Nach nur zehn MotoGP-Rennen mit KTM hatte Johann Zarco genug. Er sah mit der RC16 kein Licht am Ende des Tunnels und bat deshalb am Samstagabend des Österreich-Grand-Prix die KTM-Führungsebene um eine vorzeitige Auflösung des eigentlich bis Ende 2020 dauernden Vertrages. Motorsportdirektor Pit Beirer und Co. stimmten dem zu, Zarco wird KTM noch dieses Jahr verlassen.

Ein Spitzenpilot, der ein MotoGP-Werksteam vorzeitig verlässt, ohne eine Alternative parat zu haben? Das gab es in der modernen Ära überhaupt noch nie. Was aber nicht bedeutet, dass es nicht schon einmal passieren hätte können. Das verriet Valentino Rossi in Silverstone, als er auf die Trennung zwischen KTM und Zarco angesprochen wurde.

Rossi musste in seiner unglaublich erfolgreichen Karriere ja selbst zwei ganz schwierige Jahre mit Ducati wegstecken, in denen er ohne Sieg blieb und in 35 Rennen nur drei Mal auf dem Podium stand. Da dachte Rossi ebenfalls über eine Flucht nach. "Ich habe mich bei Ducati damals ganz ähnlich gefühlt", gestand er. "Die Erwartungen waren groß - von außen, von Ducati und auch von mir selbst. Ich wollte gewinnen, aber mir hat einfach das Gefühl für das Motorrad gefehlt, vor allem für das Vorderrad - ähnlich also wohl wie bei Zarco."

Valentino Rossi: Eine harte Situation

Rossi gewährte einen Einblick in die Gefühlswelt eines plötzlich strauchelnden Motorradstars: "In so einer Situation zu sein, ist wirklich hart. Du verlierst die Motivation, hast keinen Spaß mehr am Motorradfahren und glaubst nicht mehr an dich selbst. Dann wird alles viel anstrengender: die Reisen, die Arbeit mit den Medien. Man schläft auch schlecht. Als ich bei Ducati war, habe ich oft darüber nachgedacht, einfach hinzuschmeißen. Es war aber eine gute Entscheidung, nicht aufzugeben, denn dann hätte es mir passieren können, dass ich keinen Platz für das nächste Jahr bekomme und dann ist man ganz schnell raus aus der MotoGP."

Das KTM-Abenteuer wurde für Zarco zum Albtraum, Foto: KTM
Das KTM-Abenteuer wurde für Zarco zum Albtraum, Foto: KTM

Rossi stand stattdessen die zwei Jahre mit Ducati aus und kehrte 2013 zu Yamaha und damit zum Erfolg zurück. Seither hat er zehn MotoGP-Rennen gewonnen und verpasste 2015 seinen zehnten Weltmeistertitel nur ganz knapp. Zarco entschied sich nun für die andere Variante und warf bei KTM hin, ohne einen Plan B zu haben. "Als ich von der Trennung zwischen Zarco und KTM gehört habe, dachte ich zunächst, dass er eine andere Möglichkeit für 2020 hat. Dem ist aber anscheinend nicht so", zeigte sich Rossi verwundert. "Damit befindet er sich natürlich in einer schwierigen Saison, aber das muss jeder für sich wissen. Es ist seine Entscheidung. Ich denke, er wird bald wieder auf einem guten Motorrad sitzen."

Cal Crutchlow: Hatte anderes Angebot

Auch Cal Crutchlow machte bei Ducati eine schwierige Zeit durch und löste, wie nun Zarco, seinen Vertrag vorzeitig auf. "Als ich Ducati verlassen habe, war die Situation aber anders, denn ich hatte ein Angebot eines anderen Teams vorliegen", stellt er klar. Crutchlow wechselte für die Saison 2015 zu LCR Honda, wo er in den folgenden Jahren drei Rennen gewann. "Ich habe mir und Ducati einen Gefallen getan. Johann ist jetzt aber an einem schwierigen Punkt in seiner Karriere. Wir wissen, wie talentiert er ist. Er ist ein sehr schneller Pilot - ein echter Champion. Wenn ein Fahrer wie er sein Team verlässt, ohne eine Alternative zu haben, dann zeigt das, wie verzweifelt er war. Ich verstehe seine Entscheidung aber. Wenn du keinen Spaß hast, dann wird so eine MotoGP-Saison richtig lang und hart. Hoffentlich findet er wieder etwas, das ihm Spaß macht."