Lorenzo-Land Le Mans! Mit einem Muster an Konstanz, Dominanz und verrücktem Speed sicherte sich der Yamaha-Star seinen zweiten MotoGP-Sieg in Serie, meldete sich im Kampf um die Weltmeisterschaft eindrucksvoll zurück. Bereits nach zwei Kurven lag der Spanier am Sonntag vorne, fuhr fortan bis ins Ziel ein einsames Rennen.

Langeweile in Le Mans? Weit gefehlt! Valentino Rossi sorgte mit einer weiteren seiner spektakulären Aufholjagden im Rennen für Furore, verteidigte mit Rang zwei von Startplatz sieben souverän seine WM-Führung. Dahinter bewies Andrea Dovizioso mit Platz drei, dass sein neunter Rang aus Jerez wohl nur ein unangenehmer Ausrutscher war.

Für unvergessliches Spektakel sorgte jedoch ausgerechnet ein heißer Zweikampf außerhalb der Podestränge. Weltmeister Marc Marquez und Andrea Iannone duellierten sich über Runden lang auf des Messers Schneide um Rang vier - einen Kampf, den Marquez trotz größter Schwierigkeiten mit seiner Repsol Honda für sich entschied.

Marc Marquez und Andrea Iannone lieferten sich in Le Mans ein episches Battle, Foto: Repsol Honda
Marc Marquez und Andrea Iannone lieferten sich in Le Mans ein episches Battle, Foto: Repsol Honda

Trotz seines Sturzes in Runden zwei zeigte auch sein Teamkollege Dani Pedrosa bei seiner Rückkehr ordentlichen Speed, blieb nach rundenlanger Fahrt am Ende des Feldes als 16. jedoch ohne Punkte. Motorsport-Magazin.com analysiert den Kracher von Le Mans, bringt euch alle Fakten und Schlüsselstatistiken auf einen Blick.

Schlüsselstelle Start: Lorenzo top, Marquez flop

Mit überlegener Pole-Position (+0,503 auf Dovizioso) hatte sich Marquez am Samstag nicht nur eine gute Ausgangsposition für das Rennen verschafft, sondern auch einen strategischen Vorteil im Kampf mit Lorenzo. Dieser war nach dem 'schlechtesten Qualifying seines Lebens' zwar immer noch Dritter, jedoch bestand für Marquez so die Chance, den Yamaha-Star zumindest eine Zeit lang hinter sich zu halten.

Denn allen Beteiligten war spätestens nach einem Blick auf die Longrun-Zeiten des Wochenendes klar: Hat Lorenzo an der Spitze freie Fahrt, würde dies den Kampf um den Sieg für sämtliche Kontrahenten ungleich erschweren. Marquez nutzte die Chance, Lorenzo hinter sich zu halten, jedoch nicht. Trotz ordentlichen Starts gingen noch in der ersten Kurve Dovizioso, Lorenzo und auch Iannone aus Reihe zwei am Weltmeister vorbei.

Der Rennentscheidende Moment: Jorge Lorenzo geht als Führender aus der Schikane hervor, Foto: Yamaha
Der Rennentscheidende Moment: Jorge Lorenzo geht als Führender aus der Schikane hervor, Foto: Yamaha

Mit einem optimistischen Manöver bremste sich Marquez in der anschließenden Schikane zwar wieder kurz in Front, kam dabei aber soweit von der Ideallinie ab, dass er die drei Nachfolger wieder passieren lassen musste. Lorenzo ging fast zeitgleich an Dovizioso vorbei, und brachte sich somit in die optimale Position für seinen Solo-Sprint zum Sieg. Da sämtliche Spitzen-Piloten auf der Reifenkombination soft-soft unterwegs waren, bestand von Beginn an kaum die Möglichkeit, Aufholjagden über die Strategie zu gestalten.

Lorenzo: Erst Vollgas, dann Konstanz pur

Zwischen den Umläufen 5 und 27 brannte Lorenzo trotz abbauender Reifen konstant Runden zwischen 1:33.3 und 1:33.7 in den Asphalt, war damit klar der schnellste Mann auf der Strecke. Um sich an der Spitze jedoch Luft für seine Metronom-Fahrt zu verschaffen, holte er umgehend zu Rennbeginn den sprichwörtlichen Hammer raus. Die folgende Tabelle zeigt, wie sich Lorenzo gleich in den ersten fünf Runden von den Verfolgern distanzierte. Lediglich Dovizioso schaffte es, das brutale Zeitenniveau des Spaniers weitestgehend mitzugehen.

RundeLorenzoDoviziosoIannoneMarquezRossi
11:39.0051:39.5281:39.7241:40.038 (4.)1:40.454 (5.)
21:33.0041:33.1901:33.3521:33.310 (4.)1:33.295 (5.)
31:33.1241:33.1191:33.4101:34.372 (5.)1:33.670 (4.)
41:33.0771:33:0391:33.3191:34.050 (5.)1:32.879 (4.)
51:33.3971:33.2921:33.2931:34.900 (6.)1:33.154 (4.)
Abstand-0.5611.4915.0631.845

Hinter Lorenzo, Dovizioso und Iannone machte Rossi mächtig Druck. Auch der Altmeister wusste, dass er seinen Teamkollegen an der Spitze nicht enteilen lassen durfte, wollte er im Kampf um den Sieg noch ein Wort mitreden. Mit Gewalt drängte er sich schließlich in Runde drei an Marquez vorbei auf Platz vier, nahm umgehend die Jagd auf die beiden Werks-Ducatis auf. Marquez hingegen hatte wie sämtliche Honda-Piloten mit gewaltigen Problemen zu kämpfen. Binnen fünf Runden fiel der Weltmeister von Startplatz eins auf Rang sechs zurück, noch hinter Bradley Smith.

