Remy Gardner, Raul Fernandez und Miguel Oliveira sind in der MotoGP-Saison 2022 KTM-Piloten. Viel deutet daraufhin, dass sich alle drei mit Jahresende neuen Aufgaben widmen müssen. Drei langjährige KTM-Piloten werden also wohl in einem Aufwasch aus dem MotoGP-Projekt entfernt. Die Trennungen scheinen größtenteils nicht sonderlich harmonisch über die Bühne gehen. Die Verwirrung ist bei allen Parteien groß. Eine Bestandsaufnahme.

Als Auslöser des gesamten Tumults kann Raul Fernandez gesehen werden. Der Moto2-Vizeweltmeister des Vorjahres ist vertraglich von 2021 und bis 2023 an KTM gebunden. In welcher Klasse Fernandez fährt, obliegt dabei dem Arbeitgeber. Nach seiner großartigen Moto2-Rookie-Saison im Vorjahr entschied sich KTM dazu, den Spanier für 2022 in die Königsklasse zu holen. Fernandez wollte dort aber lieber für Yamaha fahren und verhandelte trotz gültigem KTM-Vertrag mit dem japanischen Hersteller. Nach mehreren Ermahnungen durch die Führungsebene hatte man in Mattighofen genug. Im Rahmen des Österreich-Grand-Prix gab man Fernandez' MotoGP-Aufstieg zu Tech3 KTM bekannt. Der Fahrer erklärte wenig später, er wäre 2022 lieber wo anders gefahren.

Raul Fernandez und die KTM RC16: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, Foto: LAT Images
Raul Fernandez und die KTM RC16: Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte, Foto: LAT Images

Im Winter sorgte Fernandez schließlich mit abfälligen Äußerungen gegenüber Teamkollege Remy Gardner und Aki Ajo, dem großen Nachwuchsscout der KTM-Rennsportabteilung, für Aufsehen. Die Atmosphäre war endgültig vergiftet. Schon im Mai sollen Fernandez und sein Management KTM mitgeteilt haben, dass man den Vertrag im Jahr 2023 nicht mehr erfüllen werde. Das Unternehmen forderte eine Strafzahlung ein. Erst nach einem monatelangen Hick-Hack konnte man sich nun einigen. Fernandez wechselt wohl zu RNF Aprilia.

Damit schien eigentlich gesichert, dass Remy Gardner im Tech3-Team bleiben kann und nach einer schwierigen Rookie-Saison eine zweite Chance bekommt. Sein Vertrag läuft aber mit Jahresende aus und wird wohl nicht verlängert. "Es sieht nicht gut aus", gestand Gardner am Sonntag in Spielberg. "In der MotoGP gibt es wohl keinen Platz für mich. KTM hat es wieder einmal geschafft." Fakt ist: Gardners erste Saison in der Königsklasse verläuft bescheiden. In bislang 13 Rennen gelangen ihm nur neun Punkte. Dass ein Rookie in der MotoGP nach nur einem Jahr wieder seine Koffer packen muss, ist allerdings doch eine Rarität - vor allem wenn er sich nur vor wenigen Monaten noch zum Moto2-Weltmeister krönte.

Für Remy Gardner gibt es keinen Platz mehr bei KTM, Foto: LAT Images
Für Remy Gardner gibt es keinen Platz mehr bei KTM, Foto: LAT Images

Dann bleibt noch der Fall Miguel Oliveira. Nach zwei Jahren im Werksteam wurde ihm Ende Mai angeboten, in den Kundenrennstall von Tech3 zu wechseln. Jack Miller würde seinen Platz übernehmen. Oliveira war sauer. Er fühlte sich vor den Kopf gestoßen. "Ich habe dem Management gesagt, dass ich den Platz bei Tech 3 nicht akzeptieren werde", so der vierfache MotoGP-Sieger. Bei allem Verständnis für Oliveiras Frust macht die Entscheidung der KTM-Bosse doch durchaus Sinn. Seit rund einem Jahr zieht er im teaminternen Duell gegen Brad Binder klar den Kürzeren. Und im Rennsport ist man eben immer nur so gut, wie sein letztes Rennen.

KTM besserte in der Folge das Offert für Oliveira nach. Im Tech3-KTM-Nachfolgeteam GasGas werde er über das exakt gleiche Material wie die KTM-Factory-Truppe verfügen, versicherte man ihm. Sein Abgang - ebenfalls in Richtung RNF Aprilia - scheint aber dennoch beschlossene Sache. Den zweiten Platz in der GasGas-Truppe wird daher wohl Moto2-Titelanwärter Augusto Fernandez einnehmen.

Motorsport-Magazin.com meint: Das Transferchaos im KTM-Lager mag auf den ersten Blick einen katastrophalen Eindruck machen. Der Rauswurf von Remy Gardner und die Degradierung von Miguel Oliveira sind auf einer persönlichen Ebene harte, teilweise überharte Entscheidungen. Fakt ist aber auch, dass sich das KTM-Projekt immer noch in einer Phase befindet, in der man die Lücke zur MotoGP-Spitze schließen muss. Das gelingt nur mit Fahrern wie einem Brad Binder, der regelmäßig gegen die besten Piloten auf den besten Motorrädern kämpft. Das ist nicht schön, aber die MotoGP ist ein knallhartes Business mit wenig Raum für emotionale Befindlichkeiten. Und zur Causa Fernandez: Wer einen Vertrag unterschreibt, diesen dann nicht erfüllen will und anschließend noch über den Arbeitgeber lästert, darf sich über schlechte Behandlung nicht beschweren.