Es hätte die umfangreichste Saison in der Geschichte der Formel E werden sollen. 14 Rennen in zwölf Städten, so der Plan der Elektro-Rennserie in ihrem sechsten Jahr. In Zeiten der Corona-Krise sieht die Realität anders aus. Fünf Rennen musste die Formel E absagen beziehungsweise offiziell verschieben, betroffen sind die ePrix im chinesischen Sanya, Rom, Paris, Seoul und Jakarta.

Nach aktuellem Stand würde die Serie in diesem Jahr nach den bisherigen fünf Rennen noch vier weitere veranstalten: Berlin (21. Juni), New York (11. Juli) sowie das Saisonfinale in London mit zwei Rennen (25./26. Juli) an einem Wochenende. Ein eingeführtes Ampelsystem soll Aufschluss über den weiteren Verlauf geben, aktuell könnte das nächste Rennen theoretisch im Mai stattfinden.

Die Coronavirus-Pandemie bedeutet einen herben Rückschlag für die Formel E, die ihre Rennen traditionell in Innenstädten austrägt. In diesen ungewissen Zeiten ist von den Serienverantwortlichen mehr Flexibilität gefragt als je zuvor. Eine Kür, die der Formel E in der Vergangenheit mehrfach gelungen ist. Rennen inmitten von Metropolen bringen einige politische Tücken mit sich, die weit über den Rennsport hinausgehen.

"Wir wollen versuchen, bis zum Ende dieser laufenden Saison so viele Rennen wie möglich zu fahren", wird Formel-E-Mitgründer Alberto Longo in der Berliner Morgenpost zitiert. Die Serie werde die Krise überstehen, zeigte sich der Spanier optimistisch: "Wir sind ein stabiles Unternehmen, und obwohl diese Kette von Ereignissen sehr plötzlich und ohne jede Vorwarnung passiert ist, haben wir Notfallpläne für jede Situation."

Formel E 2019/20: Top-6 Fahrer der Meisterschaft

PositionFahrerHerstellerPunkte
1Antonio Felix da CostaDS Techeetah67
2Mitch EvansJaguar56
3Alexander SimsBMW46
4Maximilian GüntherBMW44
5Lucas di GrassiAudi38
6Stoffel VandoorneMercedes38

Ein Vorteil der Formel E: Die Saisons werden jahresübergreifend ausgetragen und finden schon früh zu Beginn eines neuen Kalenderjahres statt. Seit dem Auftakt am 22. November 2019 in Saudi-Arabien gingen immerhin schon fünf ePrix bei vier Veranstaltungen über die Bühne - auch, wenn die beiden Rennen in Saudi-Arabien größtenteils unter dem Radar der Öffentlichkeit liefen...

Per Sportlichem Reglement der Formel E müssen in dieser Saison mindestens sechs Veranstaltungen ausgetragen werden, damit die Meisterschaft anerkannt wird. Per Definition kann eine Veranstaltung ein oder zwei Rennen beinhalten. Im Falle von zwei Rennen müssen diese auf zwei Tage und mit einem ähnlichen Ablaufplan ausgetragen werden.

Heißt: Zum aktuellen Zeitpunkt fehlen der Formel E zwei Veranstaltungen, um Champions in der Fahrer- und Teamwertung krönen zu können. Ideen, bei den Veranstaltungen in Berlin und New York jeweils ein weiteres Rennen hinzuzufügen, gibt es seit längerer Zeit. Diese Lösung würde zwar zu mehr ePrix und mehr Einnahmen führen, jedoch nichts an der benötigen Mindestanzahl an Events ändern.

Da sich derzeit kaum einschätzen lässt, wie lange die Corona-Krise anhält, gibt es unterschiedliche Denkansätze. Zum einen bestünde die Möglichkeit, Rennen auf permanenten Rennstrecken auszutragen. Die Formel E stand am 13. März kurz davor, ein Doppel-Rennwochenende in Valencia - dort befinden sich aktuell alle Autos und die Ausstattung - für Anfang April anzukündigen. Dann wurde im Zuge der rasanten Entwicklungen jedoch kurzfristig die Reißleine gezogen und die Rennen in Rom, Paris und Seoul abgesagt.

