Stinksauer marschierte Cal Crutchlow nach dem MotoGP-Rennen von Argentinien zu Chef-Steward Freddie Spencer, um ihm gehörig die Meinung zu geigen. Eine lautstarke Diskussion soll es anschließend gegeben haben, geändert hat das aber freilich nichts an der Entscheidung der FIM-Stewards. Sie hatten Crutchlow in Termas de Rio Honda für einen Frühstart mit einer Ride-Through-Penalty bestraft.

Zugegeben, die Strafe schien hart. 25 Sekunden verlor Crutchlow bei seiner Boxendurchfahrt in etwa, gewonnen hatte er am Start vielleicht ein paar Hundertstel. Im Argentinien-GP machten diese 25 Sekunden den Unterschied aus zwischen Rang 13, den Crutchlow am Ende einfuhr, und Rang zwei, den er ohne die Strafe wahrscheinlich geholt hätte. Beim Saisonauftakt in Katar hätte eine derartige Strafe sogar Sieger Dovizioso aus den Punkterängen befördert.

In der 2019 so eng zusammengerückten MotoGP sind Strafen in der Größenordnung von 25 Sekunden eine Welt. Und doch macht gerade die Ausgeglichenheit des Feldes ein derart rigoroses Durchgreifen nötig. Wenn Rennen durch wenige Tausendstelsekunden entschieden werden, muss jeder illegal erarbeitete Vorteil bestraft werden. Und sei er auch noch so klein. Alles andere wäre nicht im Sinne des Sports.

Kein Hausverstand im Regelbuch

Chef-Steward Freddie Spencer und seine Kollegen mussten sich den Vorwurf gefallen lassen, in Argentinien nicht mit Hausverstand gehandelt zu haben. Es gab aber für sie gar keine Möglichkeit, Hausverstand walten zu lassen. Wenn sich ein Fahrer vor dem Erlöschen der roten Ampel bewegt und nicht mehr anhält, ist er mit einer Ride-Through-Penalty zu bestrafen. So will es das Reglement und genau so wurde es gemacht. Das Regelbuch ist für die Stewards der MotoGP ihr wichtigstes Arbeitsmittel. Setzen sie sich darüber hinweg, nehmen sie sich ihre eigene Daseinsberechtigung.

Freddie Spencer steht schon nach zwei Rennen in der Kritik, Foto: Milagro
Freddie Spencer steht schon nach zwei Rennen in der Kritik, Foto: Milagro

Crutchlows LCR-Honda-Teamchef Lucio Cecchinello forderte nach dem Argentinien-Rennen sogar eine Regeländerung für Startvergehen, von vielen Seiten wurde miteingestimmt. Verwarnungen, geringe Zeitstrafen oder das Durchfahren der 2019 neuen Long-Lap-Penalty wurden ins Spiel gebracht. Allesamt Strafen, die dem erzielbaren Vorteil bei einem Fehlstart eher entsprechen würden als eine Ride-Through-Penalty.

Darum geht es aber nicht. Die Strafe für einen Frühstart muss abschrecken. Tut sie das nicht, werden in Zukunft alle Fahrer einen Jump-Start riskieren. Wenn dann nach den ersten Rennrunden Bestrafungen für die Hälfte des Fahrerfeldes eintrudeln und der Grand Prix zur Farce wird, ist auch niemandem geholfen.

MotoGP-Analyse: Marquez wie von einem anderen Stern: (22:24 Min.)

'Worst Case' subjektive Entscheidung

Andere Forderungen zielen wiederum darauf ab, dass die Stewards darüber entscheiden sollten, ob beim Start ein unerlaubter Vorteil gewonnen wurde. Strafen sollten sie auf Grundlage dieser Einschätzung aussprechen. Eine derartige Entscheidung wird aber immer subjektiv bleiben und somit nie fair sein. Stellen wir uns vor, die persönliche Meinung der Stewards zu einem Rennstart würde die Weltmeisterschaft entscheiden. Ein Desaster! Eines, das sich aber leicht verhindern lässt. Indem man die aktuelle Regelung beibehält.