Marc Marquez in der letzten Kurve die Butter vom Brot zu nehmen - in der MotoGP gibt es aktuell wohl keine süßeren Siege. Nur zwei Wochen nach Andrea Dovizioso gelang am Sonntag in Silverstone Alex Rins dieses Kunststück. Nach einem intelligenten Rennen setzte der Suzuki-Pilot in der Beschleunigungsphase zum Zielstrich hin das entscheidende Manöver.

Groß war daher sein Jubel im Ziel. "Dieses Rennen war total verrückt", gestand Rins in der Pressekonferenz nach dem Rennen. "Ich habe ein paar Fehler gemacht und wäre in der ersten Kurve beinahe gestürzt. Und zwei Runden vor Schluss dachte ich, dass wir schon in der letzten Runde wären. Ich wollte Marc außen über Start/Ziel überholen und habe erst dann bemerkt, dass er noch Vollgas gibt und wohl noch eine Runde zu fahren ist."

Doch Rins hatte das bessere Ende für sich. Um seine Stärke in der Schlusspassage wusste er, das siegbringende Manöver war daher gut geplant: "Ich habe schon bei Rennmitte bemerkt, dass ich in den letzten Kurven einige Zehntel auf ihn aufgeholt habe. Dort war ich einfach stärker als er. In der Beschleunigung ab Kurve 15 konnte ich das gesamte Rennen über Zeit wettmachen."

Rins lässt Marquez vorne verhungern

Marquez schmeckte die Niederlage gar nicht, wie ihm unschwer anzusehen war. Doch nach 18 Führungsrunden war der MotoGP-Weltmeister sowohl mit den Reifen, als auch beim Spritverbrauch am Limit. "In der letzten Kurve hatte ich die Innenbahn und war sehr schnell. Leider haben dort beide Reifen zu rutschen begonnen und dann hast du nur zwei Optionen: Voll draufhalten und gewinnen oder crashen. Dann bin ich auf Nummer sicher gegangen und habe das Gas etwas zugemacht", so Marquez, der zum ersten Mal in seiner Karriere in der Auslaufrunde ohne Sprit ausrollte.

Dem Zielsprint war ein taktisch geführter Zweikampf vorangegangen, in dem Rins Marquez die Führungsarbeit überließ. Das hatte der Champion in dieser Art und Weise nicht geplant. Als er sich mit seinem Anhängsel vom Rest des Feldes abgesetzt hatte, wollte Marquez eigentlich Rins die Führung überlassen, um in dessen Windschatten Sprit zu sparen und Reifen zu schonen. Doch der Suzuki-Fahrer spielte nicht mit.

"Als ich Mitte des Rennens ein wenig vom Gas gegangen bin und mich hinter ihn zurückfallen lassen wollte, ist er noch mehr von Gas gegangen als ich", führte Marquez aus. "Durch diese Spielchen haben wir fast eine Sekunde unseres Vorsprungs eingebüßt und ich sah bereits Maverick herankommen. Da habe ich mir gedacht: Okay, mir geht es jetzt nicht mehr um den Sieg, sondern nur noch um WM-Punkte."

Marquez setzt alles auf eine Karte

So zog Marquez das Tempo an - in dem Wissen, dass sowohl Sprit als auch Reifenqualität im Zielsprint zum Problem werden könnten. "Wenn ich weiter mit ihm gespielt hätte, wären es vielleicht nur 16 Punkte geworden. Ich wusste aber, dass ich 20 oder 25 Punkte hole, wenn ich wieder pushen würde. Deshalb habe ich das Tempo dann wieder angezogen", so Marquez.

Rins konnte das angezogene Tempo ohne Probleme mitgehen und fühlte sich in weiten Teilen der Strecke schneller als Marquez: "Im ersten und zweiten Sektor war ich stärker, vor allem in den schnellen Kurven und Schikanen. Im letzten Sektor war er hingegen viel schneller - bis auf die letzte Kurve. Dort konnte ich immer wieder aufholen, sodass er nie davonziehen konnte. Ich wusste, dass ich nur dort eine Chance habe." Rins schlug Marquez letztlich mit seinen eigenen Waffen, denn in der Vergangenheit wandte er diese Taktik oft erfolgreich an.

Trotz einer neuerliche Niederlage in der letzten Kurve, die Marquez sichtlich wurmte, versuchte er das Positive des Rennens zu sehen: "Rins war am Ende etwas frischer als ich. Ich habe alles versucht, aber es hat nicht gereicht. 20 Punkte mehr Vorsprung in der WM sind aber sehr gut für uns, auch wenn ich es sehr bedauere, was Dovi heute passiert ist. Ich hoffe, es geht ihm gut", so Marquez. Sein schärfster Rivale um den Titel war ausgangs der ersten Kurve von Fabio Quartararo von der Strecke geschossen worden und musste danach mit Gehirnerschütterung in ein nahegelegenes Krankenhaus.

Am Sonntagabend konnte Dovizioso aber bereits die Heimreise antreten. In der WM-Wertung hat er allerdings schon 78 Punkte Rückstand - umgerechnet mehr als drei Siege, womit Marquez seine Führung bis mindestens Mitte Oktober schon jetzt gesichert hat. Angesichts dieser Tatsache dürfte die Niederlage gegen Rins verdaulicher werden.