Die MotoGP meldete sich in Silverstone bei kühlen Temperaturen mit einem absoluten Kracher aus der Sommerpause 2023 zurück. Beim heißen Österreich GP in Spielberg folgte allerdings gleich wieder die Ernüchterung. Einer der wohl langweiligsten Grand Prix der Geschichte zeigte das massive Überholproblem der Königsklasse auf zwei Rädern auf. Der Hauptfaktor für den starken Überholmangel ist die immer weiter ausufernde Aerodynamik der Bikes. Honda-Superstar Marc Marquez sieht die Entwicklung sehr kritisch.

"Ich habe das schon vor drei oder vier Jahren angesprochen", mahnte der Spanier. Dem damals dominierenden Marquez wurde zu diesem Zeitpunkt aber unterstellt, er wolle einfach nur keine Veränderung des Sports und so seine Stellung sichern: "Manche Leute waren gegen die Aerodynamik, andere dafür. Wenn du etwas gesagt hast, dann kamen die Leute und meinten: Du kannst dich einfach nur nicht an die Aerodynamik anpassen."

Wieso wurde der Österreich-GP zum MotoGP-Langeweiler? (05:56 Min.)

Das Ergebnis der vielen Flügel auf den Bikes ist eine MotoGP, in der nicht der Fahrer, sondern der technische Fortschritt regiert: "Du kannst dich sehr wohl anpassen, aber die MotoGP hängt jetzt viel mehr von deinem Bike ab. Wenn du nicht die Aerodynamik oder die Traktion hast... Es gibt einfach viele technische Entwicklungen, von denen du deutlich stärker abhängst [als früher, Anm. d Red.]." Selbst Ausnahmekönner wie Marquez oder Fabio Quartararo können aktuell nicht um Spitzenpositionen kämpfen, da Honda und Yamaha beim Thema Aerodynamik weit hinter den Europäern liegen.

Marquez: Formel 1 macht Regeln gegen Aero-Effekte, MotoGP nichts

Doch nicht nur der Faktor der besten Fahrer wird abgeschwächt. Generell verkommen viele Rennen durch die 'Dirty-Air' immer mehr zu Prozessionen, die bereits nach dem Start vorentschieden sind. Nur auf bestimmen Strecken oder unter bestimmten Bedingungen erlebt die MotoGP noch echte Kracher. Marquez fühlt sich daher nicht zu Unrecht an Zeiten aus dem Königsklassen-Pedant mit vier Rädern erinnert: "Anzugreifen und zu Überholen wird immer schwieriger. Es wird so wie in der Formel 1."

Doch die Formel 1 wurde sich ihres Problems irgendwann bewusst. "Die Formel 1 ging in die andere Richtung. Sie wollten weniger Abtrieb und weniger Effekt durch die Aerodynamik", spricht Marquez die große Regelrevolution von 2022 an. Der Wechsel auf Autos mit Ground-Effekt erleichterte den Formel-1-Boliden das Hinterherfahren in der verwirbelten Luft des anderen. Zum ersten Mal wurden neue Regeln im Sinne besseren Rennfahrens eingeführt. In der MotoGP ist davon noch keine Spur: "Wir hingegen gehen in die entgegengesetzte Richtung. Es [die Aerodynamik, Anm. d. Red.] wird immer mehr und mehr."

In der Formel 1 wurden Aero-Regeln für mehr Überholmanöver eingeführt, Foto: LAT Images
In der Formel 1 wurden Aero-Regeln für mehr Überholmanöver eingeführt, Foto: LAT Images

Aero-Einschränkung der MotoGP kommt viel zu spät

Im Prototypensport gilt im Allgemeinen die Regel, dass die Regelhüter dem technischen Fortschritt der Hersteller hinterherhängen. Das Ausmaß dieses Rückstandes versuchte die Formel 1 zuletzt durch die Gründung technischer Gruppen immer weiter zu reduzieren. In der MotoGP hingegen gibt es eine solche Entwicklung nicht. Die Ingenieure rund um Gigi Dall’Igna & Co. sind der FIM um Meilen voraus. Zwar gibt es mittlerweile die Absicht, die Aerodynamik einzuschränken oder gar zu verbieten, doch Marquez stellt die Fans auf harte Zeiten in den nächsten Jahren ein: "Es sieht so aus, als gäbe es eine Änderung ab 2027. Aber das ist zu spät. Noch drei weitere Jahre. Da wird das Problem immer größer mit immer mehr Abtrieb."