Wie schon vor zwei Wochen in Katar wird der Grand Prix von Argentinien der MotoGP eine Fahrt ins Ungewisse. Nicht aber, weil es das erste Rennen nach tiefgreifenden Regeländerungen darstellt, sondern weil Wetterkapriolen eine entscheidende Rolle spielen könnten. Doch dass der Wetter-Bericht nicht immer eintreffen muss, hat der Samstag gezeigt, für den schon schwere Gewitter vorhergesagt wurden. Letztlich blieb es trocken, und erste Tendenzen, wohin die Reise gehen könnte im Falle eines Trockenrennens, waren erkennbar. Die Analyse der Trainings:

MotoGP: Die Favoriten für Argentinien

Marc Marquez: Kein Zweifel: Nach den bisher gezeigten Leistungen ist Marc Marquez der große Favorit auf den Sieg in Argentinien. Drei der vier freien Trainings führte der Weltmeister von 2013 und 2014 an. War der Vorsprung auf den Zweitplatzierten im FP2 (Pedrosa) und im FP3 (Lorenzo) noch knapp, so machte Marquez spätestens im fürs Rennen so wichtige vierte freie Training seine Ambitionen deutlich: Bestzeit mit acht Zehntel vor dem nächsten Fahrer, Andrea Iannone! Im Qualifying folgte die unangefochtene Pole-Position. Bemerkenswert dabei: Die Bestzeit schüttelte Marquez bereits in seinem allerersten schnellen Umlauf aus dem Ärmel!

Am allermeisten aber beeindruckte Marquez' Leistung im vierten Training. Der Repsol-Honda-Pilot war in der Lage, konstant niedrige 1:40er-Zeiten zu gehen, sogar mit Ausreißern in die hohen 39er-Zeiten. Legt man den Schnitt der gezeiteten Runden zugrunde, distanziert Marquez seine direkten Verfolger um beinahe eine Sekunde pro Runde! Trotz aller Motoren-, Elektronik- und Reifenprobleme geht die Honda RC213V in Termas de Rio Hondo wie die Feuerwehr! Sollte Marquez im Rennen fehlerfrei bleiben und es keinen Wetterumschwung geben, geht der Sieg nur über ihn. Dass er immer noch sturzanfällig ist, hat er auch an diesem Wochenende wieder unter Beweis gestellt.

Bisher grüßte Marquez fast immer von der Spitze in Argentinien, Foto: HRC
Bisher grüßte Marquez fast immer von der Spitze in Argentinien, Foto: HRC

Dani Pedrosa: Der Aufschwung bei Honda in Argentinien scheint auch Dani Pedrosa zu beflügeln. Der Katalane kommt mit seinem Arbeitsgerät wesentlich besser zurecht als noch in Katar, was sich auch in den Trainingspositionen widerspiegelt. Nach den Rängen zwei, sechs und fünf in den Trainingssessions zwei bis vier ließ Pedrosa im Qualifying Startposition vier folgen.

Generell präsentierte Pedrosa eine vielversprechende Pace an diesem Wochenende, das wird bei einem Blick auf die Longruns deutlich. Im FP4 legte der zweite Repsol-Honda-Fahrer regelmäßig mittlere bis tiefe 41er-Zeiten hin, gelegentlich sprang sogar eine hohe 40er-Zeit für Pedrosa heraus. Der Abstand zu Marquez ist natürlich groß, aber verglichen mit der restlichen Konkurrenz ist Pedrosa damit absolut auf Augenhöhe.

Valentino Rossi und Jorge Lorenzo: Neben Pedrosa kommt naturgemäß auch das Yamaha-Duo für eine Fahrt auf das MotoGP-Podest infrage. Doch die Stimmung im Yamaha-Lager könnte unterschiedlicher kaum sein. Valentino Rossi befindet sich im Aufwind, schlug Jorge Lorenzo sogar im Qualifying - eigentlich keine Paradedisziplin des Altmeisters. Aber auch in Sachen Longrun-Pace liegt Rossi knapp vorn, und zum Rennsonntag hin kann der Doktor bekanntlich immer noch ein paar Briketts drauflegen. Mit niedrigen 41ern und tiefen 40ern befindet sich Rossi auf Augenhöhe mit Pedrosa.

