Da haben Audi und BMW dem TV-Sender Sat.1 zwei 'schöne Geschenke' unter den Weihnachtsbaum gelegt. Öffnen durfte sie der neue Fernsehpartner der Formel E in Deutschland sogar vor der Bescherung... Audi raus! BMW raus! Mit diesen beiden Schlagzeilen als Pfund muss die Elektro-Rennserie zum neuen Jahresbeginn in ihre siebte Saison starten.

Es wird nicht nur die erste als offizielle FIA-Weltmeisterschaft, sondern auch die schwierigste seit dem Debüt 2014, als die Kassen leer waren und die Zukunft ungewiss. Auch Audi und BMW haben mitgeholfen, die Formel E zu etablieren - jetzt ziehen sie Ende 2021 den Stecker, die Ankündigungen erfolgten im Abstand von zwei Tagen.

"Wir haben eine Warteliste mit Teams und Herstellern, die täglich anrufen", sagte uns Formel-E-Mitgründer Alberto Longo wenige Stunden vor dem Audi-Beben. An der Haltung der Verantwortlichen hat sich seit dem Seriendebüt nichts geändert: Wer nicht mitzieht, soll halt gehen. Nach 2021 sind - laut aktuellem Stand, wie es heute gerne heißt - noch immer acht internationale Hersteller an Bord.

Regeln macht die Formel E, nicht die Hersteller

Der Rückzug der prestigeträchtigen Marken Audi und BMW wird die starken Männer wie Longo und Gründer Alejandro Agag mehr schmerzen als sie es jemals öffentlich zugeben würden, aber vom eingeschlagenen Kurs lassen sie sich nicht abbringen. Seit jeher gilt: Die Regeln macht die Formel E, nicht die Hersteller!

Mit dieser wenig kompromissbereiten Einstellung kam es immer wieder zu Reibereien zwischen der Serie und ihren Partnern. Bislang ist die Ecclestone/Mosley-Taktik der cleveren Geschäftsmänner größtenteils aufgegangen, weil sie wissen: Je mehr Macht die Hersteller erhalten, desto stärker gerät das Gefüge außer Kontrolle. Stichwort 'Kostenexplosion'.

Ein Ausufern der Entwicklungsausgaben fürchteten Beobachter der Formel E mit jedem weiteren Herstellereinstieg. Doch wie der Fels in der Brandung machten die Serienbosse immer wieder klar, dass nur in wenigen Bereichen nach Belieben Geld ausgegeben werden darf. Auch beim künftigen Gen3-Rennwagen ab 2022/23 kommen weiterhin einheitliche Batterien und Chassis zum Einsatz. Der indische Auto-Gigant Mahindra hat sich als Erster zum neuen Reglement bekannt, doch das ging dank Audi und BMW komplett unter.

BMW und Audi steigen nach 2021 aus der Formel E aus, Foto: LAT Images
BMW und Audi steigen nach 2021 aus der Formel E aus, Foto: LAT Images

BMW: Technologie-Transfer ausgereizt

Kein Wunder, dass BMW seinen Ausstieg mit den erschöpften Möglichkeiten des Technologietransfers argumentierte. Und Audi blies ins gleiche Horn. "Heute ist Elektromobilität bei den Vier Ringen nicht mehr Zukunftsmusik, sondern Gegenwart", sagte Markus Duesmann, heutiger Audi-Vorstand mit Formel-1-Vergangenheit.

Audis kürzlicher Verweis auf eine Gesamteffizienz von 95 Prozent beim komplett neu entwickelten Antriebsstrang klingt rückwirkend schon fast wie eine Drohung. Tatsache ist: Die anderen Hersteller erreichen ähnliche Werte. Das kann auf der einen Seite als Ingenieurskunst ausgelegt werden. Auf der anderen Seite als klare Ansage, dass hier nicht mehr viel zu holen ist.

