Es ging mal wieder ziemlich schnell mit der Kritik an Sebastian Vettel: Eben doch kein Wunderkind, viel zu viele Fehler, noch nicht reif für den WM-Titel - aus allen Ecken musste sich der 21-Jährige, nach seinem Sieg in China noch als das achte Weltwunder gepriesen, jetzt plötzlich Kritik anhören. Dass er direkt nach dem Rennen deutlich seine Meinung zu der seiner Ansicht nach völlig missglückten Strategie seines eigenen Teams sagte, brachte ihm da und dort schon den Vorwurf der Arroganz und mangelnden Loyalität ein.

Aber mal genau betrachtet - was will man eigentlich? Hätte man vor Saisonbeginn wirklich erwarten können, dass es ausgerechnet Vettel sein würde, der der ansonsten durch die Brawn- und Button-Überlegenheit zeitweise recht eintönigen Formel 1 zumindest zweiweise so richtig einheizen würde? Dass er dabei vielleicht einmal ein bisschen zu viel will und dabei auch der ein oder andere Fehler passiert, ist doch fast normal. Klar, den Ausritt in der ersten Runde hatte Sebastian Vettel sich selbst zuzuschreiben. Stritt er ja auch überhaupt nicht ab. Ob es von Red Bull dann schlau war, bei der riskanteren Drei-Stopp-Strategie zu bleiben anstatt auf eine sichere Zwei-Stopp zu wechseln, sei dahingestellt.

Viel riskiert

Viel riskiert und verloren, aber trotzdem viel gelernt., Foto: Sutton
Viel riskiert und verloren, aber trotzdem viel gelernt., Foto: Sutton

Aber genauso, wie Sebastian gerne mal etwas riskiert, anstatt Punkte und Positionen zu verwalten, tut das halt auch sein Team. Dass ein Christian Horner - und seine Ingenieure - an der Boxenmauer nicht die Erfahrung und schon deshalb auch nicht das Geschick eines Ross Brawn haben, ist sicher eine Tatsache. Und wer jetzt nach Adrian Newey ruft: Der hatte generell mit solchen Dingen noch nie viel am Hut - dessen Welt ist eine andere. Generell gilt auch hier: Dass bei erhöhtem Risiko auch öfter mal was schief geht, ist normal.

Dass sich ein Fahrer, der mit Siegeshoffnungen gestartet war und am Ende "nur" Dritter wurde, erst einmal sauer ist, auch. Dass er dann auch seine Meinung sagt, auch wenn die erst einmal dem Team gegenüber nicht sehr freundlich ist, auch. Gerade dann, wenn es sich um jemanden handelt, der so offen und gerade heraus ist, wie Vettel. Wenige Stunden nach dem Rennen war der kleine "Hauskrach" dann ja auch schon wieder weitgehend beilgelegt.

Übermächtiger Gegner

Die Realität sieht schließlich auch so aus: Vettel ist gegenüber Button in einer doppelt schwierigen Position: Er muss permanent angreifen, während der Engländer inzwischen den herausgefahrenen Vorsprung "nur noch" verteidigen muss. Und sich dabei erstens auf ein immer noch überlegenes und auch sehr zuverlässiges Auto und zweitens auf einen Teamkollegen verlassen kann, der ihn auch ohne jede Stallorder gar nicht erst wirklich in Bedrängnis bringen kann, weil er nicht nur langsamer ist, sondern auch viel zu viele Fehler macht. Und dass er mit Ross Brawn den wohl besten Strategen in der ganzen Formel 1 hinter sich hat, dem in Sachen Übersicht keiner etwas vormacht, dass es außerdem immer einfacher ist, auch mit Strategien zu spielen und zu arbeiten.

Button musste eine noch härtere Zeit durchlaufen als Vettel jetzt., Foto: Sutton
Button musste eine noch härtere Zeit durchlaufen als Vettel jetzt., Foto: Sutton

Nach neun Jahren "Formel 1 im Wartestand", in denen er sein - wie sich jetzt eindeutig zeigt - großes Talent mangels passendem Material nie wirklich ausspielen konnte, nutzt Button jetzt eben auch den Vorteil dieser langen Lern- und Aufbauphase. Jeder Erfolg macht ihn nur in sich gelassener und souveräner, ohne dabei für irgendwelches Abheben oder übertriebenes Selbstbewusstsein oder gar Überheblichkeit den Gegnern gegenüber zu sorgen. Wie locker und natürlich der Brite mit seiner Siegesserie und dem plötzlichen Superstardasein umgeht, nicht nur auf, sondern auch neben der Strecke, das ist schon eindrucksvoll.

Lernen fürs nächste Jahr

Woraus man schließen könnte: Für den Kampf um den WM-Titel ist es für Vettel und Red Bull wahrscheinlich tatsächlich in diesem Jahr noch zu früh. Nicht einmal so sehr wegen der eigenen Schwächen, sondern vor allem deshalb, weil man einem übermächtigen Gegner gegenübersteht, für den es von Anfang an perfekt läuft. Unter diesem Gesichtspunkt ist es vielleicht gar nicht so falsch, zu riskieren, eher zu versuchen, noch den ein oder anderen spektakulären Einzelerfolg zu holen.

Und wenn man dabei für die Zukunft auch noch etwas in Sachen Fehler vermeiden und Strategien perfekt planen und umsetzen lernt, umso besser... Schließlich ist nicht nur Sebastian Vettel erst 21 - auch Red Bull ist noch sehr jung, erst im fünften Jahr dabei, und zum ersten Mal überhaupt ganz vorne. Was noch einmal eine ganz andere Welt ist. Christian Horner hat immer gesagt, er wolle das Team um Sebastian Vettel aufbauen, so wie damals Jean Todt Ferrari rund um Michael Schumacher aufgebaut hat. Nur zur Erinnerung: Auch da klappte das mit dem WM-Titel nicht auf Anhieb, sondern erst im fünften Jahr...