Nur einen Tag, nachdem der Strafenstreit der MotoGP-Piloten mit den Stewards einen neuen Höhepunkt erreicht, gibt es direkt den nächsten großen Aufreger: WM-Leader Francesco Bagnaia und Aprilia-Mann Maverick Vinales kollidieren am Ende der fünften Runde und befördern sich gegenseitig aus dem Rennen. Im Kiesbett kommt es sofort zur Konfrontation der beiden Fahrer.

Was war passiert? Vinales erwischte einen deutlich besseren Kurvenausgang aus der S-Kurve am Ende des dritten Sektors und attackierte Bagnaia beim Anbremsen für die nachfolgende Kurve 11. Der Aprilia-Pilot konnte die Linie jedoch nicht halten und ging etwas weit, wodurch Bagnaia innen wieder vorbeiziehen konnte. Beim Umlegen für die nachfolgende Linkskurve T12 kam es dann zur Berührung.

Während Bagnaia zunächst nur etwas weitgeschickt wurde, verlor Vinales die Kontrolle über sein Motorrad. Er krachte erneut in den Ducati-Piloten, woraufhin beide zu Sturz kamen und im Kiesbett einschlugen. Speziell Vinales hatte dabei großes Glück, denn er landete nur wenige Zentimeter neben seiner Maschine in der Streckenbegrenzung.

Die Emotionen kochten daraufhin hoch: Vinales lief sofort wild gestikulierend zum noch im Kiesbett liegenden Bagnaia, um ihn zu konfrontieren. Dabei verpasste der Spanier seinem Kontrahenten auch einen leichten Schlag gegen den Helm mit der linken Handinnenseite. Das ließ der amtierende Weltmeister nicht auf sich sitzen, sprang auf und schubste Vinales mehrfach von sich weg. Erst herbeieilende Strecken-Marshalls konnten die beiden Streithähne voneinander trennen.

Abseits der TV-Bilder gab es dann wohl eine Aussprache, denn wenig später fuhren Bagnaia und Vinales mit dem gleichen Scooter zurück ins MotoGP-Paddock. Dort angekommen gaben sich die beiden Piloten die Hand. Gegen Ende des Rennens war Bagnaia mit einem dicken Eisbeutel an seiner linken Hand in der Ducati-Box zu sehen. Nach Rennende begab er sich für einen Check-Up ins Medical Center, wurde nach nur wenigen Minuten von den MotoGP-Ärzten aber für "fit" erklärt. Ein Start bei seinem Heim-Grand-Prix in Mugello in drei Wochen [9. - 11. Juni, Anm.] scheint somit nicht gefährdet.

Bagnaia und Vinales einig: Rennunfall!

In Anbetracht des hitzigen Disputs im Kiesbett überraschten nach Rennende beide Fahrer mit recht besonnenen Reaktionen. Sie sprachen beide von einem Rennunfall. "Er hat mich sauber überholt, ging aber etwas weit. Ich war auf meiner Linie, er wollte zurück auf die Rennlinie. Vielleicht hätte ich die Situation etwas besser managen und das Gas zumachen können oder er hätte mehr Rücksicht auf mich nehmen können. Das war einfach unglücklich", analysierte etwa Bagnaia. Vinales fand ähnliche Worte und begründete die Kollision auch in der Natur der engen Schikane: "Er kann mir meiner Meinung nach beim Richtungswechsel etwas mehr Platz lassen. Ich wusste nicht, wo er ist. Er konnte mich vielleicht sehen, aber es ist nicht einfach. Wir hatten unterschiedliche Standpunkte und letztlich müssen die Stewards entscheiden, aber für mich war es ein Rennunfall."

Der Aprilia-Pilot bestätigte anschließend die Aussprache mit seinem Kontrahenten: "Wir haben uns die Hand gegeben. Wir sind zwei der saubersten Fahrer im Feld. Das kann passieren." Angesprochen auf das Handgemenge im Kiesbett sagte Vinales: "Die Emotionen und das Adrenalin kamen hoch. Ich war wütend, weil ich das Potenzial hatte, dieses Rennen zu gewinnen. Aber das ist Racing. Wir Fahrer müssen Respekt untereinander haben."

Bagnaia zeigte Verständnis: "Ich mochte seine Reaktion nicht, er war etwas zu aggressiv. Aber mit der Spannung und dem Adrenalin kann das passieren. Wenn du von einem anderen Fahrer getroffen wirst, wirst du manchmal wütend, weil du denkst, dass dein Rennen ruiniert wurde. Ich bin deshalb nicht wütend auf ihn. Das waren einfach unglückliche Umstände. Als ich bei den Stewards war, habe ich Maverick dazu geholt. Wir haben unsere Meinungen ausgetauscht. Anfangs hatten wir unterschiedliche Standpunkte, letztendlich aber sogar die Gleiche. So sollte das immer ablaufen."