Meister im ADAC Formel Masters 2011, jüngster DTM-Champion 2015, zwei Jahre in der Formel 1, kurzzeitige DTM-Rückkehr und seit 2019 durchgängig in der Formel E: Pascal Wehrlein blickt mit seinen 28 Jahren auf eine erfolgreiche wie bewegte Karriere im Motorsport zurück. Auf den nächsten Titelgewinn wartet der Porsche-Werksfahrer allerdings seit einer ganzen Weile. Ist es 2023 wieder soweit?
Zwar hat die neue Saison der Formel E und die erste mit den Gen3-Autos gerade erst begonnen, doch nach einem zweiten Platz beim Saisonauftakt in Mexiko-City sowie einem selten erreichten Doppelsieg in Saudi-Arabien, hat sich Wehrlein in eine aussichtsreiche Ausgangslage manövriert. Jetzt schon für die Geschichtsbücher: Wehrlein ist seit dem Beginn der Formel E im Jahr 2014 der erste Meisterschaftsführende aus Deutschland!
Wehrlein: "Wir wollen mehr"
"Als Deutscher für ein deutsches Team früh zwei Rennen gewonnen zu haben, ist super. Aber wir wollen mehr", kündigte Wehrlein nach dem Wochenende im Wüstenstaat an, mahnte angesichts der neuen Autos und der frühen Phase in der Saison allerdings zur Vorsicht. Aktuell hat Porsche ein absolutes Siegerpaket entwickelt, wie auch die Erfolge des neuen Kundenteams Andretti aus den USA zeigen. Der Brite und Wehrlein errangen zum Saisonstart drei Doppelsiege in Folge, nur in Mexiko hatte Dennis die Nase vorn.
Mit den Erfolgen im Autodromo Hermanos Rodriguez und in Riad hat der Porsche-Antriebsstrang eindrucksvoll gezeigt, dass er auch auf gänzlich unterschiedlichen Rennstrecken bei verschiedenen Bedingungen mehr als konkurrenzfähig ist. Die Ingenieure aus Zuffenhausen bzw. Weissach haben bei der Entwicklung ganze Arbeit geleistet, aktuell reichen nur Jaguar und Nissan-Kundenteam McLaren mit Rene Rast an das Porsche-Gesamtpaket heran.
Wehrlein auch durch Rückschläge gereift
Wehrlein und Porsche waren schon 2022 stark in die Saison gestartet und nach dem dominanten Doppelsieg durch ihn und Teamkollege Andre Lotterer - jetzt bei Andretti - in Mexiko standen die Zeichen klar auf Titel-Attacke. An die Leistungen konnte das Werksteam jedoch nicht anknüpfen und landete am Ende auf dem enttäuschenden siebten Platz in der Meisterschaft.
Harte Lektionen für Porsche und auch Wehrlein, der als einstiger Senkrechtstarter des Motorsports einige für ihn eher ungewohnte Täler durchlaufen musste. Situationen, in denen der gebürtige Sigmaringer allerdings gereift ist. Galt Wehrlein im jungen Alter und gerade zu DTM-Zeiten unter Szene-Kennern oftmals als zu verbissen - er selbst bezeichnete sich einmal rückblickend als "sehr ehrgeizig" - hat sich seitdem einiges an seiner Persönlichkeit verändert.
Wehrlein: "Ich weiß den Erfolg viel mehr zu schätzen als früher"
"Ich bin erwachsen geworden, ruhiger, und weiß Dinge mehr zu schätzen", sagte Wehrlein in einer Porsche-Medienrunde Anfang dieser Woche zu Motorsport-Magazin.com. "Das ist meine dritte Saison bei Porsche und als Team sind wir durch einige Up and Downs gegangen. Wir hatten viele Highlights, aber auch viele Punkte, an denen wir am Boden lagen. Letztes Jahr sind wir gut gestartet, dann in Monaco in Führung liegend ausgefallen und haben in der zweiten Saisonhälfte fast keine Punkte mehr geholt. Ich weiß den Erfolg viel mehr zu schätzen als früher."
