Die MotoGP schrumpft 2023 auf fünf Hersteller, hält aber weiterhin bei sechs Marken. Klingt kompliziert, ist es aber nicht: Suzuki steigt aus und wird als Hersteller nicht ersetzt. KTM bringt mit GasGas aber eine zweite Marke aus dem Konzern an den Start. Das Team, bislang bekannt als Tech3 KTM, wird aber mit baugleichen RC16-Bikes fahrer und somit auch keinerlei Vorteile für Neueinsteiger erhalten.

Wie es zum GasGas-Einstieg kam, was man damit bezwecken will und woran es noch zu arbeiten gilt, verrät KTM- und GasGas-Motorsportchef Pit Beirer im exklusiven Gespräch mit Motorsport-Magazin.com.

Motorsport-Magazin.com: Pit, ich spreche heute erstmals in deiner Funktion als GasGas-Motorsportchef zu dir. Wie ist es zur Idee gekommen, diese Marke in die MotoGP zu bringen. War das eine Reaktion auf den Suzuki-Ausstieg und die Tatsache, dass die Dorna nach einem neuen Hersteller sucht?
Pit Beirer: Nein, das hatte mit dem Suzuki-Ausstieg überhaupt nichts zu tun. Wir wurden davon natürlich auch überrascht und haben uns separat angesehen, was mit den beiden Startplätzen passiert. Schlussendlich war das für uns aber keine Option. Dafür sucht die Dorna wirklich einen eigenen Hersteller, der mit einem eigenen Motorradkonzept die Szene bereichert. Das wäre mit GasGas ein enormer Aufwand gewesen. Wir müssen unseren Aufwand aber unter Kontrolle halten.

Wie kam die Idee dann zustande? GasGas bringt man ja weder mit Rundstreckensport noch mit Straßenmotorrädern in Verbindung.
Pit Beirer: Wir besitzen GasGas jetzt seit dem Jahr 2020 und haben es in dieser kurzen Zeit schon geschafft, die Marke zu einem echten Erfolgsmodell zu machen. Jetzt wollen wir die Plattform MotoGP nutzen, um die Marke auch in der Serienfertigung für die Straße groß zu machen. Für uns war das eine absolute Vernunftsentscheidung, um gute Werbung für die Marke zu machen.

Die Marke GasGas wird zwar 2023 an den Start gehen, gefahren wird aber auf KTM-RC16-Maschinen. Bei der Bekanntgabe des Projekts, habt ihr euch offen gelassen, in Zukunft vielleicht auch echte GasGas-MotoGP-Bikes zu bauen. Dazu müsstet ihr aber de facto zwei unterschiedliche Fabriken bauen und zwei unterschiedliche Fertigungsprozesse aufstellen. Ist das unternehmerisch wirklich sinnvoll?
Pit Beirer: Nein! (lacht) Wir dürfen die Augen ja auch nicht vor dem verschließen, was aktuell auf der Welt passiert. Die Inflation liegt bei sieben oder acht Projekt, es mangelt an Gas und Strom. Da werden wir im kommenden Winter sich nicht viel zusätzliches Budget bekommen, um Motorsport zu betreiben. Umso sinnvoller ist es natürlich, auf einer genialen Plattform wie der MotoGP zwei Marken zu bewerben und das bei identischen Entwicklungskosten. Wir haben die MotoGP wirklich lieben gelernt. Das Feedback ist sehr positiv - nicht nur aus der Motorsportszene, sondern auch wenn wir auf die Stückzahlen der verkauften Straßenmotorräder blicken. Jetzt können wir mit GasGas eine zweite Marke an den Start bringen, die nicht als Satellitenteam sondern als absolutes Einser-Premium-Werksteam aufgestellt wird.

