Jorge Martin brachte im MotoGP-Qualifying in Silverstone die Rennleitung gehörig ins Schwitzen. Wenige Minuten vor Schluss schien der Spanier plötzlich mit einer Bestzeit von 1:58,008 Minuten auf P1 des Timings auf und hatte damit fast neun Zehntelsekunden Vorsprung auf den Rest des Feldes.

Was viele bereits geahnt hatten, lieferte die internationale TV-Regie wenig später nach: Martin hatte in der Kurvenkombination 8/9 abgekürzt und sich dort mehrere Zehntelsekunden an Vorteil verschafft. Wie der Spanier am Nachmittag in einem Videocall ausführte, handelte es sich dabei aber um kein Missgeschick, sondern um pure Absicht.

"Ich wollte mich in eine gute Position bringen, da ich gesehen habe, dass Marc (Marquez; Anm.) direkt vor mir war", erklärte er sein Manöver. Kurzerhand entschloss sich der MotoGP-Rookie dazu, die Kurve abzukürzen und dadurch näher an Marquez heranzukommen, um ihn als Referenzpunkt zu nutzen.

Rennleitung ließ sich viel Zeit

"Ich wusste also sofort, dass das nicht meine Pole-Runde sein konnte", so Martin, der sich nach der Einfahrt in den Parc ferme sogar gegenüber den MotoGP-Offiziellen zu erklären versuchte. "Sobald ich angekommen bin, habe ich denen gesagt, dass das nicht die Pole war und sie sich das bitte noch einmal genau ansehen sollen."

Denn im offiziellen Timing war Martin auch nach Ende des Qualifyings zunächst noch auf P1 zu finden. Die Rennleitung brauchte einige Zeit, ehe sie die Runde strichen, da an dieser Stelle keine technischen Hilfsmittel zum Einsatz kommen. In der MotoGP sind mittlerweile zwar Drucksensoren verlegt, die über Vergehen gegen die Track Limits automatisch informieren. Diese liegen aber stets an der Außenseite von Kurven hinter den Kerbs.

Ein Shortcut an der Innenseite ist zwar ebenso ein klares Vergehen gegen Track Limits, das im Qualifying eine Streichung der Rundenzeit zur Folge hat. Ohne die Hilfe der Sensoren muss die Rennleitung aber auf die Bilder der unterschiedlichen Kameras zugreifen.

Lustige Szene im Parc ferme

Martin durfte am Ende dennoch in den Parc ferme, da er als Vierter bester "Independent Rider" (Fahrer aus einem Nicht-Werksteam) war. Dort scherzte er mit den Top-3 der Session über die gestrichene Fabelzeit. "Das war sehr witzig. Pecco (Bagnaia; Anm.) wusste aber sofort, dass man so eine Zeit hier nicht fahren kann", so Martin.

Für das MotoGP-Rennen in Silverstone rechnet sich der Spanier trotz der verpassten Pole Position gute Chancen aus: "Ich denke, wir können morgen um die Podestplätze kämpfen." In seiner Debütsaison in der Königsklasse hält Jorge Martin trotz einer schweren Verletzung bereits bei einem Sieg und zwei weiteren Podestplätzen.