Es wird immer ruppiger in der Formel E. Kein Rennwochenende, an dem es nicht zu einer Crash-Kontroverse kommt. So wie zuletzt in Sanya, als Audi-Pilot Lucas di Grassi nach dem späten Unfall mit Beteiligung von Sebastien Buemi und Robin Frijns der Kragen platzte. Oder davor in Hongkong, als Techeetah in Folge des Lotterer/Bird-Unfalls bei der Rennleitung eine härtere Strafe für den Briten einforderte.
Nicht nur Techeetah merkte in seinem offiziellen Einspruch gegen Birds Strafe an, dass die Verantwortlichen sich um die Härte im Wettbewerb sorgen. Ins gleiche Horn blies nun auch Audi-Motorsportchef Dieter Gass, der in Sanya mitansehen musste, wie zwei Fahrer mit Audi-Motor - di Grassi und Frijns vom Kundenteam Virgin - aus den Punkterängen befördert wurden.
Gass schrieb auf seiner Facebook-Seite in einem öffentlich einsehbaren Eintrag: "Mit dem Ausgang des Rennens in Sanya bin ich nicht glücklich! Buemis Strafe war keine Strafe! Es beförderte ihn nur zurück auf die Position, in der er sich befand, bevor er zwei Audis vor sich ausschaltete. Wo ist da also die Strafe?"
Die Stewards machten Buemi als Verantwortlichen aus und brummten dem Nissan-Piloten nachträglich eine 10-Sekunden-Zeitstrafe auf. Dadurch fiel er vom sechsten auf den achten Rang zurück. Für di Grassi kein Trost, denn er selbst hatte bis zum Crash auf dem sechsten Platz gelegen. Durch den Ausfall ging der Saison-3-Champion komplett leer aus. Ebenso Frijns, der bei der Kollision den Frontflügel seines Virgin-Boliden verlor und die letzte Runde nicht absolvieren konnte.
"Mehr eine Einladung als eine Strafe", wetterte Gass anschließend. "Das ist sehr schwer zu verdauen! Die Formel E muss aufpassen, nicht zu einem Demolition Derby zu verkommen. Einige gefährliche Präzedenzfälle wurden jetzt geschaffen. Ich muss zugeben, ich bin besorgt."
Tatsächlich mehrt sich die Kritik an der harten Gangart mit den neuen Gen2-Rennwagen, die erstmals seit dieser Saison zum Einsatz kommen. Vor seinem Sanya-Sieg hatte sich der amtierende Champion Jean-Eric Vergne mehrfach beschwert, dass zu hart gefahren werde und die Vergabe der Strafen nicht immer nachvollziehbar sei. Vor Sanya verpasste Vergne dreimal in Folge die Punkteränge, nachdem er davor 20 Rennen nacheinander in die Top-10 gefahren war.
Als sein Techeetah-Teamkollege Lotterer in Hongkong auf dem Weg zum Sieg von Virgin-Pilot Bird gerammt wurde, kassierte dieser eine nachträgliche 5-Sekunden-Strafe. Diese warf Bird vom ersten auf den sechsten Platz zurück, während Lotterer die Ziellinie nur auf Platz 14 überquerte. Im Zuge des Techeetah-Protests gegen die vermeintlich zu milde Bestrafung urteilten die Stewards, dass nicht die Folgen entscheidend seien, sondern ausschließlich der Zwischenfall selbst behandelt werde.
Woran liegt es, dass die Fahrer der Formel E härter zur Sache gehen als es in der Vergangenheit der Fall war? Einige Piloten führten dies auf die größeren Dimensionen des Gen2-Wagens auf den ohnehin engen Stadtkursen zurück, die das Überholen weiter erschweren. Das neue Rennauto ist 160 Millimeter länger als der Gen1-Vorgänger, gleichzeitig aber auch 20 Millimeter schmaler.
Vielmehr kommt aber ein Umstand zum Tragen, den Experten schon bei der Vorstellung des Gen2-Autos im vergangenen Jahr angemerkt hatten: die Heckpartien mitsamt den üppigen Diffusoren sind zu fragil. Im Gegenzug halten die Frontflügel stärkere Berührungen aus - diese heikle Kombination haben sich in den bisherigen Rennen einige Fahrer im Zweikampf zunutze gemacht. Vor allem in den Startphasen, die die meisten Positionsgewinne versprechen, krachte es seit Saisonbeginn regelmäßig.
Aufgrund der immer härter geführten Rennen mit zahlreichen Kollisionen und Ausfällen - in Sanya fielen neun Fahrer vorzeitig aus, in Hongkong waren es acht - schlagen die Verantwortlichen nun immer lauter Alarm. "Einige Fahrer haben am Ende ihre Ellenbogen etwas zu sehr ausgepackt", sagte auch Audi-Teamchef Allan McNish nach der Rennpremiere in Sanya. Drei Wochen Pause stehen nun für die Formel E an, bevor die Europa-Tournee am 13. April in Rom beginnt.
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