieser Saison, Anm.] gerne Revanche nehmen."

Einer, der schon häufiger Teil hitziger MotoGP-Rivalitäten wurde, ist Marc Marquez. Weshalb der Spanier im Österreich GP nicht vorne mitmischen konnte, erfahrt ihr hier: