Anfang Mai machten in MotoGP-Kreisen erstmals Gerüchte die Runde, wonach Pol Espargaro das Interesse von Repsol Honda geweckt habe und seinen langjährigen Arbeitgeber KTM deshalb mit Saisonende verlassen könnte. Ein würdiger Auftakt zur 'Silly Season', schien dieser Transfer doch aus mehreren Gründen sehr unwahrscheinlich.

Zum einen, weil Alex Marquez bislang für Repsol Honda noch kein einziges Rennen bestritten hat. Einem Fahrer in dieser Situation schon wieder den Laufpass zu geben, wäre sogar für die nicht als zimperlich geltende Teamführung rund um Alberto Puig eine brutale Entscheidung. Diese würde sicher auch bei Marc Marquez, der für Honda sechs der letzten sieben MotoGP-Titel gewonnen hat und dem deshalb normalerweise jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird, alles andere als gut ankommen. Außerdem wurde Pol Espargaro in den letzten Jahren zu einer wahren KTM-Ikone. Man konnte davon ausgehen, dass der bald 29-Jährige seine Karriere in Orange beenden würde.

Nun scheint aber tatsächlich alles anders zu kommen. Wie 'Autosport' am Donnerstagabend berichtete, soll es bereits eine mündliche Einigung zwischen Espargaro und Repsol Honda geben. Der Deal sei demnach nur noch Formsache. "Es ist nicht wahr, dass es bereits eine verbale Zusage von Pol gibt", relativiert sein Manager Homer Bosch die Gerüchte gegenüber 'As'. Er bestätigt, dass man sich in Verhandlungen mit Honda befindet, doch auch Ducati und natürlich KTM seien Optionen. "Wir sind nicht mehr weit von einer Entscheidung entfernt, aber noch gibt es keine."

Dementis aus dem Management sind in derartigen Situationen natürlich mit Vorsicht zu genießen. Sie sind de facto die einzige Wahl, die Personen wie Homer Bosch haben. Denn einen noch nicht unterschriebenen Deal als fix zu vermelden, ist gefährlich und richtet sich gegen alle Spielregeln des Transfermarktes. Paddock-Insider sind sich aber bereits sehr sicher: Pol Espargaro wird aller Voraussicht nach 2021 und 2022 Repsol Honda fahren und dort Teamkollege von Marc Marquez, der ja bereits im Winter einen Vertrag bis 2024 unterzeichnete.

Was passiert mit Alex Marquez?

Der wahrscheinliche Wechsel von Espargaro wirft mehrere Fragen auf. Zum einen: Was passiert nun mit Alex Marquez? Der jüngere Bruder von MotoGP-Dominator Marc machte im vergangenen Herbst nach dem vorzeitigen Ausstieg von Jorge Lorenzo bei Repsol Honda etwas überraschend das Rennen. Seither bestritt er zehn offizielle Testtage sowie drei Tage beim Shakedown in Sepang und könnte seinen Job schon vor dem ersten MotoGP-Rennen wieder verlieren.

Dass man ihn bei Honda völlig vor die Tür setzen wird, ist aber nur schwer vorstellbar. Die wahrscheinlichere Variante ist, dass er nach 2020 in die zweite Reihe zum Kundenteam von LCR wechseln muss. Das wiederum würde dort den Abschied von Cal Crutchlow oder Takaaki Nakagami bedeuten. Crutchlow liebäugelte bereits mehrfach mit einem Karriereende. Er ist immerhin 34 Jahre alt und seit seinem schweren Sturz auf Phillip Island 2018 körperlich angeschlagen. Der Brite ist in seinen Entscheidungen aber unberechenbar. Gut möglich, dass er doch noch ein Jahr anhängen will. Teamchef Lucio Cecchinello ist ein großer Verehrer Crutchlows, der für Honda bereits drei MotoGP-Rennen gewonnen hat und ein ganz wichtiger Mann in der Entwicklungsarbeit ist. Teamkollege Takaaki Nakagami wiederum hat Namenssponsor Idemitsu hinter sich, wo man sich einen japanischen Fahrer wünscht. Schwierige Voraussetzungen also für einen Wechsel von Alex Marquez zu LCR.

Bleibt 2020 Alex Marquez' einzige Repsol-Honda-Saison?, Foto: LAT Images
Bleibt 2020 Alex Marquez' einzige Repsol-Honda-Saison?, Foto: LAT Images

Wie geht es bei KTM weiter?

Der große Verlierer der aktuellen Situation könnte KTM sein. Seit dem MotoGP-Einstieg 2017 war Pol Espargaro die fahrerische Führungsfigur des Projekts und erreichte mit dem Podium in Valencia 2018 den ersten Meilenstein für die Österreicher. Ihn nun zu verlieren, wäre ein echter Schock. KTMs übrige MotoGP-Fahrer Brad Binder, Miguel Oliveira und Iker Lecuona kommen aktuell zusammen gerade einmal auf 17 bestrittene Rennen in der Königsklasse. Allzu viele werden 2020 nicht dazu kommen.

KTM braucht also einen erfahrenen und schnellen Mann, um das Projekt voranzutreiben. Doch die sind rar gesät. Marc Marquez, Maverick Vinales oder Alex Rins haben allesamt bereits ihre Verträge für das kommende Jahr unterschrieben. Die letzte Hoffnung KTMs auf einen würdigen Ersatz für Pol Espargaro ist deshalb Andrea Dovizioso. Seit den ersten Gerüchten um Espargaro und Repsol Honda wird Dovizioso mit KTM in Verbindung gebracht.

2020 wird Doviziosos achte Saison für Ducati, Foto: LAT Images
2020 wird Doviziosos achte Saison für Ducati, Foto: LAT Images

Dass es zwischen dem MotoGP-Vizeweltmeister der letzten drei Jahre und seinem Ducati-Team, vor allem Technikguru Gigi Dall'Igna, heftig kriselt, ist ein offenes Geheimnis. Die Verhandlungen zwischen Dovizioso und seinem Arbeitgeber sollen aktuell zum Erliegen gekommen sein. Im finanziellen Bereich gehen die Vorstellungen auseinander. Ein Abschied des 34-Jährigen aus Borgo Panigale in Richtung Munderfing scheint dennoch kaum vorstellbar. Gleiches galt aber bis vor kurzem auch für einen Espargaro-Transfer zu Repsol Honda. "Never say never in MotoGP", pflegte Kommentatorenlegende Nick Harris stets zu sagen...