Beim fünften Saisonrennen der Formel E am heutigen Samstag in Kapstadt (15:00 Uhr im Free-TV auf ProSieben) werden mindestens fünf der 22 Autos in der Startaufstellung fehlen. Mahindra hat nicht nur seine beiden Werks-Autos zurückgezogen, sondern auch das neue Kundenteam Abt-Cupra angewiesen, den Start auszulassen. Alle vier Autos hatten bereits auf eine Teilnahme im Qualifying am Samstagvormittag verzichtet.

Ein ganz bitterer Rückschlag für die Abt-Piloten Nico Müller (feiert heute seinen 31. Geburtstag) und Lokalmatador Kelvin van der Linde sowie das Mahindra-Duo bestehend aus dem früheren Formel-E-Meister Lucas di Grassi und Oliver Rowland.

"Das Formel-E-Team von Mahindra Racing hat seinen Rückzug aus dem Qualifying und dem Rennen Formel-E-Weltmeisterschaft in Kapstadt aufgrund von Sicherheitsbedenken bezüglich der Hinterradaufhängung bestätigt", teilte der Automobilgigant aus Indien in einem Statement noch während des Qualifyings mit.

Der Rückzug betrifft unweigerlich auch Formel-E-Rückkehrer Abt Sportsline, die seit dieser Saison mit Kunden-Antriebssträngen von Mahindra fahren. Die Inder haben angekündigt, die Autos nun in der heimischen Teamfabrik im britischen Banbury zu untersuchen. Das nächste Formel-E-Rennen steigt in vier Wochen in Sao Paulo, einer weiteren neuen Strecke im Rennkalender.

Mehrere Autos fehlen beim Kapstadt ePrix

Zwar nicht entscheidend, aber zumindest erwähnenswert: Lucas di Grassi verpasst in Kapstadt das erste Rennen seiner Formel-E-Karriere. Der Brasilianer war zuvor der einzige Fahrer, der bei allen 104 Rennen an den Start ging. "Ich bin sehr traurig", twitterte der frühere Abt-Audi-Pilot. "Ich werde mein erstes Formel-E-Rennen wegen eines Aufhängungsproblems verpassen. Es tut uns leid für unsere Unterstützer, Partner und das gesamte Team, die so hart gearbeitet haben, um das Auto hierher zu bekommen. Wir können es im Werk reparieren und werden für den Sao Paulo ePrix stärker zurück sein."

Mit Formel-E-Veteran Sam Bird verpasst ein weiterer Fahrer den Kapstadt ePrix. Der Jaguar des Briten war nach der Kollision mit Edoardo Mortara (Maserati) im Qualifying nicht rechtzeitig reparabel. Durch den unabsichtlichen Auffahr-Unfall muss bei Birds Auto das Chassis ausgetauscht werden. Mortara, der in Kurve 9 heftig eingeschlagen war, erhielt von den Sportkommissaren eine Starterlaubnis.

Biermaier: "Querlenker stark verbogen"

"Mahindra hat alle vier Fahrzeuge aus dem Wochenende genommen. Wir hatten im 2. Training Probleme mit dem hinteren Fahrwerk, Querlenker sind stark verbogen worden. Die Gefahr ist zu groß, die Gesundheit der Fahrer aufs Spiel zu setzen", sagte Abt-Teamchef Thomas Biermaier bei ProSieben.

Biermaier weiter: "Das ist eigentlich nicht zu akzeptieren und wir sind enttäuscht. Aber wir müssen es akzeptieren, weil den Anweisungen von Mahindra Folge zu leisten ist. Sie müssen erst verstehen, was das Problem ist. Mahindra ist dran, das zu analysieren. Das wird nicht Minuten oder Stunden, sondern Tage dauern. Wir als Abt müssen uns an die Anweisungen des Herstellers halten."

Während in der Formel E viele Einheitsbauteile zum Einsatz kommen, haben die Hersteller Freiheiten bei gewissen Elementen. Dazu zählen neben dem Antriebsstrang auch die Software sowie das Hinterachsfahrwerk. Hier kam es offensichtlich zu Problemen bei den Autos.

