Aktuell ist die Yamaha M1 unbestritten das beste Motorrad der MotoGP-Klasse. Das bedeutet aber nicht, dass sich die japanischen Ingenieure nicht doch auch bei der Konkurrenz nach der ein oder anderen Verbesserungsmöglichkeit umsehen. Fündig geworden zu sein scheint man bei Ducati und seiner GP15. Die Truppe rund um Technikguru Gigi Dall'Igna sorgte schon bei den Testfahrten vor Saisonbeginn für Aufregung, als an der seitlichen Verkleidung des Bikes kleine Flügel montiert wurden, die das Fahrverhalten verbessern sollten. Die sogenannten Winglets sind bis heute geblieben und nun tauchten sie in Misano auch an der Yamaha M1 auf.

Was die Form betrifft gleichen sie den Vorbildern bei Ducati massiv. In einem leichten Bogen ziehen sich die Flügel nach unten, am Ende sorgt eine Art Leitblech für den idealen Luftstrom. Völlig anders ist jedoch die Position, an der die Winglets bei Yamaha montiert werden. Während sie bei Ducati links und rechts des Motors liegen, wurde an der M1 die Front des Motorrads, direkt neben dem Lufteinlass, als ideale Stelle auserkoren.

Lorenzo fuhr in einem Run am Nachmittag mit den Flügeln (hier durch rote Pfeile gekennzeichnet), Foto: Tobias Linke/Motorsport-Magazin.com
Lorenzo fuhr in einem Run am Nachmittag mit den Flügeln (hier durch rote Pfeile gekennzeichnet), Foto: Tobias Linke/Motorsport-Magazin.com

Anderes Konzept, selber Plan

Die Idee ist freilich die gleiche. Die Flügel sollen für mehr Bodenhaftung am Vorderrad sorgen, was wiederum das Verhalten beim Anbremsen und in der Einlenkphase verbessern soll. Getestet wurden die Winglets von Lorenzo und Rossi erstmals beim Privattest in Aragon, direkt nach dem Silverstone-Wochenende. In Misano probiert bisher nur der Spanier die neuen Teile. "Ich wollte sie auch unbedingt hier einmal verwenden, um zu sehen, ob es ein Vorteil ist", erklärte Lorenzo. "Im Moment sind wir uns noch nicht sicher, ob das der Fall ist. Wir müssen noch die Telemetrie überprüfen, aber allzu groß kann der Unterschied nicht sein, sonst hätte ich das schon in der ersten Runde gemerkt." Tüftler Lorenzo gibt aber zu bedenken, dass im unglaublich engen Titelkampf gegen Valentino Rossi Details entscheiden werden: "Auch ein kleiner Vorteil bringt da etwas."

Die große Frage ist nun also, ob sich auch Valentino Rossi an die Winglets heranwagen wird. "Es ist gut möglich, dass ich es ausprobiere", meinte der Weltmeisterschaftsführenden am Freitagabend. "Mein erstes Gefühl damit bei den Testfahrten war nicht so schlecht." Auch Rossi denkt an einen möglichen, wenn auch minimalen, Vorteil. "Es hat mir in Aragon ein bisschen geholfen und das kann den feinen Unterschied ausmachen."

Zum Vergleich: Ducatis GP15 trägt die Flügel deutlich tiefer, Foto: Ducati
Zum Vergleich: Ducatis GP15 trägt die Flügel deutlich tiefer, Foto: Ducati

Yamaha-Konzept aus Prä-MotoGP-Ära

Ob sich die Winglets bei Yamaha durchsetzen ist also noch unklar. Es ist auf jeden Fall nicht das erste Mal, dass die Marke mit solchen Flügeln experimentiert. Schon 1999, also noch zu 500ccm-Zeiten, waren an der damaligen Yamaha YZR500, Winglets zu sehen. Die damals von Carlos Checa und Max Biaggi pilotierte Maschine trug sie an ähnlicher Position wie aktuell die Ducati GP15. In der kommenden Saison verschwanden die Flügel wieder, wohl aufgrund ausbleibenden Erfolgs. Biaggi konnte 1999 nur einen Sieg feiern, Checa ging gar leer aus. 16 Jahre später wagt man nun also den zweiten Anlauf.