Die MotoGP blickt gebannt auf Ducati. Der Klassenprimus aus Borgo Panigale verfügt über alle Steine, um einen Dominoeffekt auf dem Fahrermarkt auszulösen. Francesco Bagnaia verfügt im Werksteam über einen Vertrag bis Ende 2026. Wer ab kommender Saison sein Teamkollege sein wird, ist aber noch offen. Mit Marc Marquez, Jorge Martin und Enea Bastianini gibt es drei hochkarätige Kandidaten.
Eine Entscheidung könnte Ducati bereits im Rahmen des Heim-Grand-Prix Anfang Juni in Mugello bekanntgeben, sie könnte aber auch bis zur Sommerpause auf sich warten lassen. Klar ist: Jene Fahrer, die im Werksteam nicht zum Zug kommen, könnten mit einem Abgang liebäugeln. Vor allem Jorge Martin hat mehrfach klargestellt, dass für ihn 2025 nur noch ein Factory-Kontrakt in Frage kommt.
Durchaus denkbar also, dass er bei einer erneuten Absage von Ducati den Hersteller wechselt. Eine Option in diesem Fall: Die Pierer Mobility Group mit ihren Marken KTM und GasGas. Denn dort bleiben Jack Miller und Augusto Fernandez derzeit klar hinter den Erwartungen zurück. Wie spanische Medien berichten, soll die Pierer Mobility Group ihr Interesse an Martin bekundet haben. Jorge Martin und der österreichische Konzern - das ist allerdings eine schwierige Geschichte. Martin fuhr in der Moto2 für das KTM-Ajo-Team und hatte einen gültigen Vertrag für den MotoGP-Aufstieg 2021 in der Tasche. Dieser beinhaltete allerdings eine Ausstiegsklausel, falls KTM bis Ende Juni 2020 keinen Fahrer in den Top-Ten der MotoGP-Fahrerweltmeisterschaft haben würde. Durch die Corona-Pandemie wurde bis zu diesem Zeitpunkt kein einziges Rennen in der Saison 2020 gefahren, womit auch kein Fahrer in den Top-Ten liegen konnte. Eine juristische Spitzfindigkeit, die Martin und sein Manager Albert Valera nutzten, um für 2021 bei Pramac anzudocken. Es folgte ein heftiger Streit. "Wenn uns jemand in der Corona-Phase hängen lässt, dann werden wir uns zweimal überlegen, ob wir diesen Fahrer irgendwann wieder in der Familie haben wollen", sagte KTM-Motorsport Pit Beirer damals.
Vier Jahre sind seither ins Land gezogen. Motorsport-Magazin.com fragte deshalb bei Beirer nach - zur Causa Martin, zu MotoGP-Superstar Marc Marquez, zum Formtief von Jack Miller und Augusto Fernandez sowie zur im Vorjahr geplanten Expansion auf drei Teams.
Motorsport-Magazin.com: Pit, in eurem Kader gibt es mit Brad Binder und Pedro Acosta zwei Fahrer, die man ja für 2025 eigentlich als gesetzt betrachten könnte. Binder weil er ja ohnehin einen Vertrag bis Ende 2026 hat und bei Acosta sprechen die Leistungen momentan ja für sich. Ihr habt aber auch zwei Fahrer, die momentan straucheln: Jack Miller und Augusto Fernandez. Was müssen diese beiden Piloten liefern, um eine Vertragsverlängerung zu rechtfertigen?
Pit Beirer: Dass wir mit Brad und Pedro zwei Fahrer haben die fantastisch sind, an die wir extrem glauben und in die wir viel Vertrauen für die Zukunft haben, ist klar. Mein Wunsch hat sich nicht geändert: Ich will mit unseren vier Fahrern weitermarschieren. Aber die Frage von deiner Seite ist völlig berechtigt. Denn ganz ehrlich: Die momentanen Leistungen von Jack und Augusto sind ein bisschen zu wenig für einen MotoGP-Platz, der doch so wertvoll ist. Wir befinden uns schon in einer Phase, in der wir noch Zeit haben, aber auch nicht viel. Von Augusto und Jack müssen keine Riesenschritte kommen, aber es müssen kleine Schritte nach vorne sein, um das Paket zu stabilisieren. Das ist nach wie vor mein Wunsch. Natürlich ist im Fahrermarkt Bewegung und es rufen uns auch andere echt gut klingende Namen an und da wird man dann schon nachdenklich. Wir sind im Moment noch nicht in der aggressiven Phase an der Bieterfront, in der wir uns irgendwelche Kämpfe mit Ducati oder Aprilia liefern. Aber es ist schon ein spannender Moment.