Dass ein Hersteller in einem solchen Fall auch seine Kundenteams anweist, die Autos bis auf Weiteres zu parken, gab es schon einmal mit den neuen Gen3-Autos: Bei den Valencia-Testfahrten mussten die Werks-Autos von Jaguar nach einem ungewöhnlichen Unfall von Sebastien Buemi im Kunden-Envision eine Zwangspause einlegen.

Beim Abt-Comeback in der Formel E läuft es noch nicht rund, Foto: LAT Images
Beim Abt-Comeback in der Formel E läuft es noch nicht rund, Foto: LAT Images

Probleme deuteten sich in Kapstadt-Trainings an

Die Probleme auf dem Stadtkurs rund um das WM-Stadion von 2010 mit zum Teil starken Bodenwellen hatten sich schon in den Freien Trainings angedeutet. In der ersten 30-minütigen Session am Freitagnachmittag konnte di Grassi mit seinem Mahindra nur 3 Runden fahren und musste das Training vorzeitig abbrechen. Auch Kelvin van der Linde im Abt legte mit 9 Umläufen weniger zurück als erhofft.

Am Samstagmorgen im 2. Training ging es ungünstig weiter. Zwar konnten beide Mahindra-Piloten und auch die Abt-Fahrer reichlich Runden drehen, aber die Rundenzeiten ließen schon vermuten, dass etwas im Argen liegt. Di Grassi fehlten nach seinen 22 Umläufen ganze 2,3 Sekunden zur Spitze, Rowland als 'schnellster' Fahrer mit einem Mahindra-Motor lag 1,4 Sekunden hinter der Bestzeit.

Mahindra liefert die Antriebsstränge für Abt, Foto: LAT Images
Mahindra liefert die Antriebsstränge für Abt, Foto: LAT Images

"Was hier passiert ist, ist eigentlich nicht akzeptabel"

Der Kapstadt-Rückzug dürfte hinter den Kulissen für einige Diskussionen zwischen Mahindra und Kundenteam Abt Sportsline sorgen. Biermaier: "Das ganze Team ist enttäuscht. Wenn man sieht, wie die letzten Wochen gelaufen sind, ist die Motivation im Team unheimlich hoch. Alle haben sich auf das Rennen und das Qualifying gefreut. Gerade Kelvin als Local Hero. Im 2. Training ist er eine gute Zeit gefahren und wir hatten uns ein bisschen was erhofft. Was hier passiert ist, ist eigentlich nicht akzeptabel."

Die Partnerschaft zwischen den beiden Teams stand bisher unter keinem allzu guten Stern. Dass sich die Äbte nach einem Jahr Auszeit beim Comeback in der Formel E schwertun würden, daraus hatten sie nie ein Geheimnis gemacht. Als dann aber Lieferungen von Mahindra deutlich länger als geplant auf sich warten ließen, spitzte sich die Situation zu. "Erst haben wir ein bisschen tiefgestapelt, aber jetzt sind wir wirklich die Underdogs", sagte Biermaier im Dezember bei den Testfahrten in Valencia.

Die Sorgen waren nicht unberechtigt. Abt-Cupra, 2018 mit Audi noch Team-Meister in der Formel E, hat als einziges Team noch keinen einzigen Punkt erzielt. Mahindra belegt in der Team-Wertung den siebten von elf Plätzen mit 26 Punkten. Der Rückstand auf Spitzenreiter Porsche beträgt nach nur vier Rennen bereits 75 Zähler.

Einen weiteren Rückschlag erlebten die Äbte beim Saisonauftakt in Mexiko-City. Stammfahrer Robin Frijns zog sich bei einem Auffahrunfall Verletzungen an der Hand zu, musste operiert werden und die folgenden Rennen auslassen. Als Ersatz für den erfahrenen Niederländer sprang Test- und Ersatzfahrer Kelvin van der Linde ein, der beim zweiten Saisonlauf in Saudi-Arabien sein allererstes Rennen im Formelsport bestritt...