In Spielberg war die GasGas-MotoGP-Maschine erstmals zu sehen, Foto: GASGAS Factory Racing Team
In Spielberg war die GasGas-MotoGP-Maschine erstmals zu sehen, Foto: GASGAS Factory Racing Team

Dass ein Hersteller mit zwei Marken in der MotoGP antritt, ist eine absolute Premiere. War es schwierig, das auch gegenüber der Konkurrenz durchzubringen?
Pit Beirer: Nein, überhaupt nicht. Es gab eigentlich keinen Gegenwind. Wir mussten ja auch nicht unsere Herstellerkollegen um Erlaubnis fragen, sondern die Dorna. Das haben wir anständig gemacht und uns an die Vorgaben gehalten. Wir machen diesen Markeneinstieg ja nicht um unsere Herstellerkollegen zu verarschen. Wir wollen saubere Arbeit leisten und der Dorna ein guter Partner sein. Von uns wird es keine Taschenspielertricks geben. Wenn wir jetzt eine GasGas homologieren lassen, die zu 95 Prozent der KTM gleicht und gleichzeitig Concessions wie unbegrenzte Testfahrten genießen, dann wären die anderen Hersteller sicher sauer. So etwas hatten wir aber nie vor und deshalb gab es auch keine Probleme mit der Konkurrenz.

Ihr werdet nun aber mit der Marke GasGas auch nicht in der Herstellerwertung aufscheinen. Ist das ein Wermutstropfen?
Pit Beirer: Ja, das ist natürlich schade. Aber der Name GasGas wird dennoch in der MotoGP präsent sein und der Rennstall wird sich auch in der Teamwertung messen müssen. In der Herstellerwertung werden die Punkte eben KTM gutgeschrieben. Das ist aber ehrlich gesagt absolut okay, denn wir kämpfen da mit der Marke KTM ja auch noch um unseren Status und müssen uns beispielsweise gegen Ducati beweisen, die acht Bikes im Grid haben. Da ist es mir nicht unrecht, wenn vier KTMs im Rennen punkte sammeln können.

Mit Pol Espargaro kennen wir den ersten GasGas-Fahrer bereits. Für den zweiten Platz kämpft ihr weiterhin um Miguel Oliveira und habt euer Angebot noch einmal nachgebessert. Das GasGas-Team soll ja Teil eures Road to MotoGP sein, mit ihr junge Fahrer aus den Nachwuchsserien bis in die Königsklasse hochziehen wollt. Espargaro und Oliveira sind mit 31 beziehungsweise 27 Jahren aber nicht unbedingt Youngsters.
Pit Beirer: Unser MotoGP-Puzzle ist noch nicht ganz fertig, deshalb versuchen wir immer noch, die maximale Performance für das Projekt zu finden. Unser Ziel ist es aber weiterhin, junge Fahrer auszubilden und irgendwann mit ihnen Titel in der MotoGP zu gewinnen. Ich denke, dass wir aber noch etwas erfolgreicher sein müssen, um die erste Option für unsere Youngsters darzustellen.

Miguel Oliveira muss das KTM-Werksteam mit Ende 2022 verlassen, Foto: KTM
Miguel Oliveira muss das KTM-Werksteam mit Ende 2022 verlassen, Foto: KTM

Woran denkst du da genau?
Pit Beirer: Das Motorrad muss in der Abstimmung einfacher sein, um den Einstieg in die MotoGP zu erleichtern. Wir haben in der Vergangenheit sicherlich auch Fehler gemacht. Wir würden beispielsweise nie mehr zwei Rookies in ein Team stecken. Wenn die sich nicht zurechtfinden und du dann noch einen angeschlagenen Fahrer im Werksteam hast, dann bringen 75 Prozent deiner Fahrer das Projekt überhaupt nicht weiter. Ein Line-Up mit Brad Binder, Jack Miller, Pol Espargaro und Miguel Oliveira wäre für uns deshalb schon ein Dream-Team, weil du so immer einen Fahrer hast, der sich selbst und seine Kollegen pusht. Man muss hier jeden Tag aufs Neue kämpfen und gewaltig liefern. Das gilt für alle Teilnehmer in dieser Klasse. Genau das macht uns aber auch mächtig Spaß.