In der MotoGP vergeht aktuell kaum ein Tag ohne eine neue, überraschende Wendung in Hondas Fahrersuche für die Saison 2024. Der Platz von Marc Marquez, der das Repsol-Team mit Jahresende verlassen wird, ist ja immer noch unbesetzt. Zahlreiche Fahrer wurden seither mit einem Engagement bei HRC in Verbindung gebracht. Das ist der aktuelle Stand:

Pol Espargaro

Völlig überraschend brachte HRC-Team-Manager Alberto Puig am Freitag in Sepang Pol Espargaro ins Rennen um die Marquez-Nachfolge. "Pol ist ein ernsthafter Kandidat", erklärte er gegenüber dem spanischen TV-Partner DAZN. Espargaro war ja bereits 2021 und 2022 Honda-Pilot und kehrte erst zur laufenden Saison ins KTM-Lager zurück. Dort wird er trotz eines gültigen Vertrages 2024 nicht Stammfahrer sein. Die Führungsebene des österreichischen Herstellers entschied sich für ein Line-Up mit Brad Binder, Jack Miller, Augusto Fernandez und Pedro Acosta.

Pol Espargaro fuhr bereits 2021-2022 für Repsol Honda, Foto: LAT Images
Pol Espargaro fuhr bereits 2021-2022 für Repsol Honda, Foto: LAT Images

Ein erneuter Wechsel zu Honda hätte Espargaro also die Möglichkeit gegeben, 2024 doch die gesamte Saison zu bestreiten und nicht wie bei KTM nur einzelne Wildcard-Einsätze beziehungsweise Auftritte als Ersatzpilot im Fall von Verletzungen. Doch der 32-Jährige erklärte am Freitagabend in Sepang, dass es zwar Gespräche mit Honda gegeben habe, er sich aber nach einem Meeting mit den KTM-Bossen vergangene Woche in Österreich für einen Verbleib und damit die Test- beziehungsweise Ersatzfahrerrolle entschieden habe. Er will 2024 nutzen, um körperlich wieder völlig fit zu werden - Espargaro verpasste nach einem schlimmen Sturz in Portimao ja die gesamte erste Saisonhälfte - und im Idealfall 2025 wieder Stammfahrer im KTM-Projekt zu werden.

Fermin Aldeguer

Vor Pol Espargaro wurde Fermin Aldeguer als Honda-Kandidat gehandelt. Der Moto2-Pilot und sein Manager Hector Faubel bestätigten in den vergangenen Tagen Gespräche mit HRC. Demnach will Honda aber lediglich einen Einjahresvertrag abschließen, Aldeguer hingegen möchte für drei Jahre unterschreiben. Team-Manager Alberto Puig bestritt am Freitag kurioserweise, dass man sich in Verhandlungen mit dem 18-Jährigen beziehungsweise dessen Management befinde. Wo auch immer die Wahrheit liegt: Derartige Aussagen der Honda-Führungsebene lassen darauf schließen, dass Aldeguer 2024 nicht auf einer MotoGP-Honda sitzen wird.

Fermin Aldeguer feiert seinen Sieg in Thailand mit einem Wheely
Fermin Aldeguer gilt als großes Moto2-Talent, Foto: LAT Images

Miguel Oliveira & Maverick Vinales

Annäherungen von Honda gab es definitiv an Miguel Oliveira und Maverick Vinales. Doch auch ihnen wollte der japanische Hersteller lediglich einen Vertrag für 2024 anbieten. Ein Wagnis, auf das sich keiner der beiden MotoGP-Rennsieger einlassen wollte. "Wenn eine große Marke wie Honda darüber nachdenkt, dich zu verpflichten, dann ist das immer toll", sagt Vinales. "Für 2024 habe ich aber einen Vertrag mit Aprilia. Was darüber hinaus passiert, weiß ich noch nicht. Alles ist möglich." RNF-Pilot Oliveira verfügt ebenfalls über einen gültigen Aprilia-Kontrakt für das nächste Jahr: "Honda will einen Fahrer für ein Jahr. Das ist in der aktuellen Situation meiner Meinung nach zu gefährlich. Ich müsste einen Vertrag mit einem Hersteller brechen, ohne im Gegenzug irgendeine Garantie für die Zukunft zu erhalten. Wäre es ein Angebot für zwei Jahre, würde die Situation anders aussehen."

