Ein Horror-Unfall am Samstag, ein Titelanwärter-Crash am Sonntag: Beim vorletzten Rennwochenende der Formel-E-Saison 2023 in Rom schepperte es mehrfach kräftig. Beim Sonntagsrennen im Blickpunkt stand die frühe Kollision zwischen den beiden Titelaspiranten Mitch Evans (Jaguar) und Nick Cassidy (Envision-Jaguar).

In der zweiten Runde rasselte der an dritter Stelle liegende Evans seinem neuseeländischen Landsmann Cassidy nach einem Verbremser ins Heck. Wenn es schon nicht läuft, kommt noch Pech dazu: Evans' Jaguar verhakte sich unglücklich in Cassidys Karosserie, stieg spektakulär empor und landete auf dem 'Dach' seines Unfallopfers.

Cassidy: Halo beim Unfall beschädigt

Während Evans' Rennen damit vorzeitig beendet war, konnte Cassidy die Fahrt vom letzten Platz aus zwar fortsetzen, doch mehr als der 14. Platz war beim Zieleinlauf nicht drin. Glück im Unglück für Cassidy: Dieser Crash hätte auch viel schlimmer enden können. Halo-Kopfschutz sei Dank, blieb der Meisterschafts-Zweite in dieser Situation unverletzt.

"Nach dem Rennen haben wir den Überrollkäfig entfernt und gesehen, dass das Halo beschädigt wurde", sagte der niedergeschmetterte Cassidy zu Motorsport-Magazin.com. "Da hatte ich ziemlich viel Glück, auch, wenn das natürlich nicht meine erste Reaktion war. Wenn ich mir das Auto aber jetzt anschaue, kann man schon sagen, dass ich großes Glück hatte."

Formel-E-Tabelle 2023 nach 14/16 Rennen (Top-8)

Pos.FahrerTeamPunkte
1Jake DennisAndretti-Porsche195
2Nick CassidyEnvision-Jaguar171
3Mitch EvansJaguar151
4Pascal WehrleinPorsche146
5Jean-Eric VergneDS Penske107
6Maximilian GüntherMaserati-DS101
7Antonio Felix da CostaPorsche93
8Sebastien BuemiEnvision-Jaguar82

Heftiger Rückschlag im Formel-E-Titelkampf

In erster Linie dürfte Cassidy der verpassten Chance auf weitere Big Points nachgeweint haben. Die Nullrunde warf ihn auf den zweiten Platz in der Gesamtwertung zurück. Andretti-Pilot Dennis ist mit seinem zweiten Saisonsieg vorbeigezogen und führt das Klassement mit 195 Punkten an. Cassidys Rückstand beträgt bei 171 Zählern jetzt 24 Punkte. Beim Saisonfinale in London Ende Juli werden noch maximal 58 Punkte vergeben.

"Als Zweiter habe ich zumindest bessere Chancen als 20 andere Fahrer", wollte Cassidy den Titeltraum noch nicht gänzlich abschreiben. Trüber sieht es unterdessen bei Evans aus, der mit seinem Sieg am Samstag den Anschluss gefunden hatte, jetzt aber einen Rückstand von 44 Punkten zu Dennis aufweist. "Für mich ist die Meisterschaft ziemlich gelaufen", sagte der Jaguar-Spezialist. "Es tut mir auch leid für Nick, seine Hoffnungen beendet zu haben. Es ist noch nicht vorbei, aber es wird schwieriger. Die Hoffnung stirbt zuletzt."

Cassidy: "Es bricht einem das Herz"

Evans entschuldigte sich bei der ersten Gelegenheit bei 'Kiwi' Cassidy, die beiden kennen sich schließlich seit gemeinsamen Kartzeiten aus Kindertagen. Evans: "Nick ist der Letzte, mit dem ich kollidieren will. Er ist ein guter Freund und ein Titelanwärter." Cassidy bestätigte auf Nachfrage: "Mitch hat am meisten geredet. Er ist ein toller Typ und Fahrer. So etwas kann passieren, es bricht einem aber trotzdem das Herz."

Für Evans hat der Crash weitere Konsequenzen, die Sportkommissare brummten ihm eine 5-Platz-Gridstrafe für das nächste Rennen in London auf.

Als einen kleinen Fehler mit massiven Konsequenzen beschrieb der Jaguar-Werksfahrer den Vorfall, und weiter: "Es passierte alles sehr schnell und ich wollte nichts Dummes machen. In der Bremszone haben sie (Dennis und Cassidy) viel mehr verlangsamt als ich erwartet hatte. Ich habe mehr Bremsdruck eingesetzt und dabei haben meine Hinterräder blockiert. Dann bin ich in sie reingerutscht und wurde plötzlich in die Luft befördert. Ich fühle mich grauenhaft."

Cassidy: "Wäre leichtestes Podium der Saison gewesen"

Der Crash schmerzte umso mehr angesichts der enormen Stärke des Jaguar-Antriebsstranges auf dem Stadtkurs in Rom. Nach Evans' Sieg am Samstag, fuhr Teamkollege Sam Bird - samt neuem Chassis in Folge des schweren Unfalls im ersten Rennen - am Sonntag als Dritter aufs Podium. Evans und Cassidy hätten sich ohne den Crash also mehr als berechtigte Hoffnungen auf weitere Top-Resultate machen können.

Davon war auch Cassidy überzeugt, der nach der Kollision mit einem leicht beschädigten Auto immer noch den 14. Platz belegte: "Das wäre wohl das leichteste Podium der ganzen Saison gewesen. Weil das Rennen heute aber eine Runde kürzer war als gestern, wurde mehr Vollgas gefahren. Man musste nicht viel liften, deshalb war es schwierig zu überholen - selbst mit dem Speed in unserem Auto, der heute wohl der beste in der gesamten Saison war."