Die Rennstarts zählten zu Saisonbeginn zur großen Schwäche der Aprilia RS-GP. In aller Regelmäßigkeit verloren die Piloten des italienischen Herstellers aus Noale schon auf den ersten Metern viele Positionen. Bestes Beispiel: Aleix Espargaro in Jerez. Von der Pole Position aus musste der 33-jährige mitansehen, wie die KTM-Piloten Brad Binder und Jack Miller bei sämtlichen der insgesamt vier Starts [zwei Rote Flaggen Anm.] schon auf dem kurzen Weg zur ersten Kurve spielend leicht an ihm vorbeiflogen und ihm selbst aus der zweiten Startreihe mehrere Meter abnahmen.

Aprilia arbeitete hart an einer Lösung - und fand dieser zur Saisonmitte. Plötzlich zählten Espargaro und Maverick Vinales zu den besten Startern im Feld, die einstige Diskrepanz zu den restlichen Herstellern war verschwunden. In Australien und Thailand änderte sich dies zuletzt jedoch wieder. Die große Frage lautet: Warum?

Am Freitag in Sepang scheint zum Start des finalen Triple-Headers der MotoGP-Saison 2023 die Antwort gefunden. 'Motorsport.com' berichtet nämlich, dass Aprilia nach einer Beschwerde eines Konkurrenten dazu gezwungen wurde, die Nutzung der neuesten Spezifikation der Kupplung zu stoppen. Dem Bericht zufolge deutet alles darauf hin, dass die Beschwerde von KTM stammt. Dort soll man der Meinung sein, dass die Kupplung Aprilias gegen das technische Reglement verstößt, weil ihre Nutzung zu sehr von einer elektronischen Steuereinheit unterstützt wird.

Hat Aprilia mit dem Kupplungssystem gegen das Regelwerk verstoßen?

Tatsächlich sind die technischen MotoGP-Regeln für Kupplungssysteme kurzgehalten und offenbaren einige Grauzonen, grundsätzlich muss der Fahrer aber vollständige Kontrolle über die Kupplung haben. Es ist nicht erlaubt, eine Elektronik zwischen Hebel und Kupplungsscheiben einzusetzen, wodurch ein voreingestelltes Drehmoment ausgegeben werden könnte. Genau hiergegen könnte das Aprilia-Kupplungssystem aber verstoßen und es erlaubt haben, die Geschwindigkeit, mit der der Kupplungshebel nach Loslassen in seine ursprüngliche Position zurückspringt, mit der idealen Auslösegeschwindigkeit für die optimale Leistungszufuhr abzustimmen.

Aleix Espargaro praktiziert einen Übungsstart in Jerez
Aprilias Kupplungssystem könnte eine automatisierte Starthilfe sein, Foto: LAT Images

"Du musst dir nur Videos der Aprilia-Starts ansehen, um zu verstehen, dass es sich dabei um eine automatische Kupplung handelt, wie sie in der Formel 1 verwendet wird", soll ein Ingenieur im Sepang-Paddock gegenüber 'Motorsport.com' erklärt haben. Die Aprilia-Werkspiloten selbst wollten am Donnerstag zu dieser Thematik keine Stellung beziehen. "Das tut weh, mehr kann ich dazu aber nicht sagen", meinte etwa Vinales und Espargaro ergänzte: "Wir können über dieses Thema nicht sprechen." Gegenüber 'Crash.net' verriet Ersterer dann aber doch: "Wir hatten ein System, aber die Weltmeisterschaft hat es gebannt, wir müssen jetzt wieder unsere Standard-Kupplung benutzen. Das macht die Starts wieder sehr schwierig, das ist der Unterschied."

Eine offizielle Bestätigung dessen durch die MotoGP steht noch aus. Wie 'Motorsport.com' erfahren haben will, sollen die technischen Direktoren der Königsklasse zunächst noch 'Grünes Licht' für das Kupplungssystem gegeben haben, weil es nicht vollautomatisch funktioniert, sondern den Input des Fahrers benötigt. Nach der Beschwerde KTMs wird das Kupplungs-Reglement momentan aber auf mögliche Lücken überprüft. Das Resultat steht dabei noch aus.

MotoGP 2024 im Pay-TV: Die Folgen für Motorrad-Deutschland (06:03 Min.)

Bis zur Klarstellung: Auch KTM verzichtet auf Kupplungssystem

Kurios: Zusätzlich zur Beschwerde über die Aprilia-Kupplung soll KTM die technische Kommission der MotoGP um eine Anpassung des aktuellen Regelwerks gebeten haben, um das eigene Kupplungssystem, welches sehr ähnlich funktioniert, homologieren zu lassen. Bis dies der Fall ist, hat der österreichische Hersteller die Kupplung freiwillig aus seinen Motorrädern entfernt. Seit dem Rennwochenende in Thailand müssen Brad Binder und Co. also ebenfalls auf ihre Starthilfe verzichten, was deren unauffällige Starts in Buriram erklären würde. Erst wenn das technische Reglement angepasst wurde und einen Einsatz offiziell erlaubt, soll das Kupplungssystem wieder zum Einsatz kommen.