Beim Samstagsrennen der Formel E im mexikanischen Puebla gab es leider mehr Verlierer als Sieger. Sicherlich freute sich Audi-Pilot Lucas di Grassi über den geerbten Sieg (sein erster nach 756 Tagen), doch auf der Gegenseite lieferte die Rennserie selbst - wieder einmal - ungewollte Schlagzeilen. Der eigentliche Rennsieger Pascal Wehrlein? Disqualifiziert, weil sein Porsche-Team nicht in der Lage war, die Reifen korrekt im System zu registrieren!

Erinnerungen wurden wach an Daniel Abt, der Ende 2017 in Hongkong wegen einer falschen Eintragung im Audi-Wagenpass seinen ersten Sieg in der Formel E viele Stunden nach Rennende verlor. Ebenso Wehrlein, der wie Porsche vor dem ersten Triumph in der Elektro-Rennserie stand. Oder an Stoffel Vandoorne, der zuletzt in Valencia die Pole Position wegen eines durch Mercedes verschuldeten Zahlendrehers verlor.

Eines vorweg: Regeln sind Regeln. Wenn es (fast) alle Teams schaffen, ihre Daten korrekt anzugeben, dann hat Einer nun mal Mist gebaut und wird dafür bestraft. Kann passieren, sollte es einem großen Hersteller aber nicht, wenn er um eine offizielle FIA-Weltmeisterschaft kämpfen möchte.

Ebenso beim Fanboost-Vorfall im Sonntagsrennen von Puebla, in dem Wehrlein und Porsche faktisch einen Fehler begingen, als der frühere Formel-1-Fahrer und DTM-Champion seinen Fanboost erst in der letzten Rennrunde zündete, obwohl die per Reglement vorgegebene Mindestenergie nicht mehr erreicht werden konnte. Doppelt ärgerlich: Er hätte den Fanboost nicht einmal aktivieren müssen. Eine 5-Sekunden-Zeitstrafe und Platz vier statt zwei waren die Folge.

Ausgerechnet Wehrlein, ausgerechnet der seit jeher heiß diskutierte Fanboost: ein regelrechter Wasserfall auf die Mühlen der zahlreich vorhandenen Formel-E-Kritiker! Wer will es ihnen verdenken? Seriengründer Alejandro Agag wusste genau, warum er schon nach der Porsche-Disqualifikation im Fahrerlager wütete. "Wir sollten uns bei den Fans entschuldigen, weil sie nicht verstehen, was passiert ist", sagte der Geschäftsmann und suchte quasi die offene Konfrontation mit der FIA als Regelmacher.

Dutzende Fahrer wurden in den vergangenen Jahren der Formel E nachträglich disqualifiziert, schier unzählige erhielten Strafen, die das Ergebnis viele Stunden später veränderten. Das kann auch nicht im Sinne der FIA sein, wenngleich die Rennleitung angehalten ist, einen Großteil der Fälle erst nach dem Rennende und im Angesicht aller verfügbaren Daten zu bearbeiten.

Dieses Prozedere mag im Sinne der Fairness aller Ehren wert sein - im Sinne des Sports ist es das garantiert nicht! Da schütteln selbst Hardcore-Fans der Formel E nur noch mit den Köpfen. Es muss sich dringend etwas ändern für die Zukunft, so kann man keinen Vorstand von einem Einstieg überzeugen.

Pascal Wehrlein startet seit der Saison 2021 für Porsche in der Formel E, Foto: Porsche AG
Pascal Wehrlein startet seit der Saison 2021 für Porsche in der Formel E, Foto: Porsche AG

Wehrlein selbst wünschte sich eine Geldstrafe statt einer Disqualifikation. Das kam bei den Fans gut an, ist aber mit äußerster Vorsicht zu genießen. Geldbußen - wenn nicht gerade in Höhe von 100 Millionen - sind im Motorsport ein Freifahrtschein für die cleveren Hersteller, die grundsätzlich jede Regel mindestens bis ans Limit strapazieren. Bei zweistelligen Millionen-Budgets fallen ein paar tausend Euro Strafe überhaupt nicht ins Gewicht, wenn dabei ein potenzieller Performance-Vorteil herausspringt.

Ohne Bürokratie funktioniert der hochkomplexe Motorsport nun einmal nicht. Manchmal ebenso nervig wie absolut notwendig. Auch ist die Rennleitung nicht dafür verantwortlich, Fehler von Teams oder Fahrern auszubügeln. Wenn das Strafmaß nicht eindeutig im Reglement definiert ist, wird diese Angelegenheit vor allem mit Blick auf zukünftige Vergehen zum absoluten Drahtseilakt, der gleichzeitig nach großem Fingerspitzengefühl verlangt.

Porsche hat Einspruch eingelegt gegen den Wertungsausschluss seiner beiden Fahrer am Samstag. Die Aussichten auf Erfolg sind höchst überschaubar, nachdem das Team selbst einen "administrativen Fehler" eingestanden hat. Bei Nissan, wo die Fahrer Sebastien Buemi und Oliver Rowland am Samstag ebenfalls wegen falsch registrierter Reifen disqualifiziert wurden, verzichtete das Team auf einen Protest, hüllte lieber den Mantel des Schweigens darüber und beließ in der eigenen Pressemitteilung lediglich bei einem Verweis auf ein "technisches Vergehen".

Will Porsche mit dem Gang vors Sportgericht ein Zeichen setzen - und zumindest als 'Sieger der Herzen' aus der Angelegenheit hervorgehen? Es bleibt nur zu hoffen, dass alle Verantwortlichen mit Blick auf zukünftige Entscheidungen in der Formel E wachgerüttelt werden. Im Sinne des Sports!