Für Pascal Wehrlein hätte die neue Formel-E-Saison 2024 kaum besser beginnen können. In seinem motorsportlichen 'Wohnzimmer' namens Mexiko - zwei Siege und alle seine vier Poles erzielte der Porsche-Pilot hier seit 2019 - dominierte er das Geschehen schon fast nach Belieben. Pole Position, Sieg, WM-Führung, Viva Wehrlein!
Dass Porsche und Wehrlein die mexikanische Höhenluft traditionell gut liegt, war kein Geheimnis. Ebenso wenig, dass die Zuffenhausener neben Jaguar das stärkste Gen3-Auto entwickelt haben und damit um die Weltmeisterschaft kämpfen bzw. sie in Form von Kundenpilot Jake Dennis (Andretti) auch gewinnen können.
Neues Ingenieurs-Duo für Pascal Wehrlein
Ein Fragezeichen schwebte indes über Wehrleins Seite der Garage, denn hier hat sich über den Winter einiges verändert. Der frühere DTM-Champion und Formel-1-Fahrer hat die Saison mit zwei neuen Ingenieuren für seinen Wagen in Angriff genommen. Vor dem ersten Rennen standen nur wenige private Testfahrten und der offizielle Valencia-Test zur Verfügung, um sich aufeinander einzuschießen.
Besonders in der Formel E spielt die Beziehung zwischen dem Fahrer und seinen Ingenieuren eine entscheidende Rolle, um die vorgegebenen und sich ständig ändernden Energieziele pro Runde zu erreichen. Auch wegen des kompakten Rennformats, bei dem ein Training, das Qualifying sowie das Rennen innerhalb weniger Stunden stattfinden. In Mexiko lagen zwischen dem Beginn des 2. Trainings (07:30 Uhr Ortszeit) und dem Rennstart (14:00 Uhr) nur fünfeinhalb Stunden.
Wehrlein jetzt mit Lotterers Ex-Ingenieur
Wehrlein hatte in den vergangenen drei Jahren Kyle Wilson-Clarke als Renningenieur an seiner Seite. Der langjährige Porsche-Motorsport-Mitarbeiter ist im Winter zu DS Penske gewechselt und betreut dort den früheren Weltmeister Stoffel Vandoorne. Und Wehrleins bisheriger Performance-Ingenieur, Andreas von Berg, ist innerhalb des Porsche-Werksteams zum Fahrzeug übergreifenden Performance-Lead-Ingenieur aufgestiegen.
Als neuen Renningenieur hat Wehrlein seit November vergangenen Jahres Fabrice Roussel an seiner Seite. Der Franzose ist seit 2019 bei Porsche angestellt und arbeitete im vergangenen Jahr mit Werksfahrer Andre Lotterer beim Kundenteam Andretti zusammen. Roussel kennt die Formel E in- und auswendig, schon seit 2015 war er für Dragon Racing und DS Techeetah tätig. Gut für Wehrlein: Roussel ist bestens mit der Technik des Porsche 99X vertraut, musste nur noch den Fahrer genauer kennenlernen.
Wehrleins jetziger Performance-Ingenieur ist hingegen ein Neuzugang bei Porsche: Stephane Folio, in den beiden Vorjahren für Nissans Formel-E-Team im Einsatz. Porsche bedeutet Neuland für Folio, doch zwischen 2015 und 2021 war er für Volkswagen Motorsport aus dem Mutterkonzern in Projekte wie die WRC, WRX oder TCR involviert.
'Team Wehrlein' beim Formel-E-Debüt tadellos
Dass die Arbeit mit den beiden Neuzugängen auf Anhieb so gut und reibungslos klappte, ist durchaus verblüffend. 'Team Wehrlein' leistete sich in Mexiko-City keinen einzigen Strategiefehler. Auch nicht in der heiklen frühen Rennphase mit zahlreichen Attack-Mode-Aktivierungen, in denen der 29-Jährige zweimal mit Herausforderer Sebastien Buemi (Envision-Jaguar) die Positionen tauschte. Natürlich sind an den Rennstrategien noch weitere Mitarbeiter unter der Führung von Teamchef Florian Modlinger beteiligt.
"Mitte November habe ich die Arbeit mit Fabrice begonnen", sagte Wehrlein in einer Online-Medienrunde am Dienstag auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com. "Wir hatten also nicht viel Zeit, um miteinander zu arbeiten und vertraut zu werden. Und mein neuer Performance-Ingenieur Stephane kam von einem anderen Team und musste integriert werden, während Fabrice das Team schon sehr gut kannte."
Wehrlein nach Mexiko-Sieg: "Übergang verlief sehr glatt"
Nach der überragenden Vorstellung war Wehrlein voll des Lobes für sein neuformiertes Ingenieursduo: "Beide haben tolle Arbeit geleistet, waren direkt bei der Sache und haben sich schnell integriert. Wir verbringen seit November viel Zeit zusammen in Online-Meetings und bei der Simulator-Arbeit. Der Übergang verlief sehr glatt. Ich könnte nicht zufriedener sein und freue mich, ihre Motivation zu sehen. Sie passen sehr gut ins Team!"
In diesem Zuge bedankte sich Wehrlein bei Ex-Ingenieur Wilson-Clarke, zu dem er weiterhin Kontakt pflegt: "Kyle hat mir in der vergangenen Woche viele Nachrichten geschrieben, besonders nach dem Sieg und dem Qualifying. Ich bin super-dankbar für die tolle Beziehung zu ihm und die großartige Zeit. Wir hatten große Erfolge, aber auch schwierige Zeiten. Er war sehr wichtig für unser Team und mich, ich wünsche ihm alles Gute."
Wehrlein lässt Jaguar-Trio keine Chance
Wie wichtig das Verhältnis zwischen einem Rennfahrer und seinen für ihn abgestellten Ingenieuren ist, erklärte Wehrlein so: "Das ist sehr wichtig, weil es in der Formel E so eng zugeht. Es geht um das Verständnis eines Ingenieurs mit dem Fahrer, zu wissen, was er braucht um schneller zu werden und wie man das Auto optimieren kann. Manchmal ist weniger mehr, wenn es um Änderungen geht. Aber manchmal ist es auch nötig, Dinge am Auto anzupassen."
So wie in Mexiko-City nach dem 2. Freien Training am frühen Samstagmorgen, als sich Wehrlein nach dem 14. Platz mit der Balance seines Porsche nicht ganz wohlfühlte. "Im zweiten Training haben wir etwas versucht, was aber nicht klappte", schilderte er. "Wir sind dann aber nicht zurück zum Setup aus dem ersten Training, sondern haben die Resultate aus beiden Sessions ausgewertet und etwas Neues herausgefunden."
Der Aufwand machte sich bezahlt: Nachdem Wehrlein in seiner Qualifying-Gruppe mit 0,070 Sekunden Rückstand als Vierter geradeso in die Duell-Phase eingezogen war, machte er kurzen Prozess mit seinen aufeinanderfolgenden Gegnern Robin Frijns (Viertelfinale), Nick Cassidy (Halbfinale) sowie im Finale Sebastien Buemi; damit setzte sich Wehrlein gegen drei Fahrer durch, die allesamt mit Jaguar-Antriebssträngen antreten.
Wehrlein: "Bei den Vorsaison-Testfahrten lag der Fokus auf dem Qualifying, was letztes Jahr unsere Schwachstelle war. Wir haben viel Aufwand betrieben, um schneller zu werden und trotzdem keine Performance im Rennen einzubüßen. In Mexiko haben wir alles herausgeholt."
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