Marquez hilflos auf "Problem-Honda"

Die hohe Streckentemperatur während des Rennens (32 Grad, so hoch wie nie zuvor am Wochenende) machte die Hondas vor allem auf der Front zu unfahrbaren Monstern. Pedrosa stürzte so bereits in Runde zwei, Scott Redding folgte auf seiner Satelliten-Maschine nur zwei Umläufe später. In Runde acht erwischte es dann Cal Crutchlow. Marquez überstand das Rennen zwar ohne Sturz, wie chancenlos er gegen die beiden Werks-Yamahas sowie Doviziosos Ducati jedoch war, zeigt das folgende Schaubild.

Während Marquez 18 Runden lang fast hilflos auf P6 unterwegs war, ehe er sich in den letzten Runden (23) erst Smith und im "Zweikampf der Saison" letztlich auch Iannone schnappte, hatte Rossi mit anderen Problemen, oder besser gesagt, zwei pfeilschnellen Landsleuten, zu kämpfen. Nach seinem spektakulären Manöver gegen Marquez musste der Doktor mit dem Messer zwischen den Zähnen acht Runden lang kämpfen, ehe er den mit einer schmerzenden Schulter gehandicapten Iannone überholte.

Valentino Rossi ging bereits in Runde drei an Marc Marquez vorbei, Foto: Milagro
Valentino Rossi ging bereits in Runde drei an Marc Marquez vorbei, Foto: Milagro

Rossis Jagd auf Lorenzo

Sein Rückstand auf Lorenzo war in Runde elf mit 1,7 Sekunden noch absolut annehmbar - Rossi hatte auf Rang drei liegend den Schaden seiner schlechten Startposition (7) tatsächlich einmal mehr minimiert. Nur zwei Umläufe später schnappte sich der WM-Leader dann auch die zweite Ducati von Dovizioso, machte sich 15 Runden vor dem Ende somit mit freier Fahrt auf die Jagd von Lorenzo.

"Als ich Rossi hinter mir sah, wusste ich, dass ich fortan am Limit pushen muss. Ich habe immer später gebremst und mehr Risiko durch die Kurven genommen, denn er war verdammt schnell unterwegs", resümierte Lorenzo seine zweite Rennhälfte. Der Vergleich der Rundenzeiten zwischen Rossi und Lorenzo beweist eindrucksvoll die enorme Kontrolle, die Lorenzo an der Spitze über das Renngeschehen ausübte. Trotz abbauender Reifen war kein Einbruch seiner Zeiten zu erkennen.

Nach zehn Runden brachialer Hetzjagd und nahezu identischen Rückstands stellte Rossi dann seine Bemühungen ein, brachte den zweiten Platz ab Umlauf 25 nur noch souverän nach Hause. Dovizioso fuhr quasi ab der Rennmitte ein einsames Rennen auf Platz drei, sicherte sich im fünften Saisonrennen so den vierten Podestplatz. Während Marquez als 4. (+19.890) maximale Schadensbegrenzung betrieb, belohnten sich Iannone und Smith als fünfter und sechster mit vielen Punkten.

Rückkehrer Pedrosa erlebte mit seinem Sturz in Runde zwei ein Alptraum-Comeback, nutzte das Rennen anschließend jedoch effektiv als Belastungstest für seinen armpump-geplagten Arm. Am Ende des Feldes drehte der Repsol-Honda-Pilot einsam aber konstant seine Runden, lag dabei in etwa auf dem Zeiten-Niveau von Smith und Iannone.

Fazit:

Motorsport-Magazin.com meint: Was noch vor dem Start der Saison als unmöglich schien, ist spätestens nach dem fünften Rennen Gewissheit. Die YZR-M1 Yamahas ist das stärkste Paket im Feld. Mit Lorenzo und Rossi in absoluter Bestform muss sich die Konkurrenz schnell etwas einfallen lassen, sollen die "Blauen" nicht im WM-Kampf und den kommenden Rennen am Horizont enteilen. Dass lediglich Marquez mit seinen außerirdischen Fähigkeiten die RC213V Hondas auf einem hohen Niveau bewegen kann, sollte beim Klassenprimus der vergangenen Jahre endgültig alle Alarmglocken schrillen lassen. Allzulange sollte sich Honda nicht Zeit lassen, Marquez wieder besseres Material zur Verfügung zu stellen. Dass vor allem Dovizioso weiterhin konstant Podien einfährt, ist hingegen nicht nur für den Ducati-Fan ein Segen! Auch wenn das Team aufgrund anhaltenden Erfolgs bald mit weiteren (möglicherweise entscheidenden) reglementierten Leistungseinbußen rechnen muss: Der Traum von einem vierfachen WM-Kampf auf drei verschiedenen Fabrikaten scheint noch lange nicht ausgeträumt...