An ein extrem ausgeglichenes Feld hat man sich in der MotoGP mittlerweile gewöhnt. Was sich an diesem Wochenende in Assen abspielt, ist aber sogar für die Königsklasse des Motorradsports außergewöhnlich. Bei den vier Trainingssitzungen lagen in der Endabrechnung immer zwischen zwölf und 16 Fahrer innerhalb einer Sekunde, im Qualifying trennten die Top-Ten nur 0,376 Sekunden.

Q2 in Assen wurde zu einem wahren Spektakel. Im Wissen, dass wenige Tausendstelsekunden über mehrere Startpositionen entscheiden können, formierte sich ein großer Pulk, in dem sich die Fahrer gegenseitig Windschatten spendierten. Szenen, wie man sie sonst nur aus der Moto3 kennt. "Es war ein eigenartiges Qualifying", stellte der zweitplatzierte Cal Crutchlow fest. "Aber wenn alle Fahrer so eng beisammen liegen, will man natürlich jeden kleinen Vorteil nützen."

Nur wenige Piloten versuchten es am Ende auf eigene Faust und wurden dafür prompt bestraft. Bestes Beispiel: Jorge Lorenzo. 55 Sekunden vor Ende von Q2 stand er auf der provisorischen Pole Position. Am Ende wurde er Zehnter. "Ich dachte, man hat mir eine Rundenzeit gestrichen", war der Ducati-Pilot fassungslos. "In dieser Gruppe hatten die Fahrer genau die richtigen Abstände zueinander und haben das perfekt genützt."

Marquez und Co. erwarten spektakulären GP

Nach den extrem engen Trainings und dem packenden Qualifying rechnen die Piloten nun auch mit einem dramatischen Rennen. "Ich gehe davon aus, dass sich eine große Gruppe bilden wird", vermutet Marc Marquez. "Es wird kaum möglich sein, das Rennen über längere Zeit anzuführen." Zustimmung erhält er von Cal Crutchlow: "Im Rennen wird es wohl ähnlich wie im Qualifying sein. Das ist schön für die Fans, weniger für uns Fahrer. Wir lieben es gegeneinander zu kämpfen, aber nicht wenn die Gruppe zehn oder zwölf Mann groß ist."

Marquez wird hart um den Sieg kämpfen müssen, Foto: HRC
Marquez wird hart um den Sieg kämpfen müssen, Foto: HRC

Für die extreme Ausgeglichenheit in der aktuellen MotoGP gibt es viele Faktoren. Die Einführung der Einheitselektronik hat viel dazu beigetragen. Die größten Hersteller wie Honda oder Yamaha können sich seither in diesem Bereich durch Investitionen in Millionenhöhe keinen Vorteil mehr erarbeiten.

Valentino Rossis Theorie zur modernen MotoGP

Ein Mann, der noch ganz andere Zeiten in der Königsklasse miterlebte, sieht noch andere Gründe. Valentino Rossi dominierte die MotoGP über Jahre hinweg nach Belieben, fuhr in Zeiten, als im Normalfall nur vier Piloten siegfähig waren. "Im Vergleich zu vor 15 Jahren ist alles viel professioneller geworden. Deshalb liegt alles so eng beisammen", glaubt er. "Die Hersteller, Teams, aber vor allem die Fahrer arbeiten an jedem noch so kleinen Detail. In der Vergangenheit war das Fahren viel romantischer. Du bist einfach gefahren und hast dich auf dein Gefühl verlassen. Jetzt musst du jede Kurve exakt erarbeiten. Das macht es für uns Fahrer vielleicht weniger schön, aber es ist großartig für die MotoGP."