Porsche: In den nächsten Jahren um Weltmeistertitel kämpfen

Angesichts der eingeschränkten Unterscheidungsmerkmale beim Auto wandert der Fokus auf die Strategie, wie das ständige 'Paar-Fahren' der Teams bei den Testfahrten in Valencia bereits gezeigt hat. Und dass das Qualifying-Lotto zwar für länger anhaltende Spannung in der Meisterschaft sorgt, den Herstellern mit ihren Ingenieurs- und Strategiescharen aber seit jeher ein Dorn im Auge ist, dürfte kein Geheimnis sein.

Porsche hat im Zuge der Ausstiege auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zwar angekündigt, auch "in den nächsten Jahren um Weltmeistertitel kämpfen" zu wollen. Aber genau wie bei Mercedes gab es in der Vergangenheit aus Zuffenhausen heraus immer wieder den Wunsch nach mehr Entwicklungsspielraum in der Formel E, etwa mittels einer Teilöffnung der Einheitsbatterie. Dem entgegen stehen die Kosten, die in den Jahren und durch die Hersteller immer weiter angestiegen sind. Forderungen nach einer Budgetdeckelung wie in der Formel 1 blieben bislang unbeantwortet.

Porsche spricht von längerfristiger Zukunft in der Formel E, Foto: Porsche AG
Porsche spricht von längerfristiger Zukunft in der Formel E, Foto: Porsche AG

Mercedes: Wendepunkt für die Formel E

Die Ausstiege von Audi und BMW bezeichnete Mercedes-Teamchef Ian James gegenüber Motorsport-Magazin.com als einen Wendepunkt für die Formel E.

Die Rennserie habe sich etabliert und das Potenzial, weiter zu wachsen. Gleichzeitig merkte James an: "Jedoch ist jetzt der Moment, wichtige Entscheidungen bei den technischen und finanziellen Richtlinien zu treffen, und die richtigen Rahmenbedingungen für die Jahre festzulegen, die vor uns liegen. Wir sind entschlossen, aktiv zur Weiterentwicklung der Formel E beizutragen und eine nachhaltige Zukunft für die Rennserie zu schaffen. Gleichzeitig freuen wir uns auf die bevorstehende Saison 7."

Und dann kam Corona...

Bei der aktuell herrschenden Goldgräberstimmung im Elektro-Motorsport - von DTM Electric und Rallye Dakar über SuperCharge mit freier Batterieentwicklung bis hin zur HWA-Wasserstoffserie - sieht sich die Formel E einer nie gekannten Konkurrenz gegenüber mit Plattformen, die den Herstellern einen wesentlich größeren Entwicklungsspielraum einräumen. Und auf denen sie mit eigenen Technologien glänzen können wie einst bei den 24 Stunden von Le Mans.

Es ist mehr als vorstellbar, dass weitere Hersteller den Beispielen von Audi und BMW folgen werden, bevor sie in die Entwicklung des Gen3-Autos investieren. Zulieferer, Tech-Startups und Autobauer mit begrenztem Budget könnten ihren Platz einnehmen.

Audi kann sich vorstellen, seine Startplatzlizenz abzugeben, etwa an ein Privatteam samt potentem Partner. Im Falle von BMW hält nach Informationen von Motorsport-Magazin.com US-Rennstall Andretti die Lizenz. Nicht umsonst und in weiser Voraussicht hatte Alejandro Agag bei allem Hersteller-Hype schon immer den Wert von privaten Teams hervorgehoben.

Das war allerdings vor der Corona-Pandemie, die Unternehmenskassen in allen Märkten nachhaltig strapazieren wird. Und wegen der noch immer unklar ist, wo die Formel E 2021 mit ihrem innovativen Stadtrennenkonzept überhaupt fahren kann. Weitere Kompromissveranstaltungen wie in Berlin hinter verschlossenen Türen würden die Zukunft auf eine derartige Belastungsprobe stellen, dass sogar die taffen Formel-E-Bosse ins Schwitzen kommen.