Für die Formel E waren die angekündigten Ausstiege von Audi und BMW zum Ende der Saison 2021 zwei gewaltige Warnschüsse. Die deutschen Mitstreiter Mercedes und Porsche haben sich in diesem Zuge zunächst zu einem weiteren Engagement in der Elektro-Rennserie bekannt, doch der wahre Knackpunkt liegt in der Saison 9, wenn zum Jahresende 2022 die neuen Gen3-Rennwagen eingeführt werden.

Zur dritten technischen Evolution der Formel E steht offiziell bislang nur Gründungsmitglied Mahindra. Nach bisherigem Stand wurde die Frist, um sich für die Gen3-Ära ab 2022/23 einzuschreiben, bis Juni 2021 verlängert. In den Vorstandsetagen der aktuell zehn involvierten Hersteller steht ein längerfristiges Engagement in der ersten reinelektrischen Rennserie der Welt genau auf dem Prüfstand.

Formel-E-Gründer Alejandro Agag begegnete den Ausstiegen zwei renommierter Marken mit einer gewissen Lockerheit. "Wir haben immer noch mehr Hersteller als jede andere Meisterschaft", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Es herrscht eine große Nachfrage. Diese Neuigkeiten scheinen bedeutsamer zu sein als sie es in Wirklichkeit sind."

Formel E: Gespräche mit drei Herstellern

Laut Agag gebe es aktuell Gespräche mit drei großen Autoherstellern, die gern in die Formel E einsteigen würden. Namen nannte der spanische Geschäftsmann und ehemalige GP2-Teamchef nicht. "Wir haben eine Warteliste, täglich melden sich Hersteller und Teams", sagte jüngst Formel-E-Mitgründer Alberto Longo zu Motorsport-Magazin.com.

Ein Neueinstieg lohnt sich vor allem ab der Saison 2022/23, wenn die neuen und leistungsstärkeren Rennautos kommen. Aktuell dürfen Hersteller ihre Antriebsstränge nur einmal für die kommenden beiden Saisons (2021 & 2021/22) homologieren, um Kosten zu sparen. Audi kann sich vorstellen, seine Startplatzlizenz ab Saison 8 (2021/22) abzugeben, im Falle von BMW hält Partner Andretti seit jeher die Lizenz.

Wolff fordert Kostenobergrenze

Erste Sparmaßnahmen hatte die Formel E im Zuge der Corona-Krise bereits eingeführt. Weitere forderte nun unter anderem Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Eine Budgetobergrenze muss früher als später kommen, ähnlich wie in der Formel 1", sagte der Österreicher am Rande des letzten Formel-1-Rennens in Bahrain. Ab 2021 liegt die Kostengrenze in der F1 bei 145 Millionen Dollar (ca. 119 Millionen Euro), bis 2023 soll sie auf 135 Millionen Dollar (ca. 111 Millionen Euro) gesenkt werden.

In der Formel E agieren Teams mit einem Bruchteil aktueller Formel-1-Budgets, wenngleich die Kosten in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sind. Als Richtwert für ein Jahr in der Formel E gelten laut unterschiedlichen Branchenkennern derzeit 20 bis 30 Millionen Euro.

Toto Wolff: "Mit Blick auf die Aufstellung der Formel E sehe ich eine glänzende Zukunft. Aber natürlich muss die Serie bei all unseren Erwartungen abliefern, darunter fallen Branding, Marketing und Reichweite. Wenn diese Erwartungen erfüllt werden, macht es für uns Sinn, in der Serie zu bleiben."

Porsche: Wir stimmen Mercedes zu

Mercedes war zusammen mit Porsche zur Saison 2019/20 als Werksteam in die Formel E eingestiegen. Der Sportwagenhersteller teilte Wolffs Ansichten über die künftige Ausrichtung. "Wir stimmen Mercedes zu", teilte Fritz Enzinger, Vize-Präsident Porsche Motorsport, mit. "Wir sollten die aktuelle Situation zum Anlass nehmen, uns zusammenzusetzen, um weitere Potenziale zu bewerten und zu verstehen und dadurch diese junge Meisterschaft in naher Zukunft noch stärker zu machen."

Eine Budgetobergrenze wurde mit jedem weiteren Einstieg eines großen Herstellers in die Formel E diskutiert, aber nie umgesetzt. Die Corona-Krise könnte auch hier als Brandbeschleuniger für Änderungen dienen, um weitere Herstellerausstiege zu vermeiden.

Agags Gruß an Aussteiger Audi und BMW

Agag stimmte Wolffs Ausführungen zu und sprach laut Reuters von einer wünschenswerten Kostengrenze in Höhe von 15 Millionen Euro pro Saison: "Wir müssen diese Kostengrenze so bald wie möglich einführen. Das wollten wir schon vor den Entscheidungen von Audi und BMW. Vielleicht helfen die sogar, um das schneller umzusetzen."

Damit schickte Agag einen Gruß nach Ingolstadt und München: "Ginge es nach mir, wäre die Kostengrenze noch niedriger. Es ist aber lustig, dass manche der Hersteller, die jetzt aussteigen, diejenigen waren, die sagten, dass man bei der Kostengrenze nicht niedriger gehen könne."

BMW: Technologietransfer ausgereizt

BMW argumentierte seinen angekündigten Ausstieg nach drei Saisons als Werksteam mit den erschöpften Möglichkeiten des Technologietransfers. Audi blies ins gleiche Horn. "Heute ist Elektromobilität bei den Vier Ringen nicht mehr Zukunftsmusik, sondern Gegenwart", sagte Audi-Boss Markus Duesmann.

Die Ingolstädter betätigen sich ab 2022 mit einem alternativ angetriebenen Prototypen bei der Rallye Dakar sowie ab 2023 unter der neuen LMDh-Formel bei den 24 Stunden von Le Mans respektive WEC und IMSA-Serie. Im Zuge dieser Neuausrichtung wurde der erfolgreiche Motorsportchef Dieter Gass durch Julius Seebach, gleichzeitig Geschäftsführer der Audi Sport GmbH, ersetzt.

BMW, ebenso DTM-Aussteiger wie Audi, hat sein langfristiges Motorsportprogramm noch nicht bekanntgegeben. Nach dem Abschied des langjährigen Motorsport-Direktors Jens Marquardt hat kommissarisch Markus Flasch, Geschäftsführer der M GmbH, die Leitung des Motorsportprogrammes übernommen.