Intern diskutiert wurde zuletzt auch eine Verlängerung der Saison, die unter normalen Umständen mit dem London-Finale am 26. Juli geendet hätte. Eine Ausweitung bis in den September hinein gilt als theoretisch machbar, auch, wenn das Auswirkungen auf die folgende Saison 7 haben würde. Testfahrten stehen meist im Oktober an, bevor die neue Saison im November oder Dezember erneut in Saudi-Arabien startet.

Homologationstermine müssten aufgrund der knappen Zeit vermutlich nach hinten verlegt werden. Zwar sind Chassis und Batterien seit jeher Einheitsbauteile, doch die Teams dürfen den Antriebsstrang und Teile der Hinterachse (Brake-by-Wire) in Eigenregie innerhalb eines entsprechenden Reglementrahmens entwickeln.

Formel E 2019/20: Top-6 Teams der Meisterschaft

PositionTeamPunkteFahrer
1DS Techeetah98Vergne/Felix da Costa
2BMW90Günther/Sims
3Jaguar Racing66Evans/Calado
4Nissan e.dams57Buemi/Rowland
5Mercedes-Benz 56Vandoorne/de Vries
6Audi 46Abt/di Grassi

Einigkeit herrscht in dem Sinne, unter den gegebenen Umständen so viele Rennen wie möglich in der laufenden Saison veranstalten zu wollen. "Natürlich unterstützen wir die Entscheidung der Formel E und der FIA, die Saison auszusetzen, voll", sagt Mercedes-Teamchef Ian James zu Motorsport-Magazin.com. "Die Sicherheit und Gesundheit der Fans, Teams und aller anderen Beteiligten hat für uns höchste Priorität. Und wir werden die Formel E dabei unterstützen, einen Plan für die Saison zu entwickeln, so viele Rennen durchzuführen, wie verantwortbar ist."

Einig waren sich die Involvierten auch bei der vergleichsweise frühen Entscheidung, konsequent eine Unterbrechung der Saison einzulegen. Ein Herum-Geeiere kann sich die Formel E in dieser Hinsicht sicherlich nicht vorwerfen lassen.

Pascal Zurlinden, Porsche Gesamtprojektleiter Werksmotorsport, zu Motorsport-Magazin.com: "Die Entscheidung der FIA und der Formel E, die Formel-E-Saison aufgrund der Ausbreitung von COVID-19 vorübergehend zu unterbrechen, unterstützen wir in vollem Umfang. Motorsport ist unsere Leidenschaft. Daher bedauern wir das Aussetzen der geplanten Formel-E-Rennen natürlich sehr. Insbesondere in unserem Rookie-Jahr sind Erfahrungswerte enorm wichtig. Die Gesundheit unserer Mitarbeiter, der Formel-E-Community und der Menschen weltweit hat jedoch oberste Priorität."

Das fünfte und bislang letzte Rennen der Formel-E-Saison 2019/20 ging am 29. Februar im marokkanischen Marrakesch über die Bühne. Bereits am 02. Februar sagte die Formel E den für den 21. März geplanten Sanya ePrix ab. Am 06. März wurde die Absage des Rom-Rennens (04. April) offiziell kommuniziert. Fünf Tage später fiel die Entscheidung, das für den 06. Juni angesetzte Rennen in der indonesischen Hauptstadt Jakarta abzusagen - nicht zuletzt wegen politischer Streitigkeiten im Land.

Am 13. März kommunizierte die Formel E schließlich die Entscheidung, die Saison für zwei Monate zu unterbrechen. Davon betroffen war auch die geplante Rennpremiere in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul am 05. Mai. Die Pressemitteilung wurde einen Tag nach der offiziellen Absage des Formel-1-Rennens in Melbourne verschickt, intern war die Entscheidung bereits einige Tage zuvor getroffen worden.