Damals als Jungspund war Wehrlein nur selten mit Misserfolgen konfrontiert, spurtete mit einem Sieg nach dem anderen durch die Klassen. Talent und Toto Wolff beförderten Wehrlein im Alter von nur 21 Jahren in die Formel 1, er galt als Deutschlands größter Shooting-Star seit Sebastian Vettel. Dem Silberpfeil-Kundenteam Manor Racing bescherte er 2016 in Österreich den einzigen Punktgewinn, bevor sich der britische Pleite-Rennstall in die Insolvenz verabschiedete.
Dass Wehrlein 2017 beim stark angeschlagenen Sauber-Team unterkam statt die Nachfolge des zurückgetretenen Weltmeisters Nico Rosberg bei Mercedes einzunehmen, war ein erster kleiner Rückschlag. Der zweite folgte auf dem Fuße im Januar 2017, als er sich beim Race of Champions drei Wirbel brach und das große mediale Rätselraten begann, während Wehrlein den Mund halten musste und verletzt die ersten beiden Saisonrennen verpasste.
Zwar erzielte Wehrlein beim Spanien Grand Prix 2017 überraschend den achten Platz im Sauber und ergatterte später in Aserbaidschan einen weiteren Punkt, doch nach dem Motoren-Deal mit Ferrari und Charles Leclerc als Nachfolger war für ihn kein Platz mehr. Nicht bei Sauber, nicht in der Formel 1. Seine Rückkehr in die DTM 2018 im letzten Jahr von Mercedes-Benz verlief sportlich alles andere als erhofft und der öffentlich ausgetragene Abschied nach sechs Jahren bei den Silberpfeilen und dem einstigen Förderer Toto Wolff war ebenfalls wenig hilfreich.
"Ich war es ja gewohnt, jedes Jahr zu gewinnen"
Wehrlein heute rückblickend auf seine Anfänge: "Damals war ich 19 Jahre jung. Ich bin durch die Nachwuchsserien gepflügt und habe ein Rennen nach dem anderen gewonnen. Und dann auch die DTM-Meisterschaft. Für mich war es damals nicht außergewöhnlich, dass ich gewonnen habe. Ich war es ja gewohnt, jedes Jahr zu gewinnen."
Das war in den vergangenen Jahren jedoch nicht mehr der Fall. In der Formel E fand er sich zwar schnell zurecht und zählte von Beginn an zu den schnellsten Qualifying-Piloten. Bis zu seinem ersten Sieg im Porsche in Mexiko 2022 musste Wehrlein allerdings geschlagene sechs Jahre, fünf Monate und 14 Tage warten. Sein zuvor letzter Sieg datierte auf den 29. August 2015, als er auf dem Weg zur späteren DTM-Meisterschaft in Moskau mit Mercedes-Benz gewann.
Immer noch der ehrgeizige Pascal von damals
"Jetzt hatte ich andere Jahre hinter mir", resümierte Wehrlein. "Ich weiß, was das Team hinter mir und auch ich reinstecke. Das hat mich erwachsener werden lassen. Deshalb war ich nach meinem Sieg in Riad von Startplatz neun beim Zieleinlauf am Funk auch so emotional und habe geschrien. Das war eines der geilsten Rennen meiner Karriere. Und das geschah auch in dem Wissen, wie viel Arbeit dahintersteckt. Von außen sieht man das gar nicht."
Der werdende Vater ist heute kaum noch zu vergleichen mit dem Pascal Wehrlein von anno dazumal, der nicht zuletzt wegen eines gewissen Funkspruchs zu DTM-Zeiten nicht immer den einfachsten Stand in der deutschen Motorsport-Fangemeinde genoss.
Erwachsener und reifer geworden, ja. Aber eines, das sei gleich geblieben, pochte Wehrlein: "Deswegen bin ich aber nicht weniger ehrgeizig geworden! Der Hunger ist immer noch der gleiche. Ich bin immer noch der ehrgeizige Pascal, den es schon damals gab."
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