Lorenzo hingegen kann mit dem bisherigen Verlauf des Argentinien-Wochenendes nicht zufrieden sein. Vom Teamkollegen im Qualifying besiegt, Sturz in FP4, nur Platz 14 nach zwei freien Trainings, sodass das FP3 schon zur Zitterpartie wurde, auch wenn er sich hier mit der zweitbesten Zeit sehr gut aus der Affäre gezogen hat. Fakt ist: Die Dominanz aus Katar ist dahin, selbst im Kampf um einen Podiumsplatz muss sich Lorenzo strecken. Nicht nur Rossi und Pedrosa, sondern auch Dovizioso und Iannone werden Lorenzo das Leben schwer machen. Im FP4 waren Pedrosa, Rossi und Iannone minimal schneller in den Longruns als Lorenzo, Dovizioso lag auf einem Level mit ihm.

Rossi hatte bislang mehr Grund zur Freude als Lorenzo, Foto: Milagro
Rossi hatte bislang mehr Grund zur Freude als Lorenzo, Foto: Milagro

Andrea Iannone und Andrea Dovizioso: Womit wir beim nächsten Podiums-Kandidat wären: Ducati. Andrea Iannone und Andrea Dovizioso sind im Kampf um die vorderen Positionen auch in Argentinien nicht zu verachten. Auf der einen Kilometer langen Geraden zwischen Turn 4 und 5 kommt Beiden natürlich wieder die unfassbare Power der Ducati entgegen. Doch auch sonst haben die Roten in Termas de Rio Hondo einiges zu bieten. Gerade mit Iannone muss im Rennen am Sonntag gerechnet werden. Die Scharte vom Freitag, als er nur auf Platz 15 der kombinierten Zeitenliste lag, hat der Maniac am Samstag wieder mehr als wettgemacht mit Platz drei im FP3 sowie Rang zwei im FP4 und Rang sechs im Qualifying.

Doch nicht nur die nackten Ergebnisse verleihen Iannone Zuversicht, sondern auch eine Longrun-Pace im FP4, die auf einem Niveau mit Pedrosa und Rossi liegt. Teamkollege Dovizioso war an diesem Wochenende gar der einzige Fahrer neben Marquez, der eine Bestzeit für sich verbuchen konnte, wenn auch im wegen der Bedingungen nicht aussagekräftigen FP1. Im FP4 wurde Dovizioso Sechster, doch schon hier deutete er eine mit fortschreitender Dauer immer stärker werdende Pace im Longrun an. Gegen Rennende könnte daher Doviziosos große Stunde schlagen im Fight um die vorderen Platzierungen. Mit Startplatz fünf bezwang er im Qualifying zudem Teamkollege Iannone.

Der Schnitt aus den fünf schnellsten Runden der Top-Fahrer im FP4

Pos.FahrerTeamZeitRückstand
1.Marc MarquezRepsol Honda1:40.356
2.Valentino RossiMovistar Yamaha1:41.0000.644
3.Dani PedrosaRepsol Honda1:41.0360.680
4.Andrea IannoneDucati1:41.1180.762
5.Jorge LorenzoMovistar Yamaha1:41.3510.995

Maverick Vinales: Permanent auf den vorderen Plätzen tauchte auch am Argentinien-Wochenende Maverick Vinales auf. Der Suzuki-Rohdiamant etabliert sich langsam aber sicher in der Spitzengruppe, was die Positionen drei, fünf und acht in den freien Trainings zwei bis vier unterstreichen. Im Qualifying wurde Vinales Siebter, er war der letzte mit weniger als einer Sekunde Rückstand auf Marquez. Der Anschluss an das Top-Sextett ist für den Suzuki-Youngster also weiterhin vorhanden.

Doch dass für Vinales an diesem Wochenende mehr als nur die Zuschauerrolle beim Kampf der Top-6 drin sein könnte, dieser Eindruck drängte sich im FP4 nicht unbedingt auf. In Sachen Longrun-Pace zeigt sich, dass die Suzuki GSX-RR immer noch nicht reif ist, um den Sprung in die absolute Spitzengruppe zu vollziehen. Doch für den Titel "Best of the rest" befindet sich Vinales in der Pole-Position. Mit Blick auf die Zeiten im FP4 könnten ihm hier die Kunden-Hondas von Cal Crutchlow und Jack Miller sowie Scott Redding auf der Pramac-Ducati am gefährlichsten werden.

