Dass die MotoGP-Trainingsbestzeit in Barcelona vom einem Aprilia-Piloten gefahren wurde, überraschte nach dem Doppelsieg der Rot-Schwarzen im Vorjahr nicht gerade. Was am Freitagnachmittag dahinter passierte, sorgte jedoch schon für Verwunderung im Paddock der Königklasse. Denn es folgten drei KTMs in den Top Fünf, einzig Ducati-Pilot Francesco Bagnaia konnte mithalten. Jorge Martin, Enea Bastianini und speziell Marc Marquez strauchelten dagegen. In Barcelona scheinen die Roten nach dem Trainingsfreitag nur dritte Kraft zu sein. Die große Frage lautet: Warum?

"Wir leiden einfach etwas mehr", glaubt WM-Leader Jorge Martin die Antwort zu kennen. Der Ursprung allen Übels seien demnach die traditionell schlechten Gripverhältnisse auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya. "Wir sind verdammt schnell, wenn wir viel Grip haben. Wenn die Gripverhältnisse aber gegen Null gehen, haben wir Probleme, das Gewicht zu transferieren. Dann beginnt das Heck, sich zu bewegen und dadurch verlierst du noch mehr Traktion", beschreibt der Pramac -Pilot weiter. "Deshalb haben wir hier mehr zu kämpfen als Aprilia und KTM."

Aleix Espargaro tritt zurück! Folgen für den MotoGP-Fahrermarkt (07:52 Min.)

Ducati-Piloten kämpfen mit schlechtem Grip: Leiden mehr Aprilia und KTM!

Das Gute aus Ducati -Sicht: Man war auf diese Problematik vorbereitet, wurde also nicht überrascht. "Wir haben heute ein anderes Setup ausprobiert. Eine recht große Veränderung, die wir sonst eigentlich nicht vornehmen. Auf dieser Strecke mussten wir aber etwas versuchen, weil Ducatis Rückstand auf Aprilia und KTM groß ist. Wir mussten die Lücke irgendwie schließen", sagt Martin und macht den Ducati-Fans Hoffnung: "Ich denke, dass das ganz gut funktioniert hat. Ich habe das Setup nur noch nicht gut genug verstanden, um in der Timeattack Vollgas zu geben. Morgen wollen wir verstehen, wie wir auf eine Runde noch schneller werden können."

Dass der 'Martinator' am Freitagnachmittag also nicht über Platz sechs hinauskam, lag einzig am fehlenden Vertrauen in das neue Setup. Am Samstag könnte eine Verbesserung folgen, womit auch die zweieinhalb Zehntel Rückstand auf Aleix Espargaros Bestmarke schnell aufgeholt sein könnten. Gleiches gilt für Markenkollege Enea Bastianini, der in der Nachmittagssession auf ein anderes Setup gewechselt war und seine Probleme so größtenteils lösen konnte. Er rechnet mit weiteren Fortschritten am Samstagvormittag, benötigt diese aber auch. Denn 'La Bestia' weiß: "KTM und Aprilia haben einen besseren Speed als die Ducati. Wir müssen noch etwas finden, wenn wir in den Rennen an ihnen dranbleiben wollen."

Jorge Martin setzt in Barcelona auf ein neues Setup, Foto: LAT Images
Jorge Martin setzt in Barcelona auf ein neues Setup, Foto: LAT Images

Dem stimmt auch Weltmeister Francesco Bagnaia zu, der am Freitag mit 0,133 Sekunden Rückstand schnellster Ducati-Pilot war: "Ich bin zufrieden mit meinem Gefühl für das Motorrad, aber wir brauchen noch etwas mehr [um KTM und Aprilia herauszufordern, Anm.]" Ganz anders sieht die Gefühlslage dagegen bei MotoGP-Superstar Marc Marquez aus, der am Freitag zum zweiten Mal in Folge den direkten Einzug in Q2 verpasste. Für ihn geht es in Barcelona wohl nur um Schadensbegrenzung: "Wenn wir ein gutes Qualifying schaffen und vielleicht in Reihe drei landen, haben wir aktuell das Zeug für Platz fünf, sechs oder sieben im Sprint. Mehr nicht! Das ist für mich aber ein gutes Ergebnis hier, weil es einfach eine besondere Strecke ist, auf der KTM und Aprilia etwas besser zu funktionieren scheinen."

KTM und Aprilia mahnen: Ducati wird schon noch kommen!

Auf Seiten der Konkurrenz traut man dem Braten jedoch (noch) nicht. "Es ist zu früh, um darüber zu sprechen, ob wir ganz oben stehen werden", meint etwa Maverick Vinales und offenbart: "Ich hatte einige Probleme mit der Traktion auf der rechten Reifenflanke, das Rad hat ständig durchgedreht. Ich habe alles probiert, um mehr Grip zu erhalten, aber nichts hat funktioniert. Ich hätte gedacht, dass wir gegenüber dem letzten Jahr einen viel größeren Unterschied erzielen können, sind aber nur auf dem Niveau der Vorsaison unterwegs."

Tatsächlich hatte Vinales Glück, sich überhaupt direkt für Q2 qualifiziert zu haben. Er kam am Freitagnachmittag nämlich nicht über Platz zehn hinaus. Ohne die Stürze von Alex Marquez und Augusto Fernandez, die Gelbe Flaggen zur Folge hatten, hätte es also durchaus noch eng werden können für den Aprilia-Piloten mit einem Platz in den Top Ten. "Das Gute ist, dass Aleix auf eine Runde sehr schnell war. Wir haben also alle Teile, die wir brauchen, zur Verfügung, um schnell zu sein", meint Vinales, ergänzt aber auch: "Einfach wird es deswegen trotzdem nicht."

Auch auf KTM-Seite zeigt man sich noch vorsichtig ob des ersten guten Trainingsfreitags seit dem Portimao-Wochenende. "Es fühlt sich eigentlich so an, als gäbe es da draußen Null Grip, aber das scheint bei uns ganz gut zu funktionieren", rätselt Brad Binder und Pedro Acosta weiß: "Letztes Jahr hätte Pecco hier um den Sieg gekämpft, wenn er nicht gestürzt wäre. Wir müssen also noch bis morgen abwarten. Wir wissen nur zu gut, dass Ducati am Freitag immer etwas leidet und am Samstag haben sie dann vier Piloten in den Top Vier. Wir rätseln noch, wie wir Ducati morgen schlagen wollen."

KTM hinterließ am Freitag in Barcelona einen guten Eindruck, Foto: LAT Images
KTM hinterließ am Freitag in Barcelona einen guten Eindruck, Foto: LAT Images

MotoGP in Barcelona: Dreikampf zwischen KTM, Aprilia und Ducati?

Tatsächlich deutet am Samstag aber vieles auf einen engen Dreikampf zwischen KTM, Aprilia und Ducati hin. Ein Blick in die Rennsimulationen der einzelnen Fahrer zeigt nämlich, dass Aleix Espargaro, Vinales, Bagnaia, Bastianini, Martin, Binder und Acosta auf einem ähnlichen Niveau unterwegs waren. Allesamt fuhren sie im niedrigen 1:40er-Bereich, in dem sich übrigens auch Marc Marquez bewegte. Vielleicht ist also auch für den achtmaligen Weltmeister doch etwas mehr drin, als 'nur' Schadensbegrenzung. Es ist jedenfalls alles angerichtet für einen spannenden MotoGP-Samstag in Barcelona. Und zumindest zu einer kleinen Kampfansage ließ sich Acosta schließlich doch noch hinreißen: "Ich bin mir sicher, dass ich schnell sein werde!"