Zunächst deutete im Jahr 2023 vieles daraufhin, dass die MotoGP einen recht langweiligen WM-Kampf erleben könnte. Francesco Bagnaia lag bereits komfortabel auf Kurs Titelverteidigung, ehe sich das Blatt im letzten Saisondrittel wendete. Jorge Martin lieferte seinem Ducati-Kollegen einen erbitterten Kampf bis zum Schluss, die Entscheidung fiel erst beim Saisonfinale in Valencia. Motorsport-Magazin.com blickt auf die entscheidenden Momente des MotoGP-Titelkampfs 2023 zurück.
Perfekter Saisonstart: Bagnaias Fehler bleiben unbestraft
Marc Marquez, Fabio Quartararo, Enea Bastianini, Aleix Espargaro oder auch Brad Binder - Die Liste der möglichen WM-Herausforderer für Francesco Bagnaia war vor dem Saisonstart lang. Ein perfekter Auftakt in das MotoGP-Jahr 2023 gelang aber nur dem Titelverteidiger. Nachdem er sich im Qualifying in Portugal noch mit Platz zwei hatte begnügen müssen, gab es im ersten Sprint der MotoGP-Geschichte und im Hauptrennen einen Tag später kein Vorbeikommen an Bagnaia. Mit 37 von 37 möglichen Punkten legte er den bestmöglichen Auftakt hin und verdeutlichte seine Ambitionen der Titelverteidigung eindrucksvoll. Es war ein erstes Ausrufezeichen des Ducati-Piloten und zeitgleich ein Ausblick auf das, was der MotoGP über weite Strecken der Saison drohen könnte: Einseitige Dominanz.
Tatsächlich zählte Bagnaia auch bei den nachfolgenden Rennwochenenden stets zu den stärksten Fahrern, die Ergebnisse brachte er allerdings nicht immer zusammen. Schon beim zweiten Saisonrennen in Argentinien stürzte er auf Platz zwei liegend, zwei Wochen später schmiss er im Amerika Grand Prix in Austin einen potenziellen Sieg weg. Mitte Mai folgte dann gar der dritte Nuller in den letzten vier Hauptrennen, nachdem Bagnaia im Frankreich-GP mit Maverick Vinales kollidiert war. Erneut fand der amtierende Weltmeister aber die perfekte Antwort für aufkommende Zweifel an seiner Titelverteidigung: Pole Position und Siege in Sprint und Grand Prix inklusive schnellster Rennrunde in beiden Rennen auf heimischem Boden in Mugello. Eine komfortable WM-Führung war wiederhergestellt, seine Fehler blieben folgenlos.
Eine Woche später konnte Jorge Martin am Sachsenring zwar ein erstes Ausrufezeichen setzen, indem er in Sprint und Deutschland Grand Prix jeweils die Oberhand über Bagnaia behielt, konstant um Topergebnisse mitfahren konnte er an den folgenden Rennwochenenden aber (noch) nicht. Das gelang einzig Bagnaia, der in Österreich am Red Bull Ring sein zweites perfektes Wochenende feiern konnte, diesmal sogar mit zwei lupenreinen Start-Ziel-Siegen. Der Ducati-Pilot hatte endgültig völlige Kontrolle im WM-Kampf übernommen und führte zu diesem Zeitpunkt schon 62 Punkte vor Martin und 68 Punkte vor Marco Bezzecchi.
Bagnaias Barcelona-Highsider belebt den MotoGP-Titelkampf wieder
Dann sollte jedoch der Moment folgen, der die MotoGP-WM im Jahr 2023 völlig auf den Kopf stellte: Im Katalonien Grand Prix flog Bagnaia am Ausgang der zweiten Kurve per Highsider ab, blieb mitten auf der Strecke liegen und wurde an beiden Beinen vom nachfolgenden Brad Binder überrollt. Wie durch ein Wunder kam der 26-jährige Italiener ohne Beinbrüche davon, musste sein Heimspiel in Misano aber stark angeschlagen in Angriff nehmen. Zwar konnte sich Bagnaia nur fünf bzw. sechs Tage nach seinem Horrorunfall jeweils auf Platz drei kämpfen, allerdings nutzte Martin die Gelegenheit, um maximalen Schaden anzurichten. Er gewann beide Rennen und verkürzte den WM-Rückstand binnen weniger Tagen von 66 auf 36 Punkte. Zudem begann der Pramac-Pilot mit ersten Psychospielchen, nun auch mentalen Druck auszuüben.