Rossi oder Marquez - die Redakteure sehen einen dieser Beiden am Ende vorne, Foto: Repsol Media
Rossi oder Marquez - die Redakteure sehen einen dieser Beiden am Ende vorne, Foto: Repsol Media

Argentinien-GP: Die Tipps der Redaktion

Andrea Blendl: Es ist schwierig, eine Prognose abzugeben, weil immer noch unklar ist, ob es zum Rennen nun regnet oder nicht. Ich tippe aber darauf, dass der argentinische Wettergott Rossi-Fan ist und es regnen lässt. Bei schwierigsten Bedingungen zeigt der Altmeister dann, was er kann, und holt sich den Sieg. Marquez versucht, sich zu wehren, und fliegt genau wie Lorenzo auf die Nase. Zweiter wird ein besonnen agierender Pedrosa vor dem erstarkten Regenfan Crutchlow, dessen Elektronik diesmal weiß, wo er gerade fährt. Die Ducatis werden bei Regen noch mehr Gripprobleme als im Trockenen haben. Außerdem tippe ich, dass es viele Ausfälle gibt und Bradl seine ersten WM-Punkte diese Saison holt.

Andreas Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Pedrosa, 3. Crutchlow

Tobias Ebner: Es kann eigentlich nur Einen geben: Marc Marquez nämlich. Unterläuft ihm kein Fehler in Form eines Sturzes, so ist ihm der Sieg wohl kaum zu nehmen, trotz der verschriebenen neuen Hinterreifen. Zu groß war seine Dominanz an diesem Wochenende bisher. Sehr viel Spannung verspricht jedoch der Kampf um die Plätze dahinter. Rossi, Lorenzo, Pedrosa, Dovizioso und Iannone liegen praktisch auf einem Level. Wegen seines Rufes als Sonntagsfahrer sehe ich Rossi als Sieger in diesem erbarmungslosen Fünfkampf, der bis zum bitteren Ende geführt werden wird. Auf Platz drei sehe ich eine Ducati, während Jorge Lorenzo nach den bisherigen Problemen vor allen Dingen Schadensbegrenzung betreiben und einen Sturz vermeiden möchte.

Tobias' Top-3-Tipp: 1. Marquez, 2. Rossi, 3. Iannone

Michael Höller: Nie war ein Rennausgang unvorhersehbarer. Alle bisher gesammelten Eindrücke sind wegen der neuen Reifen hinfällig. Damit wird sich der anpassungsfähigste durchsetzen. Das ist in diesem Fall Valentino Rossi, der sich einen Kampf mit dem "Meister des Slides", Marc Marquez, liefern wird. Für Jorge Lorenzo sehe ich schwarz, denn rasch anpassungsfähig war der Champion noch nie. Daher holt Dani Pedrosa sein erstes Podium der Saison.

Michaels Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Marquez, 3. Pedrosa

Sophie Riga: Nach seinen unglaublichen Leistungen in den Trainings-Sessions und im Qualifying tippe ich auf Marc Marquez als Rennsieger in Argentinien. Nicht zuletzt deshalb, weil der Spanier seinen Sturz vom Vorjahr sicher wieder gutmachen will. Auf den zweiten Rang setzte ich Valentino Rossi. Der Doktor hatte nicht ganz so viele Probleme wie Teamkollege Jorge Lorenzo und crashte im Gegensatz zu den meisten anderen Fahrern am Wochenende nicht. Trotzdem wird Lorenzo Dritter, sollte das Wetter nicht dazwischenfunken.

Sophies Top-3-Tipp: 1. Marquez, 2. Rossi, 3. Lorenzo

Markus Zörweg: Valentino Rossi holt sich den Sieg in Argentinien! In einem packenden Dreikampf mit Jorge Lorenzo und Marc Marquez über die gesamte Renndistanz spielt der Altmeister seine volle Erfahrung aus. Er kommt mit dem neuen Hinterreifen von Michelin am besten zurecht und lässt den beiden Spaniern in der Schlussphase keine Chance. Marquez sichert sich Rang zwei, Lorenzo muss ich dieses Mal mit dem dritten Platz zufrieden geben.

Markus' Top-3-Tipp: 1. Rossi, 2. Marquez, 3. Lorenzo