Du hast in dieser Saison über Nachteile der Honda gegenüber der Yamaha gesprochen. Was genau ist schlechter?
Casey Stoner: Ich habe nicht wirklich über Nachteile im Vergleich zu Yamaha gesprochen, aber wir wissen, dass Yamaha keine Chattering-Probleme hat wie wir. Das kommt alles von den neuen Reifen, also auch durch die Tatsache, dass wir nur einen Reifenlieferanten in der Meisterschaft haben. Mit den alten Reifen zuvor war alles okay, aber sie entschieden, einen Reifen zu bringen, der absolut nicht gut für uns war, wie wir von Anfang an merkten. Der ist ein wirklicher Nachteil für uns. Die Meisterschaft hat eben entschieden, diesen neuen Reifen zu nehmen, was uns eine Menge Probleme brachte. Es ist enttäuschend, dass die Meisterschaft so ist, aber wir müssen eben damit umgehen.

Hast du irgendeine Idee, warum die Honda mit diesem Reifen einfach nicht funktionieren will?
Casey Stoner: Nein, es hat etwas mit der Konstruktion zu tun, also das Chassis und alles andere scheint einfach nicht zusammen zu funktionieren. Es ist auf jeden Fall schwer zu verstehen.

Wie hast du dich von der 800er-Maschine an die 1000ccm gewöhnen können?
Casey Stoner: Für mich war es schön. Wir haben mit der 1000er viel mehr Drehmoment, also können wir einen Gang mehr nutzen, und viel mehr Kraft. Mit der 800er musste man viel mehr pushen, mit der 1000er kann man ein klein bisschen weniger präzise fahren und trotzdem schnell sein.

Wie sieht dein Plan für die letzte MotoGP-Saison aus?
Casey Stoner: Weiterfahren und alles Rennen für Rennen, also Schritt für Schritt angehen.

Wie schwer wird es sein, sich von all den Leuten im Fahrerlager in Valencia zu verabschieden?
Casey Stoner: Ich denke, das wird das Schwierigste sein, mich von vielen Leuten, mit denen ich lange zusammengearbeitet habe, zu verabschieden. Sicherlich werde ich ab und an vorbeischauen, um sie bei einigen Rennen zu besuchen. Das wird das Einzige sein, was mir wirklich fehlen wird.

Hast du lange übers Aufhören nachgedacht oder stand das für dich von einen auf den anderen Tag fest?
Casey Stoner: Nein, wir haben schon seit Jahren übers Aufhören nachgedacht. Ende 2010 war ich schon mal kurz davor, das Ganze zu beenden, als der Vertrag mit Ducati auslief. Wir entschieden uns aber, noch ein paar Jahre weiterzumachen und dabei zu beobachten, wie sich alles entwickelt und ob wir dann noch weiterfahren wollen, aber unglücklicherweise kam meine Leidenschaft nicht zurück und deshalb entschieden wir uns, zum Ende dieses Jahres aufzuhören.

Mit Loris Capirossi war Casey Stoner am liebsten im Team, Foto: Ducati
Mit Loris Capirossi war Casey Stoner am liebsten im Team, Foto: Ducati

Wer waren während deiner Karriere deine liebsten Rivalen und liebsten Teamkollegen?
Casey Stoner: Lieblingsteamkollege war wahrscheinlich Capirossi. Loris war ein echt guter Teamkollege, er war sehr nett. Ich war auch im letzten Jahr mit Dani [Pedrosa] und Andrea [Dovizioso] ziemlich glücklich. Das war ein gutes Team, wir kamen gut miteinander zurecht und hatten großen Respekt voreinander, das war ziemlich gut. Meine größten Rivalen waren schon immer Jorge [Lorenzo] und Dani. Wir sind zusammen durch alle Kategorien gegangen, sind in jeder Klasse gegeneinander gefahren und kamen gemeinsam an der Spitze an.

Welches war dein Lieblingsmotorrad?
Casey Stoner: Ich denke das Bike, das ich momentan fahre. Ich habe mich auch auf der 2006er Honda wirklich wohlgefühlt und auch auf der Honda, die wir im letzten Jahr hatten. Da hat es mit den Reifen noch richtig Spaß gemacht, aber jetzt ist es schwierig.

Wer könnte deiner Meinung nach mit einem Titel auf Ducati und Honda genauso erfolgreich sein wie du und damit in deine Fußstapfen treten?
Casey Stoner: Ich weiß es nicht. Ich glaube nicht, dass irgendwer in die Fußstapfen eines anderen tritt. Wir gehen alle eigene Wege. Wir werden sehen, was in der Zukunft passiert.