Bei Bagnaia war die Leichtigkeit verflogen, er klagte in dieser Zeit über zahlreiche Probleme mit der Ducati Desmosedici GP23. Während Martin in seiner Komfortzone angekommen und von Freitagmorgen an schnell war, hatte der Titelverteidiger das Gefühl für sein Motorrad seit Barcelona völlig verloren. Dass Martin zudem auch in seinem Kopf angekommen war, zeigte sich bei der MotoGP-Premiere in Indien: Nachdem der Pramac-Pilot den Sprint vor Bagnaia gewonnen hatte, kam es im Hauptrennen am Sonntag zum ersten direkten Duell auf der Strecke seit dem Sachsenring. Gerade als der amtierende Weltmeister die Oberhand gewonnen zu haben schien, leistete er sich den dritten schweren Patzer der Saison: Er stürzte unbedrängt in Kurve fünf über das Vorderrad. Martin brachte Platz zwei ins Ziel und lag plötzlich nur noch 13 Punkte zurück.
Patzer in Indonesien und Australien: Martin fällt wieder zurück
Gerade als Martin mit drei weiteren Siegen im Gepäck in Indonesien die WM-Führung übernommen hatte, bekam die MotoGP die nächste Wende im Titelkampf 2023 zu sehen. Zunächst warf der Pramac-Pilot einen sicheren Sieg im Indonesien Grand Prix weg, ehe er sich in Australien für den falschen Hinterreifen entschied. Martin setzte auf Soft und brach in der Schlussphase nach langer Führung völlig ein, Bagnaia zog mit dem Medium-Rear bestückt in der letzten Runde noch vorbei und vergrößerte seinen WM-Vorsprung wieder auf 27 Punkte. Noch gab sich Martin aber nicht geschlagen, zwei Siege in Thailand und ein Triumph über Bagnaia im Sprint von Malaysia brachten ihn wieder in Schlagdistanz. Mit 14 Zählern Differenz ging es dann in die Wüste von Katar, wo das nächste WM-entscheidende Wochenende auf die MotoGP warten sollte.
Zu Gunsten Bagnaias: Katar Grand Prix bringt die Wende
Zunächst war es dort Martin, der den Titelkampf mit einem Sieg im Sprint wieder völlig offen gestalten konnte, da Bagnaia zeitgleich nicht über Platz fünf hinauskam. Der Ducati-Pilot rätselte, wo seine Pace aus den Trainings hin verschwunden war. Die Vermutung: Er hatte einen fehlerhaften Reifen erwischt, der ihm nicht ganz so viel Grip bot wie üblich. Eindeutig aufgeklärt werden konnte das nicht, es sollte aber einen Vorausblick auf das sein, was am Sonntag im Hauptrennen passierte - nur in deutlich dramatischerem Ausmaß. Bagnaia stürmte gleich beim Start in Führung, hielt diese lange und musste sich letztlich einzig Fabio Di Giannantonio geschlagen geben. Martin wiederum erwischte einen völlig defekten Hinterreifen von Michelin, hatte überhaupt keinen Grip und konnte sich nur auf Platz zehn ins Ziel retten. Bagnaias WM-Führung war wieder auf 21 Punkte angewachsen, nur 37 Zähler verblieben nach Katar noch.
Martin-Crash in Valencia macht Bagnaia zum MotoGP-Weltmeister 2023!
Der allesentscheidende WM-Moment 2023 passierte dann natürlich beim Saisonfinale der MotoGP in Valencia. Nachdem Bagnaia im Qualifying die Oberhand behalten hatte, konnte Martin den ersten Matchball seines Markenkollegen mit einem Sieg im Sprint noch abwehren. Damit ging es mit 14 Punkten Differenz in das letzte Hauptrennen des Jahres. Dort kam es in der dritten Runde zum direkten Duell: Martin wollte auf Start-Ziel vorbei, wurde dabei jedoch in den Windschatten seines Rivalen gezogen. Er ging weit und verlor viele Positionen. Dadurch musste der Spanier anschließend volles Risiko gehen und übertrieb es in Turn 4. Er crashte nach Kollision mit Marc Marquez aus dem Rennen und machte Bagnaia damit zum MotoGP-Weltmeister 2023!
diese MotoGP Nachricht