Herr Stuck, Sie als Racer der alten Schule müssten der jungen Formel E doch eigentlich kritisch gegenüberstehen...
Hans-Joachim Stuck: Nein, gar nicht! Ich bin nach wie vor vom Kopf her offen. Man muss einfach sagen, dass die Grundlagen der Formel E dem heutigen Zeitgeist entsprechen. Deshalb kann ich mich bestens damit identifizieren. Die Formel 1 wird es hoffentlich nie ersetzen, denn wir brauchen auch diesen Motorsport. Aber wenn wir uns vernünftig mit dem Thema E-Mobilität - die Betonung liegt auf vernünftig - beschäftigen wollen, dann ist die Formel E ein gesunder Beitrag dazu. Alles andere, was da so im Raum steht - was wir bis 2030 alles bekommen sollen - das ist für mich alles unrealistisch und nicht machbar. Aber die Formel E leistet mit ihrer Serie einen Beitrag dazu, einen vernünftigen Schritt nach vorne zu gehen.

Ihr Kollege Gerhard Berger ist noch nicht so begeistert von der Formel E, wie er mehrfach erwähnte. Wie können Sie ihn von der Serie überzeugen?
Hans-Joachim Stuck: Ich hab' ihn schon eingeladen zu einem Rennen in der kommenden Saison. Da werden wir beide eine schöne Reise machen und ich werde ihm alles erklären. Da bin ich mal gespannt auf seine Reaktion. Er ist ja auch ein Racer mit Herz, muss man sagen. Wenn ich bei meinen Tätigkeiten als Steward in der Formel E einen Andy Soucek oder Bruno Senna dabei habe, die das Auto auch schon gefahren sind - die Jungs finden das toll zu fahren. In der Formel E ist der Fahrer ein wichtiger Punkt, weil du keine übertriebene Aerodynamik und keine überbreiten Reifen hast. Es ist auch schwierig, so ein Auto zu fahren, weil sofort Leistung anliegt. Die Fahrer finden das alle cool. Jetzt muss ich nur noch den Gerhard überzeugen. Ich hoffe, dass ich das hinkrieg'.

In Deutschland tun sich die Fans mit der Formel E noch schwer. Warum ist das so?
Hans-Joachim Stuck: Das ist auch verständlich bei neuen Dingen. Ich kann mir schon vorstellen, dass Motorsport-Fans, die in einem gewissen Alter sind, Dinge vermissen. Das ging mir genauso beim ersten Rennen in Miami vor drei Jahren. Da hab' ich zu meiner Frau gesagt: 'Das ist ja ein Scheiß. Da hörst ja nix!' Da hat meine Frau gesagt: 'Pass mal auf, Alter: Du hast dir 40 Jahre lang Ohrstöpsel reingesteckt gegen den Lärm. Und jetzt beschwerst du dich, dass kein Lärm ist'.

Und?
Hans-Joachim Stuck: Da hat sie natürlich Recht gehabt. Wenn du mal bei ein paar Rennen dabei bist, dann genießt du es, den Streckensprecher zu hören. Du hörst auch andere Geräusche wie Reifenquietschen, Bremsen oder wenn einer in die Mauer einschlägt. Dafür muss man einfach offen sein. Ich denke, dass gerade die jüngeren Leute das interessant finden, auch die Interaktion durch den Fanboost. Wir sind auf einem guten Weg.

Wie sehen Sie die Formel E in Deutschland aufgestellt?
Hans-Joachim Stuck: Wir haben ja einen Lauf in Berlin. Und es ist auch kein Geheimnis, dass sich München um ein Rennen beworben hat. Das ist gut. Ich halte es auch für eine Sensations-Entscheidung, dass die Formel E kommendes Jahr in Zürich fährt. Dass in der Schweiz als motorsportneutralem Land gefahren wird, finde ich weltbewegend! Große Klasse, die Richtung stimmt.

Wie bewerten Sie den Ansturm gerade der deutschen Hersteller in die Formel E?
Hans-Joachim Stuck: Wir müssen uns mit dem Thema E-Mobilität beschäftigen. Was wir in 30 Jahren fahren, wissen wir nicht. Jeder Hersteller tut gut daran, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Es sind ja gewisse Entwicklungen in der Formel E freigestellt und der Motorsport ist nach wie vor das härteste und schnellste Prüffeld für solche Dinge. Auch die Kosten sind überschaubar. Wenn dann ein guter Wettbewerb stattfindet, ist das eine gute Sache - und mit Emotion-Club und der Formel E als Ein-Tages-Event ein guter Marktplatz.

Haben Sie keine Sorge, dass die Hersteller zu viel Einfluss ausüben wollen?
Hans-Joachim Stuck: Ich traue dem Herrn Agag (Alejandro Agag, Formel E CEO;d.Red.) zu, dass er das in den Griff bekommt.