Luca Marini

Ebenfalls auf Hondas Wunschliste soll Luca Marini stehen. Auf die Frage, ob es Kontakt zu HRC gegeben habe, antwortete der Italiener am Freitag ausweichend: "Heute nicht." Auch etwaige Gespräche in den Tagen zuvor wollte Marini nicht bestätigen: "Da müsst ihr meinen Manager fragen." Der VR46-Pilot ist 2024 vertraglich bereits an den Rennstall seines Bruders Valentino Rossi gebunden, will das Honda-Angebot aber nicht kategorisch ausschlagen: "Ich fahre mit der Ducati zwar aktuell das beste Motorrad im Feld, aber in einem Werksteam zu sein und dort ein eigenes Bike zu entwickeln, ist noch einmal etwas ganz anderes. Die Ducati ist ein fantastisches Motorrad, aber als Rennfahrer habe ich Träume und Ziele, die ich erreichen will. Für ein Werksteam zu fahren und zu arbeiten ist etwas ganz Besonderes. Es muss aber das richtige Projekt sein."

Luca Marini ist ein Kandidat auf die Marquez-Nachfolge, Foto: LAT Images
Luca Marini ist ein Kandidat auf die Marquez-Nachfolge, Foto: LAT Images

Marini erklärte in seiner Medienrunde allerdings auch, dass er seine unmittelbaren Ambitionen nicht hintenanstellen möchte. "Ich fühle mich aktuell wirklich stark und habe mich in dieser Saison massiv verbessert. Im nächsten Jahr will ich in jedem Rennen konkurrenzfähig sein und um das Podium kämpfen. Das ist mein großes Ziel und ich möchte alles tun, um das zu erreichen", erklärt er. Ein Ziel, das auf einer Honda aktuell außer Reichweite scheint.

Fabio Di Giannantonio

Restlos überzeugt von Hondas Angebot scheint also keiner der bislang genannten Fahrer zu sein. Ganz anders sieht das im Fall von Fabio Di Giannantonio aus. Für ihn ist der HRC-Deal die letzte Möglichkeit, 2024 doch noch in der MotoGP zu bleiben. Er würde dementsprechend auch einen Einjahresvertrag akzeptieren und zeigte sich am Freitag durchaus zuversichtlich, trotz der langen Wunschliste im Hause Honda den Zuschlag zu erhalten. "Laut euch Journalisten hat ja jeder Fahrer eine Chance auf diesen Platz. Meine Konkurrenz kommt nur durch euch zustande", scherzte er mit der anwesenden MotoGP-Presse.

Di Giannantonio soll auch ein Angebot von Puccetti Kawasaki aus der Superbike-Weltmeister vorliegen. Mit diesem beschäftigt sich 'Diggia' aktuell aber nicht: "Darüber weiß ich nichts. Mein Manager spricht mit den Teams. Ich habe ihn darum gebeten, mich nur über Neuigkeiten bezüglich der MotoGP zu informieren. Sollte feststehen, dass ich nicht in der MotoGP bleiben kann, werden wir weitersehen." In Anbetracht der nach und nach wegbrechenden Konkurrenz um den Honda-Platz scheint sich Di Giannantonio aber weiterhin in der Favoritenrolle zu befinden. Bis spätestens 28. November sollten sich Alberto Puig und Co. jedenfalls entscheiden, denn da startet die Königsklasse mit den Testfahrten in Valencia bereits in die Saison 2024.