Was im Automobil-Rennsport seit Jahrzehnten in Benutzung ist, stellt in der MotoGP noch ein Experiment dar: Boxen-Funk. Beim Test am Montag nach dem Spanien GP in Jerez probierte die MotoGP ein solches System aus, welches allerdings noch in den Kinderschuhen steckt. Dabei geht es nicht um die Kommunikation der Teams mit den Fahrern, vielmehr will man austesten, ob die Rennleitung die Fahrer über Funk bei Gefahrensituationen warnen kann. Dabei wird den Fahrern ein Kopfhörer unter dem Helm und eine Verkabelung in der Lederkombi angebracht. Es handelt sich um eine Einweg-Kommunikation, denn der Fahrer hat kein Mikro, in das er sprechen könnte.

Am Montag in Jerez haben drei MotoGP-Piloten das System testen dürfen: Jonas Folger, Aleix Espargaro und Fabio Quartararo. Während Folger nicht mit den Medien sprach und Espargaro jegliche Aussage zum System verweigerte, berichtete Quartararo ausführlich über seine Erfahrung: "Das ging Non-Stop. Drei Runden lang hatte ich 'Rote Flagge, Rote Flagge, Rote Flagge' [im Ohr, Anm. d. Red.]. Das funktionierte gut und wenn sie es auf gute Art und Weise nutzen, ist das eine coole Sache. Es kann die Sicherheit verbessern."

Quartararo: System kann helfen, aber nur in Notfällen

Gleichzeitig betonte der Weltmeister von 2021, dass die Nutzung des System nicht ausufern dürfe: "Es sollte wirklich für Notfälle gedacht sein, denn es ist sicherlich schwierig, denn wenn du fährst, und plötzlich hörst du etwas…beim ersten Mal war das schon sehr merkwürdig. Du lenkst ein und du hörst 'Rote Flagge', das ist schon irritierend. Für Sicherheitsfragen können wir das aber sicher benutzen. Besonders im Falle einer roten Flagge oder wenn ein Bike auf der Strecke liegen bleibt, kann das hilfreich sein."

Die bisherige Kommunikation der Rennleitung mit den Fahrern findet über das Dashboard genannte Display unter der Windschutzscheibe statt. Für Quartararo ist die Funk-Variante besser: "Du siehst fast nie auf das Dashboard. Selbst beim Schalten habe ich nie auf die Lichter geschaut, du weißt, wann du Schalten musst. Besonders auf einer so engen Strecke wie hier [in Jerez, Anm. d. Red.], ist es sehr schwierig das Dashboard zu lesen. Ich denke also, es ist gut das [Funk, Anm. d. Red.] zu haben, aber nur in wichtigen Fällen."

Das Dashboard ist die übliche Kommunikationstechnik in der MotoGP, Foto: Ducati
Das Dashboard ist die übliche Kommunikationstechnik in der MotoGP, Foto: Ducati

Miller und Marini ablehnend: MotoGP-Dashboard reicht aus

Seiner Einschätzung stimmten aber bei weitem nicht alle seiner MotoGP-Kollegen zu. Für KTM-Pilot Jack Miller reicht das bisherige System aus: "Wir brauchen diese Funk-Verbindung nicht wirklich, wir haben ja schon das Dashboard-System mit den Pop-Up-Infos darauf. Wenn sie es wollen, dann ist es ihre Entscheidung, aber was können sie dir ins Ohr sagen, was du nicht auch auf dem Dashboard anzeigen kannst?"

VR46-Pilot Luca Marini ging sogar noch weiter. Für ihn ist eine Funk-Verbindung sogar ein Risiko: "Für mich ist das unmöglich umzusetzen, wir brauchen das nicht. Wir haben kaum Zeit zum Atmen. Jemand, der dir ins Ohr spricht, ist meiner Meinung nach ziemlich ablenkend. Wir brauchen das nicht." Auch das Argument des schlecht einsehbaren Dashboards kann er keineswegs nachvollziehen: "Gibt es eine Nachricht auf dem Dashboard, dann ist das kein Problem für mich. Es ist gut ausgeleuchtet, es ist nicht möglich, das Dashboard zu übersehen."

Weltmeister Bagnaia hat kein Interesse an Funktest

Der Halb-Bruder von Valentino Rossi machte auch darauf aufmerksam, wie kompliziert das Timing in dieser Frage wäre: "Der Moment wird entscheidend sein, an dem sie mit dir sprechen. Sie können eigentlich nur auf den Geraden mit dir sprechen. Wenn es da eine Verzögerung gibt, dann ist das ein Problem. Ich will das nicht, wenn ich gerade beim Anbremsen bin und einen Fahrer vor mir habe. Das ist keine positive Entwicklung."

Luca Marini denkt, dass Funk-Ablenkung zu Stürzen führen könnte, Foto: LAT Images
Luca Marini denkt, dass Funk-Ablenkung zu Stürzen führen könnte, Foto: LAT Images

Auch Weltmeister Francesco Bagnaia stand der Neuerung skeptisch gegenüber. Er hat an einem Test kein Interesse: "Ich weiß nicht, ob ich dafür bereit bin. Das ist etwas komplett Neues. Wenn du fährst und dann hörst du etwas, dann ist das etwas merkwürdig. Ich habe es aber noch nicht ausprobiert. Zurzeit wäre mir das aber auch zu viel, also will ich das momentan noch gar nicht ausprobieren."

Rins und Di Giannantonio offen für neues: Funk kann Verbesserung bringen

Den Kritikern standen neben Quartararo aber auch durchaus wohlwollende und aufgeschlossene Stimmen gegenüber. Austin-Sieger Alex Rins wollte sich erst selbst ein Bild machen: "Ich denke, dass das eine gute Idee sein kann. Ich habe es aber selbst noch nicht ausprobiert." Auch Gresini-Pilot Fabio di Giannantonio zeigte sich offen für die Neuerung: "Ich finde das gut. Ich habe es noch nicht ausprobiert, aber ich will es versuchen. Mit Sicherheit ist es für die Zukunft einen Versuch wert, das könnte ein richtiger Schritt sein."

Wie auch Quartararo, Marini und Bagnaia sprach di Giannatonio dem Aspekt einer möglichen Ablenkung der Fahrer Gewicht zu: "Auf einem Motorrad muss man da allerdings vorsichtig sein. Wenn dich etwas ablenkt, dann könnte das zu einem Fehler und Stürzen führen. Wenn es aber wirklich etwas verbessert, dann warum nicht? Es wird interessant, das weiter zu beobachten."

Weitere Testpiloten für das Projekt scheinen also vorhanden zu sein. Bis das System wirklich ausgereift ist, wird ohnehin noch einige Zeit vergehen. Quartararo musste zugeben, dass es noch nicht sehr bequem ist: "Es wiegt nur 100 Gramm, aber es ist nicht sehr komfortabel. Ich musste den Kopfhörer ins Ohr stecken und dann mit einem Band am Kopf fixieren." Der Franzose erkannte aber auch an, dass es sich die Entwicklung noch in einem Frühstadium befindet: "Es ist ein Prototyp und für den ersten Versuch funktionierte das gut."