Nicht weniger als 231 Seiten umfasst das sportliche Reglement der Motorrad-Weltmeisterschaft. Viel Raum, um als Fahrer oder Team über irgendeinen Paragraphen zu stolpern und sich so eine Strafe einzufangen. Passiert ist das schon so gut wie jedem großen Namen im MotoGP-Paddock, auch Valentino Rossi. Nun sorgte der Yamaha-Pilot für die ein oder andere gehobene Augenbraue, nachdem er Bilder von sich beim Training mit einer R1 in Misano auf diversen sozialen Netzwerken veröffentlichte. So mancher wunderte sich, ob es denn wohl den Regularien entsprechen würde, auf einer im MotoGP-Kalender befindlichen Strecke mit einem Motorrad zu testen.

Die grundsätzliche Antwort darauf? Jein. In diesem Fall aber ein klares 'Ja'. Warum das so ist? Rossi nutzt für sein Training in Misano eine serienmäßige Yamaha R1, wie es in Paragraph 1.15.1c.ii. verlangt wird. Auch geringfügige Änderungen wären erlaubt, müssten aber zuerst vom technischen Direktor abgenommen werden. Des Weiteren hält sich Rossi an das zeitliche Testverbot auf im Kalender befindlichen Strecken. Zwei Wochen vor einem Grand-Prix-Event darf hier nicht mehr gefahren, es sei denn es gibt eine ausdrückliche Erlaubnis der Rennleitung.

Alles in Ordnung

Rossi befindet sich also regeltechnisch vollkommen im grünen Bereich und machte auch nie ein Geheimnis aus den Sessions auf der nur wenige Kilometer von seiner Heimatgemeinde Tavullia entfernten Strecke. "Ich fahre viel in Misano", so der Altmeister. Vor allem mit den Nachwuchspiloten der VR46 Academy spult er dort zahlreiche Runden ab. "Wir haben einen Deal mit den Streckenbetreibern, um den Jungs aus der Akademie dort eine Trainingsmöglichkeit zu bieten."

Einen wirklichen Vorteil gegenüber seinen MotoGP-Konkurrenten könne er sich dabei aber nicht erarbeiten, beruhigt Rossi: "Die R1 ist ein fantastisches Motorrad, aber dennoch völlig anders als die M1. Das gilt für alle Bereiche. Egal ob es um die Linienwahl oder das Bremsen geht, man kann die zwei Bikes einfach nicht miteinander vergleichen." Tatsächlich ist der Unterschied zwischen den beiden Maschinen gewaltig, auch wenn die R1 derzeit Yamahas stärkstes Straßenmotorrad ist. Rund 70 Pferdestärken fehlen ihr auf die MotoGP-M1, hinzu kommt ein um gut 40 Kilogramm höheres Gewicht sowie das Fehlen von Carbonbremsen und anderen für die extreme Performance der Prototypen verantwortlichen Teilen.

Es geht in erster Linie um körperliches Training", erläutert Rossi. "Das mache ich einfach anstatt Motocross oder Dirt-Track. Vor allem bei der großen Hitze jetzt im Sommer bringt das ziemlich viel für mich." Rossi tut gut daran, seine körperliche Fitness nicht dem Zufall zu überlassen, immerhin ist der neunfache Weltmeister mittlerweile 36 Jahre alt. Teamkollege Jorge Lorenzo hat acht Lenze weniger auf dem Buckel, Marc Marquez ist gar um 14 Jahre jünger. Altersunterschiede, die nicht zu vernachlässigen sind.