Norbert Haug liebt Statistiken. Zum Beispiel solche: Der dritte Platz von Nico Rosberg in Shanghai war der zweite Podestplatz des Mercedes GP-Piloten in Serie. Gleichzeitig fuhr mit Rosberg zum ersten Mal seit Italien 1955 ein Mercedes-Werkssilberpfeil an der Spitze eines Formel-1-Rennens. Mit Jenson Button, Lewis Hamilton und Rosberg standen erstmals seit England 1955 drei Fahrer mit Mercedes-Benz Motor auf dem Podium. Damals hatten Mercedes-Fahrer sogar die ersten vier Plätze belegt.

Michael Schumacher waren Statistiken in seiner ersten Formel-1-Karriere meistens egal. Trotzdem gibt ihm seine bisherige Bilanz der Saison 2010 zu denken. In vier Comeback-Rennen sammelte Schumacher insgesamt zehn WM-Punkte. Damit liegt er auf dem zehnten Platz der Weltmeisterschaft und hat 50 Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Button. Auch seine Qualifying-Bilanz ist ernüchternd: Er fuhr die Startplätze 7, 7, 8 und 9 ein und startete jedes Mal hinter seinem Teamkollegen.

Schumachers Silberpfeil: Krumm und stumpf

Diese Statistiken bereiten Haug weniger Freude. Trotzdem tritt er auf die Kritikbremse: "Michael ist eine Institution", stellt sich der Mercedes-Motorsportchef schützend vor seinen Star. "Keine Angst: Er hat das Autofahren nicht verlernt." Das bewies Schumacher gleich bei mehreren Duellen im Regen von Shanghai. Dabei wurde selbst seinen Kritikern klar: Der Rekordchampion ist immer noch einer der besten Racer - selbst das aggressive Überholwunderkind Lewis Hamilton biss sich lange die Zähne am Altstar aus.

Dabei handelte sich Schumacher allerdings ein paar Schrammen an seinem Silberpfeil ein. "Nach einer Berührung war das Fahrzeug krumm", meint Haug und legt sogar noch eine Theorie nach, warum Schumacher nur beim Kampfgeist, aber nicht beim Speed mithalten konnte. "Ich denke, an diesem Auto ist etwas", teilt Haug mit. "Das müssen wir allerdings erst noch untersuchen." In Barcelona soll Schumacher ein neues Chassis erhalten, das seine stumpfe Waffe wieder spitzen soll.

Teamchef Ross Brawn sprach nicht von krummen Autos und angeblich fehlerhaften Chassis. Er analysierte nüchtern: "Wir müssen verstehen, warum seine Reifen so schnell aufgegeben haben und er daher ein Problem mit seiner Pace bekam." Auch Schumacher war selbstkritisch. "Das ganze Wochenende war kein gutes Wochenende für mich - und wohl auch von mir." Es lag also auch an ihm.

Michael Schumacher muss noch mehr Gas geben., Foto: Mercedes GP
Michael Schumacher muss noch mehr Gas geben., Foto: Mercedes GP

Überraschende Probleme hatte er bei der Reifenwahl und dem richtigen Wechselzeitpunkt. "Ich habe da keinen guten Job gemacht. Zum Schluss war nichts mehr übrig, ich fuhr nur noch Slicks und konnte mich nicht richtig wehren." Die Duelle gegen alte und neue Gegner haben ihm Spaß bereitet, aber spätestens gegen seinen Ex-Teamkollegen Felipe Massa sei es angesichts des Autos ziemlich hoffnungslos gewesen.

Wege aus der Misere

Diese Erklärungen und Vertröstungen auf den verbesserten Silberpfeil ab dem Europaauftakt konnten nicht alle Kritiker überzeugen. "Michael wird derzeit viel über sich selbst nachdenken", sagt Christian Danner und fügt hinzu: "Rosberg demontiert Schumacher in der Ergebnisliste." Niki Lauda legt nach: "Michael hatte das gleiche Problem im Rennen wie schon im Training. Es war eine schwache Leistung im Vergleich zu Nico."

Schumacher sei nicht richtig in die Gänge gekommen, kritisiert Lauda. Auch andere Beobachter bemängelten, dass der Deutsche noch die gleichen Probleme wie beim ersten Test in Valencia habe, es keine Fortschritte gebe. "Er muss jetzt hart arbeiten, um das Paket schneller zu bekommen. Er muss nach vorne kommen, denn im Moment steckt er in einer mittelmäßigen Leistung fest", sagte Lauda.

Schumacher beruft sich auf eine gute Pace, wenn die Reifen funktionierten. "Als wir mit halbwegs gleichwertigen Reifen gefahren sind, waren wir auch schnell genug", betont er. Gleichzeitig dämpft er zu hohe Erwartungen an die Updates: "Man darf nicht zu viel erwarten, denn die Konkurrenz wird auch zulegen". Im Fahrerlager und bei Wettanbietern wird schon darauf gewettet, dass Schumacher 2010 kein Rennen gewinnt.

"Im Moment möchte man sagen, dass wenn er dem Trend folgt, er es aus eigener Kraft nicht schaffen wird", stimmt Kai Ebel zu. Andererseits dürfte man in der Formel 1 niemals nie sagen. "Aber es war für Schumacher noch nie so schwer einen Sieg nach Hause zu fahren mit Ausnahme seines ersten Jahres in der Formel 1."

Was also kann Schumacher dagegen unternehmen? "Er muss weiter arbeiten und hoffen, dass das Auto so viel besser wird, dass er von Haus aus eine bessere Basis hat", sagt Danner. Für den erfolgsverwöhnten Rekord-GP-Sieger sei das ein neues Gefühl. "Er muss sich daran gewöhnen, von seinem Teamkollegen zerlegt zu werden. Wenn er sich daran gewöhnt hat, muss er sehen, was es für ein Gegenmittel gibt."