Könntest du dir vorstellen, eines Tages zurück zum Zweiradsport zu kommen, vielleicht auch in der Superbike? Oder als Teamchef oder Berater wie Loris Capirossi?
Casey Stoner: Nein, es gibt viele Gründe, warum ich diesen Sport nicht mehr genieße, und das wird sich nicht verändern. Ich werde also sicherlich nicht zurückkommen. Ich glaube nicht, dass ich sowas machen werde, aus vielerlei Gründen will ich kein Teil dieses Sports mehr sein und auch nicht daran beteiligt sein. Das Einzige, was ich immer genossen habe, waren die Rennen, und zurückzukommen, um einen Job zu tun, der keinen Spaß macht, ergibt keinen Sinn. Wenn ich die Rennen nicht mehr genießen kann, dann geht da kein Weg rein.

Sind vier Räder eine Möglichkeit?
Casey Stoner: Ja, vier Räder sind in der Zukunft sicherlich eine Möglichkeit, aber ich bin mir jetzt nicht sicher. Ich brauche eine Auszeit, will mein Leben genießen, etwas von der Welt sehen und Zeit für mich und meine Familie haben, bevor ich irgendeine dauerhafte Entscheidung treffe.

Wirst du mit deiner Familie in der Schweiz wohnen bleiben oder nach Australien zurückkehren?
Casey Stoner: Das haben wir noch nicht entschieden, das ist noch zu lange hin. Ich werde dieses Jahr erst einmal beenden und dann entscheiden wir.

Du bist schon früh von Australien nach Europa gekommen. Wie schwer war es, die Heimat zu verlassen?
Casey Stoner: Am Anfang hat mich das gar nicht gestört. Es war einfach nur ein Abenteuer, wir haben nicht zurückgeschaut, wussten aber auch nicht, was wir vermissen würden. Ich habe zwei Jahre in Großbritannien gelebt, dann kamen wir für nur einen Monat zurück nach Australien. Es war wirklich großartig, nach Hause zu kommen, wieder bei Freunden und Familie zu sein. Es war schön, aber während der Jahre haben wir gelernt, in Europa zu leben, und wir akzeptieren das.

Wie würden deine Freunde dich beschreiben?
Casey Stoner: Keine Ahnung, da musst du sie fragen. [lacht]

Was hättest du gemacht, wenn du nicht so verdammt schnell wärst?
Casey Stoner: Dann wäre ich wohl ein Mechaniker. Was auch passiert wäre, ich wäre sicherlich im Motorsport gelandet.

Casey Stoner kann beim Angeln am Besten entspannen, Foto: motogp.com
Casey Stoner kann beim Angeln am Besten entspannen, Foto: motogp.com

Was bedeutet wahrer Luxus für dich?
Casey Stoner: Für mich ist das einfach Ruhe und Frieden irgendwo in den Bergen und vielleicht Angeln.

Welche drei Dinge hast du immer bei dir?
Casey Stoner: Einen Laptop, meine Frau und meine Tochter - sofern das geht.

Was war der größte Fehler, den du je begangen hast?
Casey Stoner: Vielleicht, zu glauben, dass es in diesem Fahrerlager Leidenschaft gibt. Ich glaube, es war mein größter Fehler, zu denken, dass manche Leute wahre Freunde sind und echte Leidenschaft für den Rennsport haben. Es war mein größter Fehler zu glauben, dass die Atmosphäre wirklich familiär ist.

Hatte deine Entscheidung - nun mit Frau und Tochter - etwas mit dem tragischen Unfall von Marco Simoncelli im letzten Jahr zu tun? Hast du dadurch noch einmal über alles nachgedacht?
Casey Stoner: Nein, es gibt ja schon 2009 bei mir los, dass ich über das Aufhören nachgedacht hab. Ich hatte - wie schon gesagt - 2010 bereits die Idee, mit dem auslaufenden Vertrag aufzuhören. Wir entschieden aber, zwei weitere Jahre zu bleiben und zu sehen was passiert. Dieser Unfall war ein riesiger Schock für so viele Leute. Es kam einem vor, als hätten sie vorher nie realisiert, dass dieser Sport gefährlich ist. Sie vergessen sehr schnell, wie gefährlich dieser Sport sein kann - ich vergesse das nie. Es war genauso bei Shoya Tomizawa und Daijiro Kato. Wir haben schon so viele Leute hier verloren, aber die Leute vergessen trotzdem unheimlich schnell wieder, dass es gefährlich ist. Mir sind die Risiken immer klar. Würde ich aufgrund dieses Unfalls aufhören, dann wäre ich schon dieses Jahr nicht mehr da gewesen. Das hatte also nichts mit meiner Entscheidung zu tun.

Lesen Sie ein weiteres Interview mit Casey Stoner in der nächsten Ausgabe des Motorsport-Magazins. Das Magazin ist im Handel erhältlich oder gleich online bestellen.