"Ich hoffe, er kommt mit seiner beschissenen Fahrweise nicht in die F1!" Pascal Wehrleins aus der Emotion heraus abgesetzter Funkspruch beim Formel-E-Saisonfinale in Seoul an Adressat Nyck de Vries ist nicht gut gelaltert, wie man heute sagen würde.

Ganz im Gegenteil sogar: De Vries kam beim vergangenen F1-Rennen in Monza überraschend zu seinem Grand-Prix-Debüt! Und der Williams-Ersatzmann für den erkrankten Alex Albon lieferte auf ganzer Linie ab: Teamkollege Latifi in den Schatten gestellt, auf Anhieb die ersten Punkte mit Platz neun, von den Zuschauern zum Fahrer des Tages gewählt.

De Vries: "Jede F1-Fahrt ist ein Bewerbungsgespräch"

Es dauerte wenig überraschend nicht lange, bis de Vries von Medien und Fans mit einem Formel-1-Stammcockpit in Verbindung gebracht wurde - wie schon einige Male zuvor in der Motorsport-Karriere des 27-Jährigen, der 2020 die Weltmeisterschaft in der Formel E gewonnen hatte. "Jede Fahrt in einem Formel-1-Auto ist eine Art Bewerbungsgespräch", sagte de Vries nach dem Monza-Coup. Schon zuvor hatte er mit Testfahrten im Mercedes und Aston Martin einmal mehr seine Visitenkarte hinterlegt.

Auch in der Formel E wurde de Vries' F1-Auftritt an unterschiedlichen Stellen mit großem Interesse wahrgenommen. Die Elektro-Rennserie feierte das erfolgreiche Abschneiden einiger Fahrer am Wochenende in unterschiedlichen Kategorien: Neben de Vries' Monza-Leistung waren auch Sebastien Buemi (WEC-Sieg mit Toyota in Fuji), Nick Cassidy (DTM-Sieg mit Ferrari in Spa) und Ex-Fahrer Joel Eriksson (NLS-Sieg mit Porsche auf der Nordschleife) äußerst erfolgreich unterwegs.

Nyck de Vries: Wie geht es mit Maserati weiter?

Genau hingeschaut haben dürften auch die Verantwortlichen von Formel-E-Neueinsteiger Maserati. Schließlich galt de Vries nach Informationen von Motorsport-Magazin.com und laut mehreren Medienberichten als aussichtsreichster Kandidat für ein Cockpit beim italienischen Autobauer, der 2023 mit Venturi zusammenspannt. De Vries sollte an der Seite von Edoardo Mortara die neue Ära mit dem Gen3-Auto einläuten, in der Maserati auf Antriebsstränge von Stellantis-Konzernschwester DS Automobiles setzt.

Nach der Formel-1-Glanztat des 27-Jährigen könnte die Angelegenheit nun etwas komplizierter werden - oder sich noch eine ganze Weile hinziehen. In der Königsklasse des Formelsports kann es bekanntermaßen mal länger dauern, wie die Vergangenheit mehrfach gezeigt hat. Siehe Antonio Giovinazzi, der erst im November 2021 final bei Haas rausflog und im letzten Moment bei Formel-E-Hinterbänkler Dragon/Penske unterkam. Oder Alex Albon, der 2018 als sicher bei Nissan galt, bis Toro Rosso anklopfte.

Falls de Vries in die Formel 1 geht: Optionen für Maserati

Für Maserati könnten de Vries' neuentflammte F1-Ambitonen zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommen, denn: Längst haben alle Teams mit der Entwicklung ihrer Gen3-Autos begonnen. Jeder Rennstall wünscht sich baldmögliche Klarheit, um die Vorbereitungen auf den Saisonstart im Januar 2023 in Mexiko sauber aufnehmen zu können.

Glück im 'Unglück' für Debütant Maserati: Für die Strecken-Entwicklung der Antriebsstränge ist hauptsächlich Partner DS zuständig. Der offizielle Gruppen-Test der Formel E steht im Dezember in Valencia an. Spätestens dann sollte im besten Falle Klarheit herrschen. Sollte es de Vries diesmal tatsächlich in die Formel 1 schaffen, hätte Maserati zahlreiche Optionen: Erfahrene Formel-E-Piloten wie Maximilian Günther (zuletzt Nissan) oder Oliver Turvey (zuletzt NIO) sind möglicherweise noch zu haben.

Für den früheren McLaren-Junior und GP2-Champion de Vries öffnet sich die Türe zur Formel 1 etwas weiter ausgerechnet nach seiner schwächsten Saison in der Formel E! Während Mercedes-Teamkollege Stoffel Vandoorne die Weltmeisterschaft gewann, kam der Holländer nicht über den neunten Platz hinaus und ergatterte nur halb so viele Punkte.

Zwei Siegen und drei Podestplätzen standen vier Ausfälle und mehrere Kollisionen gegenüber. Wehrlein - siehe oben - lässt grüßen. All das dürfte de Vries aber kaum noch interessieren, sollte sich sein langgehegter Traum von der Formel 1 doch noch erfüllen...