Die Voraussetzungen hätten kaum schwieriger sein können: erstes Rennen in einem Formel-Auto, das erste in der Formel E, obendrein in einem völlig unbekannten Auto und dazu noch auf der anspruchsvollsten Rennstrecke im Kalender. Kelvin van der Linde stand beim Rennwochenende in Saudi-Arabien eine absolute Herkulesaufgabe bevor.
Als kurzfristig eingesprungener Ersatzmann bei Formel-E-Rückkehrer Abt-Cupra für Stammfahrer Robin Frijns, der sich bei einem Auffahrunfall in Mexiko-City mehrere Brüche an der linken Hand zugezogen hatte, musste eine steile Lernkurve als größter Erfolg gewertet werden. Dass sich der Rennstall aus Kempten nach seiner Rückkehr in die Formel E mit Kundenmotoren von Mahindra noch äußerst schwer tut, half der Angelegenheit sicherlich nicht.
Positiv: Van der Linde beendet beide Rennen
Auf der positiven Seite konnte van der Linde für sich beanspruchen, in beiden Rennen auf dem Wüstenkurs in Diriyah die Zielflagge gesehen zu haben. Sein im Elektro-Rennwagen etwas erfahrener Teamkollege Nico Müller fiel beide Male vorzeitig aus; einmal aufgrund der Technik, das andere Mal aufgrund der Streckenbegrenzung...
Die Plätze 16 und 18 sind sicherlich nicht der Anspruch eines Spitzen-Rennfahrers wie Kelvin van der Linde, unter den gegebenen Umständen aber ein hoffnungsvoller Beginn für weitere Rennen in der Formel E. In knapp zwei Wochen steht die Formel-E-Premiere im indischen Hyderabad bevor - zumindest kennt der Südafrikaner den neuen Kurs im Kalender genauso wenig wie seine 21 Fahrer-Kollegen. Van der Linde wird laut Abt-Angaben "bis auf Weiteres" das Cockpit von Frijns übernehmen, der sich von den Handbrüchen erholen muss.
Abt-Cupra: Ernüchternde Rückkehr in Formel E
Abt-Cupra blickt unterdessen auf einen höchst ernüchternden Auftakt in die Formel-E-Saison 2023 zurück. In den Rennen sind die Mahindra-Kundenautos zumeist unterlegen und auch bei den Qualifyings läuft es noch nicht rund. In beiden Saudi-Rennen belegten Müller und van der Linde die letzte Startreihe. Was nicht weniger schmerzen dürfte: Die Konkurrenz macht mit den neuen Gen3-Autos einen deutlich aussortierteren Eindruck.
Van der Linde, der jede Runde im komplex zu bedienenden Formel-E-Auto benötigt, verlor in Saudi-Arabien einiges an Streckenzeit. Im 1. Training am Donnerstagabend verbrachte er wegen technischer Themen einen Großteil der Zeit in der Box. Am Freitagmorgen in der zweiten Trainings-Session lief es runder, während Teamkollege Müller einen Mauerkontakt verzeichnete. Und auch im 3. Freien Training mussten sich die Äbte mit technischen Schwierigkeiten an van der Lindes Autos herumplagen.
Der Ausritt im Training am Freitag kostete Müller obendrein das Qualifying - im Samstagsrennen folgte ein weiterer Unfall ohne Fremdeinwirkung. Angesichts eines derart erfahrenen und talentierten Piloten wie dem Schweizer müssen Zweifel aufkommen, ob ihm in diesen Situationen das Talent ausging, oder ob die in einigen Bereichen automatisierte Technologie nicht auch eine Rolle spielte. "Mir tun die beiden Ausrutscher besonders leid für die Jungs, die so hart gearbeitet haben", wurde Müller in einer Abt-Pressemitteilung zitiert. "Und natürlich tun uns auch die fehlenden Runden weh."
Abt-CEO Biermaier: "Wir sind enttäuscht"
Abt-Cupra hatte nach der geringen Vorbereitungszeit und Lieferproblemen mit den Mahindra-Kundenautos schon geahnt, dass die ersten Rennen der neuen Saison zu einer Charakterprobe werden könnten. Diese Vermutung bestätigte sich zumindest in den ersten drei ePrix des Jahres. Von den Punkterängen waren die Äbte - eines der erfolgreichsten Teams in der Geschichte der Formel E - bisher meilenweit entfernt.
"Wir sind enttäuscht von unserem Abschneiden hier in Saudi-Arabien, denn wir haben uns nach dem Saisonauftakt eine klare Trendbewegung nach oben gewünscht", sagte Teamchef Thomas Biermaier. "Die Liste der Fragen und Aufgaben, die wir abarbeiten müssen, wird länger, aber die kurzen Abstände zwischen den Rennen bleiben - es wird immer klarer, dass diese Saison eine große Herausforderung wird."
Van der Linde reist zumindest mit einer Portion Erfahrung unter realen Bedingungen zu seinem nächsten Rennen in der Formel E. Nach dem unglücklichen Ausfall von Frijns hatte der Audi-Sport-Fahrer nur gut eine Woche Zeit, um die Grundkenntnisse des äußert Energie-Managements zu verinnerlichen. "Auch wenn wir keine zählbaren Ergebnisse sehen, haben wir für unser nächstes Rennwochenende eine gute Basis geschaffen, auf der wir aufbauen können", strahlte van der Linde eine vorsichtige Zuversicht aus.
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