Ein sicher nach Hause gefahrener 9. Platz in Valencia reichte Francesco Bagnaia zur Erfüllung seines großen Traums: Er ist erstmals MotoGP-Weltmeister. Bagnaia lieferte in der Saison 2022 eine beeindruckende Aufholjagd. Nach dem Deutschland-Grand-Prix lag er bereits 91 Punkte hinter Titelverteidiger Fabio Quartararo zurück, acht Rennen später führte er die WM erstmals an und tütete den Titelgewinn nun im letzten Grand Prix ein.
So mancher Beobachter möchte die Leistung Bagnaias aber nicht wirklich anerkennen. Der Erfolg sei ausschließlich auf die Stärke der Ducati Desmosedici zurückzuführen und nicht auf das fahrerische Können Bagnaias. Selbst Marc Marquez meinte zuletzt auf die Frage, wer denn sein WM-Favorit sei: "Ich tippe auf Peccos Bike."
Natürlich ist die Ducati Desmosedici GP22 aktuell das beste Motorrad im Feld. Daran besteht überhaupt kein Zweifel. Das war in dieser Saison aber definitiv nicht immer so. Denn die 2022er-Ducati war im Vergleich zu ihrer Vorgängerin noch einmal eine mittelgroße Revolution. Und ihre Fahrer - Bagnaia, Jack Miller, Jorge Martin, Johann Zarco und Luca Marini - hatten ihre liebe Mühe, sich auf der GP22 zurechtzufinden. Es dauerte sechs Rennen, ehe Bagnaia in Jerez den ersten Sieg auf diesem Motorrad einfahren konnte.
Wie schwierig es war, sich auf dem neuen Motorrad zurechtzufinden, verdeutlichte zuletzt Jorge Martin. "Ein wirkliches Basis-Setup haben wir erst in Thailand gefunden", sagt der Pramac-Pilot. Zur Erinnerung: Der Thailand-Grand-Prix war das 17. von 20 Saisonrennen. Bagnaia und seine Ducati-Kollegen haben in der Saison 2022 ein hervorragendes Werkzeug zur Verfügung. Doch dieses muss auch richtig genützt werden. Und das gelang nur Bagnaia: Er holte sieben Saisonsiege, die anderen vier Piloten auf der GP22 gerade einmal einen durch Jack Miller in Japan. Bagnaia zeichnet auch für zehn der 23 Podiumsplatzierungen verantwortlich.
Ducati vs. Ducati
Die Tatsache, dass Ducati neben Bagnaia noch sieben andere starke Fahrer in die MotoGP-Startaufstellung schickt, kann als Vorteil für 'Pecco' gesehen werden. Sie kann aber auch ins Gegenteil kippen. In zwölf von 20 Saisonrennen waren einer oder mehrere seiner Ducati-Kollegen stärker als Bagnaia und kosteten ihm so teilweise eine Menge Punkte. Probleme, die etwa Fabio Quartararo nicht kennt. Mit Ausnahme seiner Nullnummern in Assen, Aragon, Thailand und Australien war er immer bester Yamaha-Pilot.
Ein WM-Titel ist nie ausschließlich auf die Leistung eines Fahrers zurückzuführen. Er ist immer eine Kombination aus Pilot, Motorrad, Team und einer Prise Glück. Hätten Fabio Quartararo oder Aleix Espargaro die MotoGP-Krone weniger verdient? Sicher nicht. Bagnaias bislang größten Triumph als alleinigen Verdienst seines Arbeitgebers abzustempeln, wird den Leistungen des Italieners aber nicht gerecht. Er kämpfte sich in einer von Rückschlägen gepflasterten Saison immer und immer wieder zurück, gewann die meisten Rennen, holte die meisten Podiumsplatzierungen und stand am häufigsten auf der Pole Position. Dafür gebührt ihm Respekt.
diese MotoGP Kommentar