Zunächst lief für Jorge Lorenzo im MotoGP-Rennen von Misano nach Plan. Von der Pole Position gestartet konnte er in der Startphase seine Führung verteidigen. Gelingt ihm das, ist Lorenzo normalerweise kaum zu schlagen, spult seine Runden an der Spitze wie ein Schweizer Uhrwerk ab und kontrolliert das Rennen so souverän.

Doch nicht so an diesem Sonntag am Misano World Circuit Marco Simoncelli. In Runde sechs ging nämlich Ducati-Teamkollege Andrea Dovizioso an ihm vorbei und übernahm die Führung. Zu diesem Zeitpunkt lief für Lorenzo aber immer noch alles nach Plan. Er konzentrierte sich darauf, seine Reifen zu schonen, um dann im Finale des Rennens eine Attacke zu reiten. "Ich habe nicht wirklich gepusht, bin vielleicht 90 Prozent gefahren und wollte dann immer schneller werden, wenn Dovis Pace nachlässt", erklärte Lorenzo am Sonntagabend seine Strategie.

Lorenzo jagt Dovizioso im Finale

Und tatsächlich fielen Doviziosos Rundenzeiten in der Schlussphase verglichen mit denen von Lorenzo deutlich ab. Von dem Moment, als sich Lorenzo, der zwischenzeitlich auf Rang drei hinter Marc Marquez zurückgefallen war, in Runde 19 wieder Platz zwei geholt hatte, machte er rasant Boden auf Dovizioso gut. Bis zum 25. von 27 Umläufen verkleinerte Lorenzo seinen Rückstand von 2,5 auf knapp 1,4 Sekunden, fuhr unter anderem in Runde 23 seine schnellste Rennrunde.

Im vorletzten Umlauf rutschte Lorenzo dann aber in Kurve acht über das Vorderrad weg und begrub seine Hoffnungen auf den Sieg im Kiesbett. Er hatte zu viel riskiert, wie er selbst bestätigte. "Es war vielleicht ein Grad mehr Schräglage und etwas mehr Bremsdruck in maximaler Schräglage, aber das hat gereicht", stellte er fest.

Lorenzo war aber überzeugt, er hätte das Rennen gewinnen können, wäre er nicht von Lap 14 bis 19 von Marquez gebremst worden. Der Repsol-Honda-Pilot konnte an Lorenzo vorbeigehen, als dem in Kurve acht ein Fehler unterlief. Marquez hatte aber nicht die Pace wie Lorenzo - oder auch Dovizioso - und fungierte somit als Puffer zwischen den beiden Ducatis. Denn auf der Bremse war Marquez derart stark, dass Lorenzo nicht an ihm vorbeigehen konnte, obwohl er generell schneller war.

Das untermauern die Zahlen zum Rennen. Nach seiner Führungsübernahme in Lap 6 konnte Dovizioso in acht Runden nur 1,1 Sekunden auf Lorenzo herausfahren. Als dieser hinter Marquez zurückfiel, waren es plötzlich 1,4 Sekunden in fünf Runden. Mit Lorenzo auf P2 konnte Dovizioso seinen Verfolgern also nur 0,138 Sekunden pro Runde abnehmen, mit Marquez auf P2 hingegen 0,28 Sekunden.

Dass Marquez Lorenzo einbremste ist also nicht nur eine subjektive Einschätzung des Ducati-Stars, sondern ein Fakt. Marquez wusste, dass er an diesem Sonntag in Misano Dovizioso nicht im Kampf um den Sieg fordern konnte und versuchte stattdessen alles, um mit Platz zwei bestmögliche Schadensbegrenzung zu betreiben. Das sah Lorenzo so und das gab Marquez auch in der Pressekonferenz direkt nach dem Rennen zu.

Fazit

Marquez kostete Lorenzo im Kampf gegen Dovizioso wertvolle Zeit. Hätte sich JL99 nicht mit seinem spanischen Landsmann duellieren müssen, wäre er in der Schlussphase mit Sicherheit näher an Dovizioso dran gewesen und hätte diesen vielleicht sogar noch angreifen können. Ein Lorenzo-Sieg war also möglich, auch, weil Dovizioso laut eigenen Aussagen mit den Reifen am Limit war und bis zu Lorenzos Sturz großes Risiko gehen musste. Verantwortlich für den verpassten Sieg ist am Ende aber nur Lorenzo selbst, denn er fiel durch seinen eigenen Fehler überhaupt erst hinter Marquez zurück. Das musste er zum Abschluss seiner sonntäglichen Presserunde selbst zugeben: "Es ist meine Schuld. Ich hätte einfach schneller sein müssen, dann wäre es gar nie zum Kampf mit Marc gekommen. Dovi ist heute perfekt gefahren, mir ist das nicht gelungen. Vielleicht im nächsten Rennen."