Im Paddock von Bahrain scheint sich vor dem ersten Training am Freitag bereits eine klare Meinung herauszukristallisieren. Mit Red Bull und Ferrari ist in jedem Fall zu rechnen. So wollte Rubens Barrichello am Donnerstag zwar nicht darüber sprechen, wer wo steht, doch über eine Qualifying-Runde sah er den RB6 ganz vorne. "Wir glauben, dass der Ferrari vielleicht beim Longrun vorne ist, aber danach verstehen wir gar nichts, denn wenn wir die Benzinladung der Teams nicht kennen, ist es nur Raterei. Es könnten alles falsche Vorhersagen sein", sagte der Brasilianer.

Für Barrichello war das trotz seiner langen Zeit in der Formel 1 eine durchaus neue Erfahrung, denn so offen war es seiner Ansicht nach nie. Zwar habe es auch früher viel Benzin an Bord gegeben, aber die Unterschiede seien wohl nicht so groß gewesen. "Voriges Jahr waren es 50, maximal 60 Kilogramm im Auto. Einige Leute fuhren auch nur mit 40. Jetzt spricht man von zehn bis 170. Das kann fünf Sekunden ausmachen, es ist also wirklich offen. Es ist schön, so eine Herausforderung zu haben." Dass ein Auto mit vollem Tank im Vergleich zu einem mit leerem Tank langweiliger sei, wollte er nicht behaupten. Für Barrichello ist dann einfach eine andere Fahrtechnik gefragt und Benzin müsse gespart werden, gleichzeitig müssen aber auch die Zeiten stimmen. "Das macht es zu einer großen Herausforderung."

Reifenschonen als Schlüssel

Wichtig sei es vor allem, mit Köpfchen zu fahren, denn ein ungestümes Manöver in der ersten Runde, das zu einer plattgefahrenen Stelle am Reifen führt, kann ein Rennen zerstören. Barrichello ging davon aus, dass vor allem die Reifen in den ersten Runden der kritische Faktor sein werden. "Weil die Bremsen kalt sein könnten, kann man am Pedal überreagieren und den Reifen platt fahren. Man kann keine 70 Runden auf einem Reifen mit platter Stelle fahren, man kann aber mit Bremsen fahren, die nicht so gut funktionieren."

Trotz aller Risiken kann man nur Vollgas geben, Foto: Sutton
Trotz aller Risiken kann man nur Vollgas geben, Foto: Sutton

Dennoch habe man wohl auch keine andere Wahl, als vom Start weg Vollgas zu geben, glaubte Barrichello. Man müsse mit den Reifen und dem vorhandenen Benzin einfach bei vollem Tempo durchkommen. "Ich erinnere mich an die Tage 1993, als man eine Tafel hatte, die sagte: 'Halte es gerade', oder, 'Achte auf die Reifen', oder, 'Achte auf den Motor'. Ich denke, heutzutage kann man das nicht mehr, man muss einfach mit dem Vollgas geben, was man hat", erklärte er. Aufgrund der Benzingewichte zu Rennbeginn erwartete Barrichello nach dem Start mehr Überholmanöver und auch einen viel größeren Mix im Feld, da einige Autos mit viel Benzin besser sein werden und andere mit wenig.

Strategiespiele

Er rechnete aber auch damit, dass einige Mannschaften recht verrückte Strategien ausprobieren könnten, um Positionen zu gewinnen. "Das hängt vom Verkehr ab, aber wenn jemand in den ersten Runden einen Boxenstopp macht, wird er überholen können. Der Unterschied bei der Pace könnte mehr als eine Sekunde sein und wenn wir von so viel sprechen, dann ist das eine Überhol-Chance." Diese ganzen neuen Möglichkeiten sind für Barrichello durchaus faszinierend. "Meine Frau sagte, ich sehe jung aus, also nehme ich an, sie meinte, ich sehe so aus, als ob ich sie im Hotel lassen wolle und unbedingt an die Strecke kommen möchte."

Von der Motivation will Barrichello jedenfalls im Vergleich zum Vorjahr nichts verloren haben, auch wenn er mit dem Williams dieses Jahr wohl nicht in einem WM-Auto sitzen wird. Bei Brawn sei der Winter 2009 hart gewesen, da man nichtwusste, wie das Auto sein würde und dann sei es super gewesen. "Dieser Februar war aufgrund der vielen Kilometer stressreich. Ich denke, Williams hat am zweitmeisten Kilometer hinter Ferrari gefahren. Es war stressreich, weil wir Kilometer machen wollten. Auch wenn es regnete, war es egal, denn man musste 100 Runden fahren, es ging nur ums Fahren. Auf gewisse Art ist es anders als voriges Jahr. Wenn ihr mich fragt, ob ich ein schnelles Auto habe, dann bleibe ich auf dem Boden, hebe aber auch ein wenig ab, denn ich weiß genauso wenig wie ihr, wer wo steht."