Du hast interessante Namen angesprochen, du hast Ducati angesprochen. Momentan blickt ja die ganze MotoGP auf und Ducati und ihre Entscheidungen. Jorge Martin, Marc Marquez und Enea Bastianini sind die Kandidaten für den zweiten Platz im Werksteam neben Francesco Bagnaia. Da wird es am Ende zwangsläufig Fahrer geben, die enttäuscht sind und Ducati vielleicht verlassen wollen. Wären da interessante Piloten für euch dabei?
Pit Beirer: Es ist klar, dass es bei Ducati aktuell einen Überschuss an absoluten Ausnahmegrößen in unserem Sport gibt. Wir müssen aber auch aufpassen. Wir haben mit Pedro einen echten Rohdiamanten an Bord und auch Brad, der verdammt stark ist. Wir müssen darauf achten, nicht in der gleichen Ebene zu viele Fahrer aufeinander loszulassen, um auch eine gute Gesamtstimmung im Projekt zu erhalten. Wir schauen natürlich gespannt darauf, was bei Ducati passiert. Den Platz in ihrem Werksteam wollen definitiv mehrere Fahrer und es wird bei den Fahrern, die ihn nicht bekommen, einige enttäuschte Gesichter geben. Dann muss man natürlich freundlich das Telefon abnehmen, wenn irgendjemand anruft.
Gehen wir auf zwei Namen konkret ein: Marc Marquez hat zuletzt klargestellt, dass er 2025 ein Motorrad des aktuellsten Modelljahrgangs haben möchte, unabhängig vom Hersteller. Es gab im vergangenen Jahr von eurem Geschäftsführer Stefan Pierer aber die Ansage, Marquez würde nicht zu euch passen. Hat sich daran aus deiner Sicht etwas geändert?
Pit Beirer: Diese Aussage ist anders zu bewerten, als sie damals aufgenommen wurde. Sie war nicht so gemeint. Marc Marquez ist für uns ein Held in diesem Sport, seit wir in der MotoGP teilnehmen. Von unserer Seite ist riesiger Respekt gegenüber Marc vorhanden. Ich glaube aber nicht, dass es für uns eine realistische Option ist. Man muss bedenken, was für eine brutale Zeit hinter Marc liegt. Ich habe vergangenen Sommer mit ihm geredet und da war sein Wunsch einfach, ein Motorrad zu finden, von dem er weiß, dass er damit absolut konkurrenzfähig sein kann. Mit diesem Motorrad wollte er zurück an die Spitze kommen und das hat er geschafft. Ich sehe ihn deshalb nicht vor einem erneuten Markenwechsel, der für ihn wieder einen kompletten Neuanfang bedeuten würde. Marc ist ein genialer Rennfahrer, aber ich glaube nicht, dass es für uns wirklich realistisch ist, über seine Verpflichtung zu reden.
Der zweite extrem interessante Name ist natürlich Jorge Martin. Mit ihm verbindet euch eine schwierige Vergangenheit. Er war in eurem Moto2-Team und hätte für euch in der MotoGP fahren sollen, ist aber durch ein vertragliches Schlupfloch bei Ducati gelandet. Nehmt ihr ihm das noch übel?
Pit Beirer: Über diese Angelegenheit ist definitiv Gras gewachsen. Wer uns näher kennt weiß, wie emotional wir sind und dass wir auch zu Tode betrübt sein können. Wenn dann jemand so von uns weggeht, nehmen wir das auch sehr persönlich, weil wir von unserer Seite so viel Herzblut investieren. Aber Martin hat für seine Karriere alles richtig gemacht und ist jetzt WM-Führender. Deshalb möchte ich auch gar nicht über Marc oder Martin spekulieren. Das wäre anmaßend. Beide Fahrer sind momentan so verdammt stark, sitzen auf Ducatis und haben wenig Gründe, das Bike zu wechseln. Darum glaube ich, dass es jetzt gar nicht so wichtig ist, dass ich da meinen Senf dazu abgeben, was ich von den zwei Fahrern halte. Ich schätze beide sehr als geniale Rennfahrer.
Abschließend noch ein Thema, bei dem dein Senf schon wichtig ist: Im Vorjahr gab es ja lange die Diskussion um ein drittes Team der Pierer Mobility Group. Ist das für euch nach wie vor ein Ziel?
Pit Beirer: Nein, das haben wir abgeschrieben. Wir haben uns extrem darum bemüht. Der Grund dafür war aber auch eine unglückliche Vertragssituation. Das ist ja allen hinlänglich bekannt. Wir haben mittlerweile nach einer weiteren Analyse auch festgestellt, dass vier Bikes für uns die optimale Größe ist. Zwei wären definitiv zu wenig, aber sechs könnten auch zu viel sein. Sechs Motorräder und sechs Fahrer muss man auch erst einmal managen. Deshalb wollen wir jetzt vollen Einsatz für vier Fahrer liefern. Wir versuchen, das Motorrad noch besser zu machen und so den letzten Schritt, der noch fehlt, zu gehen.
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